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2. Newcome Contest (Endausscheid)
20.10.2000 Affalter, Linde
von
kb
Ein Musikbetrieb in Aue mit
dem schön mehrdeutigen Namen Erzschlag hat sich das oberste PR-Prinzip
zu eigen gemacht, welches da lautet „Tu Gutes und rede darüber (oder
lass darüber reden - Ergänzung d. A.)“. Diese Bemerkung ist durchaus
positiv gemeint, denn auch das Gute tut sich nicht von allein und verlangt
Zeit und Geld, die bei einem kleinen Verbund aus Agentur, Tonstudio und
Technikverleih nicht allzu reichlich gesät sein dürften, jedenfalls
dann nicht, wenn man sich nicht gerade in den höheren Etagen der Musikindustrie
bewegt. Auf der anderen Seite ist gerade dieser Verbund eine äußerst
praktische Voraussetzung für einen „Sächsischen Preis für
Rock- und Popmusik“, denn als Agentur ist man geübt im Knüpfen
von Kontakten zu möglichen Partnern (oder hat diese Kontakte zum Teil
schon); als Technikverleiher kann man selbst beschallen und als Tonstudio
kann man die Preise in Form von kostenlosen CD-Produktionen selbst bereitstellen.
Es sei nochmals unterstrichen: Diese günstigen Voraussetzungen sowie
die bezweckte Medienwirksamkeit und Erhöhung des Bekanntheitsgrades
direkt bei der Zielgruppe der Musiker schmälert keineswegs die Initiative
der Erzschläger/innen, sondern soll nur einmal als Beispiel und Anregung
zum Nachahmen herausgestellt werden, denn sie dienen ja letztlich einem
guten Zweck: der Förderung der regionalen Musikkultur. Partner fand
Erzschlag im Musikhaus Hartenstein, Kabeljournal, Voices of Art e.V., Musikprojekt
Kijuku, Büro 2000 und EMI.
Wie inzwischen allgemein üblich
war die für den Veranstaltungsbeginn festgelegte Zeit nicht zu halten,
da sofort der ganze Plan durcheinander gerät, wenn auch nur eine Band
sich wegen Verkehrswidrigkeiten verspätet. So bereitete sich gerade
die letzte Band auf den Soundcheck vor, als ich ebenfalls sehr knapp um
19 Uhr eintraf. Vielleicht war es gut so, denn man mag den Beginn auf morgens
um 8 oder abends um 8 (oder eben eher) festlegen und ankündigen -
das hochgeschätzte Publikum bewegt sich trotzdem grundsätzlich
nicht vor 21 Uhr überhaupt aus dem Haus, so dass frühestens halb
zehn erkennbare Mengen an Gästen eintreffen. So auch hier; daher trug
die erste Band Sachsenreim AG (Fraureuth) ihren 20-minütigen
Wettbewerbsbeitrag auch vorwiegend vor der „Konkurrenz“ der anwesenden
Mitbewerber und natürlich der Jury vor und hatte es damit nicht eben
leicht (obwohl die Kollegen, sehr kollegial, nicht an Applaus sparten).
Ihre Musik aus hiphoplastigem Gesang und harten Klängen von Gitarre,
Bass und Drums ist nicht gerade mein Ding, dennoch nicht schlecht gemacht.
Allerdings verstand man, was vermutlich wichtig gewesen wäre, von
den eigenen deutschen Texten nichts, was ich zunächst den akustischen
Bedingungen zuschrieb. Auch die im Programmheft angekündigten originellen
Showeinlagen beschränkten sich weitgehend auf das synchrone Schwenken
der verfügbaren dazu geeigneten Haare - nicht besonders originell,
aber wenigstens ein Ansatz, die Musik von der Bühne zu transportieren.
Dieser Ansatz war bei der folgenden Band, Former NB (Glauchau),
für mich nicht mehr zu erkennen - Ausstrahlung und Stimme des hervorragenden
Sängers einmal ausgenommen. Man begann die „Show“ mit qualmender Zigarette
(für einen Sänger als Ausdrucksmittel durchaus zu akzeptieren,
bei einem Instrumentalisten aber eher Ausdruck von Langeweile nach zehn
Jahren Tanzmuckerei und dass ihn das Publikum mal am Dingens kann); zwischen
den Titeln löste sich die Kapelle in einen ungeordneten Haufen auf,
und die Musik war zwar als „handgemachte Rockmusik mit Wurzeln in den 70er
Jahren“ ganz nett, aber einige Hände bedürfen doch noch etwas
der Übung und bei zeitweise 7 Leuten auf der Bühne könnte
man in Zukunft arrangementmäßig noch interessanter arbeiten.
