WITH FULL FORCE FESTIVAL 23.-25.06.2000 Roitzschjora bei Leipzig von Janet
Dem Schreiberling ist nicht
bekannt (bzw. er ist zu faul für Recherchen), ob bei dieser Veranstaltung
jemals größere Ordnungsprobleme aufgetreten sind. Jedenfalls
gehören zu den Fazits des Festivals die Bemühungen der Ordner
um eine ordentliche Ordnung. Es ist zum Beispiel nicht leicht einzuordnen,
ob ein Barkas, Baujahr 63, der nicht mehr ganz neu aussieht, auf dem normalen
Parkplatz parken darf oder wegen dem original Presseausweis auf den VIP-Parkplatz
muß, obwohl kein Ordner einem das „VIP“ abkauft („Was, ihr? Presse?
Jaja, is klar. Und für welche Zeitung? Cross-was?“), oder ob man ihn
lieber zum Caravan-Parkplatz umleitet, Bedingung wäre dann aber, daß
einer im Bus schläft, was wir jedoch nicht unbedingt wollten, oder
was denn nun. Im direkten Vergleich z.B. zum Wacken-Open-Air fällt
zunächst also ein gründlicher Ordnungssinn auf. Es war auch nicht
leicht, einen Zeltplatz zu bekommen. Wenn einer der Veranstalter das hier
liest, sträuben sich dem sicherlich die Nasenhaare. Ich will aber
keineswegs Platzmangel anprangern. Es war lediglich so, daß in ihrem
Ordnungssinn die (aber in jedem Fall sehr netten) Ordner peinlich ordentlich
darauf bedacht waren, die vorher sorgfältig abgesteckten Parzellen
der Wiese nur eine nach der anderen mit Zelten zu füllen und das nach
für Einzelfälle entsprechend Gutdünken erteilter Zeltaufbauerlaubnis.
Nach Errichtung der Wohneinheiten war aber dann alles nur wie’s sein soll.
Alle langhaarigen Menschen in ihren übelriechenden Kutten verstanden
sich ohne viel Worte prächtig, das Dosenbier wurde geflissentlich
vernichtet, die kleinen Plastekassettenrecorder brüllten von allen
Seiten des Zeltplatzes Iron-Maiden- und Slayer-Songs und man bereitete
sich überall mental auf die Ereignisse vor, die kommen würden.
Das Festival bestand aus zwei Bühnen: der Mainstage, auf der die größeren Acts spielten und wo mehr Metal lief, und der Hardbowl-Tentstage mit ihren häufig weniger bekannten Bands vor allem aus dem Hardcore-, Punk- oder Rotzrock-Bereich. Keine Frage, wo wir uns hauptsächlich aufhielten... FREITAG Die Aufgabe des Eröffnens
für den musikalischen Reigen fiel am Freitag den DIRTY DEEDS zu. Im
Gegensatz zu späteren Acts war ihnen von Anfang an ein brillanter
Sound vergönnt. Die professionelle Bühnen-Action wirkte nie aufgesetzt
sondern nur sympatisch. Solides Riffing und eine hervorragende Gitarrenarbeit
- besonders bei den Solo-Atacken des Lead-Gitarristen - machten Spaß
beim Zuhören. Die Band spielte ihren Set routiniert und überzeugend,
allein den Songs fehlte ein wenig das zündende Etwas, das den Merkichmir
und Wiedererkennfaktor ausmacht.
Für mich startete das
WITH FULL FORCE mit den mir schon vom Fuck The Commerce-Festival bekannten
VIU DRAKH. Die machten richtig Spaß und waren richtig hart, also
genau der passende Auftakt.
