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Formel Eins, Fatal Embrace,
Gorgons Eyes 07.04.2001 Glauchau, Grüner
Baum
von
rls
Der "Grüne Baum" besitzt
einen riesigen Saal, den heute wohl selbst J.B.O. nur mit Mühe füllen
könnten, der aber zu DDR-Zeiten Kultstatus besaß und in dem
sich, wenn die Highlights des DDR-Rocks auftraten, die Massen nur so drängelten.
Nun, diese Zeiten sind vorbei, selbst wenn 'ne Oldiekapelle wie Formel
Eins spielt, die eben dieses Drängelphänomen zu ihren Hochzeiten
locker auslösen konnte. Statt dessen verloren sich an diesem Abend
vielleicht 30 Nasen im weiten Rund. Die aber bekamen einen hochklassigen
musikalischen Event geboten.
Schon Gorgons Eyes als Opener
taten ihr Teil dazu und bretterten erstmal zwei saubere Melodic Speedies
herunter, bevor sie sich eher auf abwechslungsreichen, aber nicht mehr
ganz so tempolastigen Power Metal konzentrierten. Die eine oder andere
Manowar-Parallele war wohl nicht ganz zufällig, wohingegen der Bassist
eher wie eine jüngere Version seines Judas Priest-Kollegen Ian Hill
aussah. Der Sänger agierte souverän in höheren Tonlagen
und beschränkte die Sirenenschreie auf ein gesundes Maß. Die
im musikalischen Sinne sehr ansprechende Leistung wurde lediglich von einem
Problem getrübt, mit dem auch die anderen Bands zu kämpfen hatten:
dem Sound. Gab der Trommler etwas mehr Gas, konnte man so gut wie keine
Rhythmusgitarre mehr heraushören, und selbst die Leads hatten bisweilen
Mühe, sich angemessen Gehör zu verschaffen. Doppelt schade, denn
das, was man vom Gorgons Eyes-Gitarristen tatsächlich hörte,
klang recht vielversprechend. Lyrisch klassische Metalthemen abseits von
Tod&Teufel-Klischees abdeckend und dem Bandnamen entsprechend auch
mal in der griechischen Mythologie wühlend, verblieb nach 45 Minuten
jedenfalls der Eindruck einer Band, deren Entwicklung man im Auge behalten
sollte und die vom Publikum anständig beklatscht wurde.
Fatal
Embrace hatten genau drei Fans im Saal, die sich vor der Bühne
postiert hatten und die Berliner gnadenlos abfeierten, indem die beiden
Langhaarigen permanent ihre Matte kreisen ließen, während der
dritte mit seinem Igelschnitt dazu schwerlich in der Lage war. Das Soundproblem
manifestierte sich bei Fatal Embrace allerdings noch deutlicher, da der
klassische Thrash des Fünfers oft in oberen Geschwindigkeitsregionen
weilt. Die beiden Gitarristen spielen zu SEHEN, war schon sehr interessant
(von der Leadarbeit hätten viele Nachwüchsler wohl noch was lernen
können), nur gehört hätte ich sie gerne auch noch. Sänger
Heiländer schaffte es trotzdem durchzudringen, was scheinbar auf seinen
großen Resonanzraum zurückzuführen war (der Mann sieht
aus wie eine aufgeblasene Version von Udo Dirkschneider). Angesichts der
Tatsache, daß er permanent im Takt auf seinen rechten Oberschenkel
schlug, dürfte sich dieser wohl bald in Kleinholz verwandeln, wenn
er das öfter so praktiziert. Der agile Bassist hinterließ gleichfalls
einen positiven Eindruck. Musikalisch hätten die Freunde klassischen
Bay Area Thrashs sicher auf ihre Kosten kommen können, wenn davon
noch mehr als die drei erwähnten anwesend gewesen wären. Diese
erbrüllten sich übrigens auch noch eine Zugabe - wie nicht anders
erwartet, intonierten Fatal Embrace "Bonded By Blood" von Exodus, das zu
der vorausgegangenen halben Stunde gut paßte.
"Keine Experimente" war offenbar
die Devise von Formel Eins für diesen Abend. Gegenüber dem Gig
vor einem Jahr in Mülsen St. Niclas hatten sich keinerlei Neuzugänge
in die diesmal etwas kürzere Setlist geschlichen. So 'ne Art Best-Of-Programm
blieb also übrig, eröffnet wie erwartet durch das immer noch
zu den genialsten Einleitungen zählende "Intro" nebst "Der Edelrocker"
und fortgesetzt mit einem Streifzug quer durch das melodisch powermetalnde
Schaffen der Combo. "Wär mein Leben programmierbar" sorgte für
die ruhigen Momente, "Eddie" rannte frustriert durch die Gegend, daß
er damals nicht mit auf "Live Im Stahlwerk" verewigt wurde, und etliche
Coverversionen fuhren die Berliner natürlich auch wieder auf, wobei
ich persönlich angesichts der komprimierten Spielzeit doch gerne die
eine oder andere Eigenkomposition mehr gehört hätte, obwohl natürlich
"Electric Eye" & Co. alles andere als schlecht sind. Auch den "Fußballfan"
gab's zu meinem Leidwesen wieder nicht zu hören, weil ihn Formel Eins
seit ihrer Reunion schlicht und einfach noch nicht wieder geprobt haben.
Da Peter "Paule" Fincke hinterm Drumkit nicht ganz so speedlastig agierte
wie seine beiden Vorgänger an diesem Abend, besserten sich auch die
Soundverhältnisse ein gutes Stück, und man konnte hingebungsvoll
besonders den Gitarrenkünsten lauschen. Überhaupt hatten Formel
Eins trotz der geringen Besucherzahl hörbar Spaß am Gig, der
fast den Charakter einer öffentlichen Probe angenommen hatte. Die
Freude wurde nicht nur im ausufernden Instrumental "Freude, schöner
Götterfunken" quasi vergegenständlicht, und man sollte schlußendlich
auch nicht vergessen, daß Sänger Norbert Schmidt zwar immer
noch nicht der größte Melodiehalter vorm Herrn ist, aber sich
an diesem Abend in guter Form präsentierte. Falls übrigens Chris
Boltendahl diese Zeilen hier lesen sollte: Dein Plan, der erste grauhaarige
Metalsänger Deutschlands zu werden, ist gescheitert - der stand in
Gestalt von Norbert Schmidt (Jahrgang 1944!) an diesem Abend an der Spitze
einer erneut beglückenden Kapelle auf der Bühne in Glauchau.
Ende.
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