Richtiges Interesse erweckten bei mir zum ersten Mal X ist Y (Werdau/Fraureuth),
die mit Bühnenhänger und Zettelbegrüßung schon vorweg
signalisierten, dass sie sich auch Gedanken über ihren visuellen Eindruck
gemacht hatten und dies dann auch musikalisch noch unterstrichen, obwohl
ich mir unter Grunge Punk Toco Core zunächst nicht viel vorstellen
konnte. Als erstes fiel mir auf, dass der Drumsound plötzlich sehr
dicht und trotzdem brilliant war - es hat schon seinen Sinn, dass Drummer
Wert wenigstens auf eigene Overheads und Snare legen (auch ein Tontechniker
kann allenfalls aus Bonbons Scheibenkleister machen, aber kaum umgekehrt),
und es war einfach auch gut getrommelt. Dann verstand man plötzlich
jedes Wort des Sängers, obwohl dessen Stimme mit der des Vorgängers
nicht mithalten konnte (aber da derselbe Mensch am Pult stand, müssen
wir folgern, dass die vorherige Unverständlichkeit wohl nicht an fremdbestimmten
akustischen Ungelegenheiten gelegen haben kann). Drittens brachte man noch
einen Trompeter samt Trompete ins Spiel, der das Spotlight verdiente. Für
mich die ersten Anwärter auf einen Preis, und auch das inzwischen
etwas zahlreichere Publikum entsandte die ersten Abgeordneten auf die Tanzfläche
- doch dann kamen Green Slider (Chemnitz) und setzten dem noch eins
drauf. Man mag das Gepose von Freddie dem Quecksilber geliebt oder gehasst
haben - hinsehen musste man auf jeden Fall und Stimme hatte er auch; ähnliches
kann auch über den charismatischen Sänger der genannten mysterischen
Band gesagt werden. Interessante Musik, durch überlegte Arrangements,
gutes Handwerk, passende Gitarreneffekte und inbrünstige Interpretation
des Sängers transportiert - das konnte überzeugen.
Überzeugen konnten auch
Soulfire
(Zwickau), die eigentlich auf einem Newcomer-Wettbewerb, abgesehen vom
frischen Datum der Bandgründung, nichts zu suchen hatten. Die Band
wirkte mit ihrem Mainstream-Rock, der stark an Bon Jovi & Co. erinnerte,
professionell und sozusagen „gut abgehangen“; vermarktbar, schön anzuhören,
aber für mich zu wenig interessant.
Als hätten sie’s geahnt,
übertrieb es die letzte Band, Hidden
Timbre (aus wo?) (ähem, aus dem thürinigischen Vogtland
- Anm. rls), nun gleich wieder mit ihren Arrangementideen. Die Kollegen
setzten ihre Stücke zuweilen aus so vielen Splittern zwischen atmosphärisch,
latin-jazzig und rockig zusammen, dass man am Ende nicht mehr wusste, was
eigentlich am Anfang gewesen war, von der Mitte ganz zu schweigen, und
die Übergänge waren zuweilen etwas abrupt (sage keiner, man hätte
ihn nicht gewarnt: immerhin bedeutet der Name der Band „versteckte Klangfarbe“).
Anspruchsvoll ist dies allemal zu nennen; anfangs hatte ich zwar den Eindruck,
dass sich die beiden Gitarristen mit ihren Ansprüchen etwas übernommen
hatten, musste diesen Eindruck aber gegen Ende revidieren, als ihnen schön
abgedrehte zweistimmige Synchronläufe gelangen. Zwanzig Minuten sind
eben gerade mal die Zeit, in der man sich langsam warm spielt. Als Liebhaberin
schöner Gesangssätze fiel mir hier auch auf, dass diese Band
die einzige war, die den Satzgesang mit mehr als 2 Stimmen richtig kultivierte.
Sehr interessant, entwicklungsfähig und förderungswürdig,
aber ...
... während Blascore
ihre DDR-Pop- und Rennsteigliedfunmucke im Saal abzogen, stiegen aus der
anliegenden Kneipe die Rauchzeichen der Jurymitglieder (Verleger, A&R
Manager, Veranstalter, Projektleiter, Musiker) auf und signalisierten die
Plätze 1 Green Slider, 2 X ist Y und 3 Soulfire. Die sechs Finale-Bands
waren übrigens im Vorfeld von einer anderen Jury aus 50 Demos ausgewählt
worden, und wir dürfen gespannt sein auf die Rekordzahlen im nächsten
Jahr, denn aller guten Dinge sind bekanntlich (mindestens) drei.
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