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Toxic Smile    01.10.2000    Leipzig, Moritzbastei
von rls

Eine von Leipzigs hoffnungsvollsten Nachwuchsbands hatte zur CD-Release-Party geladen, und als bekennender Anhänger der Band muß man da natürlich alle Hebel in Bewegung setzen, um die anderen an diesem Abend eigentlich anstehenden Aufgaben umzuverteilen. Und nach hingebungsvollem Lauschen der 80minütigen Performance in der mb-Tonne stellte sich das Anwesendgewesensein trotz der relativen Kürze des Sets auch als hochgradigst lohnend heraus. Das sahen auch die im Publikum vertretenen Musiker (es waren ihrer sehr viele) so: Fleißig gebangt hat zwar keiner, aber dafür spendete man auch aus den hintersten Reihen wohlwollenden bis frenetischen Applaus, und angesichts des sehr hohen spielerischen Niveaus sah man hier und da auch mal eine Kinnlade nach unten klappen. Komme jetzt aber niemand auf die Idee und vermute, daß Toxic Smile reine "Musiker-Mucke" spielen würden. Nein, ihr rhythmisch sehr abwechslungsreicher, auf halbem Weg zwischen Progrock und Progmetal lagernder Sound weist dank des nicht unterrepräsentierten melodischen Elements, diverser barocker Klangelemente und einiger eingängiger Refrains auch für Nichtmusiker einen hohen Wiedererkennungswert auf. Woran es allerdings gelegen hat, daß die Frauenquote in der mb bei fast 50% lag, kann ich auch nicht sagen. Immerhin war der letzte Gig mit harter Gitarrenmusik, bei dem ich solch eine Anzahl weiblicher Wesen im Auditorium stehen sah, anno 1996 der von Type O Negative in Leipzig ...
In puncto Setlist machten es sich Toxic Smile leicht: Sie spielten einfach ihre neue CD "M.A.D." (Review an anderer Stelle im Heft) von vorn bis hinten durch. Das bedeutete, daß in Gestalt von "Arirang" gleich mal ein Dreizehnminüter als Eröffnungsstück fungierte, was sich auch nicht jede Band erlauben kann. Ein, zwei leicht unausgegoren wirkende Durchhänger hatte man ob der qualitativ hochwertigen umliegenden Stücke schnell wieder vergessen, und daß der nicht auf der CD vertretene und beileibe nicht übel umgesetzte Coversong "Maniac" (von Michael Salbello, glaub' ich - war in den Achtzigern mal 'n bekannter Radiohit) das untere Ende der Qualitätsskala markierte, sagt eigentlich schon eindrucksvoll aus, was Toxic Smile leisten. Am oberen Ende stand das ebenfalls nicht versilberte Dream Theater-Medley, garniert durch ein solides Drum- und ein eindrucksvolles Baßsolo. Schon als Keyboarder Marek das "Ytse Jam"-Thema anstimmte, brachen Jubelstürme aus dem Publikum. Bis auch die Eigenkompositionen Toxic Smiles Traumtheater-Level haben, ist noch ein Stück Weges zurückzulegen, aber der Fünfer hat definitiv den richtigen Pfad eingeschlagen. Stilistisch nach wie vor am ehesten mit dem Frühwerk von Evil Wings zu vergleichen, warf die Band dem Publikum Highlights wie das kultig betitelte Instrumental "§ 08/15" oder den CD-Titeltrack "Madness And Despair" um die Ohren, brillierte an den Instrumenten und zeigte sich hinterher trotzdem nicht ganz zufrieden, da die angestrebte hundertprozentige Umsetzung der Kompositionen nicht ganz gelungen war, weil der Sound einige Feinheiten verschluckte (so z.B. die "Hummelflug"-artigen Keyboardpassagen in der Bandhymne "Toxic Smile") und auch der Bühnensound nicht gerade das (trotzdem ausgezeichnet gelungene) Zusammenspiel unterstützend wirkte. Zudem wurde Sänger Larry (der die Phil-Collins-Parallelen mittlerweile etwas ad acta gelegt hat, da er seine Stimme vielfarbiger einsetzt) vom Soundmenschen mit etwas zu viel Nichtachtung gestraft (soll heißen, er war zu leise abgemischt). Trotz dieser kleinen Schwächen war der Gig aber von der ersten bis zur letzten Sekunde ein Erlebnis sondersgleichen, sowohl für die anwesenden Musiker (auch wegen der kostenlosen spieltechnischen Lehrstunde) als auch für die Normalfans. In dieser Band steckt einfach riesiges Potential.
 



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