Irgendwann: endlich - IRON MAIDEN!!! Ich hatte schon nicht mehr geglaubt, sie jemals vor meinem Tode zu Gesicht zu bekommen, geschweige denn mit Bruce Dickinson! Und was soll ich sagen, es war eine MACHT! Der Set begann mit einer ganzen Reihe Stücke vom neuen Album, das ich noch nicht kannte. Naturgemäß fand ich mich nicht sofort rein, stellte jedoch später nach Kauf der CD fest, daß sich die Dinger doch ganz schön in die Gehörgänge gefressen hatten. Und dann folgten die Klassiker. Ich kann nur jedem befehlen, sich einmal Bruce Dickinson mit Iron Maiden anzukucken! Der Mann ist das überragendste, sympatischste und beststimmgesegnete Front-Energiebündel das ich jemals gesehen habe. Anders als bei seiner Solo-Karriere (gesehen auf der „Skunkworks“-Tour) ist er förmlich explodiert, fegte über die Bühne, über die verchromten Klettergerüste und die überhaupt exquisite Bühnen-Bestückung, legte eine unglaubliche Action an den Tag und ließ sich stimmlich nicht die geringste Anstrengung anmerken! Im Schatten dieses Vulkans die anderen - Bassist Steve Harris exhibitionierte seine Freizeitvorlieben im Football-Dress, Janick Gers benahm sich einigermaßen übertrieben und albern (machte ein wenig den Eindruck der Profilneurose des inzwischen an die Stelle des „dritten“ Gitarristen verrutschten), Neugitarrist Adrian Smith war irgendwie nur von seiner Ausstrahlung her stärker beeindruckend und mußte gar nicht groß posen, die übrigen machten einfach nur einen sauguten Job. Die Band lieferte genau das, was man von ihr erwartete: ein Come-Back mit einem Paukenschlag, erstklassige neue Songs und unübertroffene Klassiker. Natürlich durfte auch „Number Of The Beast“ im Zugabeteil nicht fehlen. Mein Gott, ich habe IRON MAIDEN gesehen!!! (der Verfasser bittet die leicht subjektive Berichterstattung zu entschuldigen) Die KNÜPPELNACHT fand nach der Geisterstunde im Hardbowl-Zelt statt und bot wieder Stoff der ganz derben Sorte. Wenigstens zwei Bands davon hab ich gesehen: ASPHYX und KRISIUN. Beide haben mich vollkommen überzeugt. ASPHYX gibt es jetzt schon seit 13 Jahren, zwischendrin waren sie mal aufgelöst und sind - vielleicht deswegen - ein bisschen in Vergessenheit geraten, aber mit ihrem neuen Album „On The Wings Of Inferno“ melden sie sich lautstark zurück. Gekonnt zelebrieren sie Ami-Death der alten Schule, und ich freu mich schon, sie auf dem Partysan Open Air in Bad Berka wiederzusehen... KRISIUN ließen ebenfalls keine Fragen offen. Wenn einem mehrminütige Doublebass-Attacken um die Lauschlappen geblasen werden und das alles haargenau auf den Punkt kommt, kann man nur noch auf die Knie gehen. Manchmal ist es schon ein wenig schade, dass die Brasilianer ihr Können hinter so extremem und schnellem Spiel verbergen, aber eigentlich dann doch wieder nicht... SONNABEND Heute gab es echte Probleme
mit dem Sound. Den ganzen Tag über waren die Gitarren zu leise und
zu matschig. Das kann ganz schön nerven. Richtig beeinflussen ließen
sich die Musiker davon glücklicherweise nicht.
Meine OOMPH!-Kassetten schimmeln irgendwie schon lange im Regal rum. Ewig nicht gehört. Sooo toll auch wieder nicht(.?!) Aber man sollte sich wohl doch mal die Mühe machen und sich durchweg ein Konzert der Band reinziehen. Zumindest was sie auf dem Full Force boten konnte gelangweilte Vorurteile zerstören. Viel Wert lag auf der Optik - die Gitarristen in glänzenden Schutzanzügen, Sänger Dero im Kontrast dazu in schniekem weißen Anzug. Mit einem amtlichen Sound knallten die Songs in die Menge, sorgten nach und nach für Bewegung. Rammstein-Vergleiche sind trotz einiger klanglicher Parallelen unangebracht, da Oomph! schon eine ganze Weile länger aktiv sind und mehr Tiefe in ihren Songs aufbringen, weniger anbiedern. Dero suchte immer wieder das Bad in der Menge und ließ sich auf Händen tragen, wobei die Ordner jedesmal sehr darauf bedacht waren, wenigstens seine Füße in ihrer Obhut zu behalten. Zum Ende des Gigs hatte es die Band geschafft, das Publikum auf seine Seite zu ziehen und konnte die Bühne begleitet von begeistertem Jubel verlassen. Nach einer kurzen Pause meinerseits
durfte ich BOLT THROWER erleben. Auch das war wieder eine heftige Granate,
Death Metal aus dem Königreich auf der Insel, und so ganz nebenbei
gelten die Jungs als Miterfinder des Grind Core. Ich brauche also nicht
extra zu betonen, dass es hier ganz herb zur Sache ging!
SONNTAG Wenig Schlaf und die Tatsache, dass es zum Frühstück schon ein Bier sein muss, gehören ebenfalls zum Ambiente eines Metal-Festivals. Manchmal kann einem das schon auf die Füße fallen, aber das kommt dann später im Text... Den absolut schlechtesten Sound des Wochenendes bekamen ANGEL DUST. Einfach grauenhaft. Schlagzeug und Gesang waren das Einzige, was zu hören war. Es ist mir daher leider unmöglich, die musikalische Seite zu beurteilen. Nix zu merken von melodischen, progressiven und harten Einflüssen in den charakteristischen Sound (welchen?). Schmerzhaft, da mich gerade diese Band aufgrund der sehr guten Resonanzen der Presse auf das neue Album besonders interessiert hatte. Dem Soundmann gebührt ein kräftiger Tritt dahin, wo’s wirklich wehtut. Einer aufstrebenden Band eine so einmalige Chance dermaßen zu versauen! Lustig sollte es heute aber auch werden. Zunächst mit der inzwischen 16jährigen DDR-Kult-Combo MANOS. Ganze Bäume wanderten da, an die Klampfe gebunden, über die Bühne. Ziemlich originelle Show, und die Musik stimmte auch noch. Aber das war noch gar nichts gegen KNORKATOR (siehe nächstes Foto). Wer die noch nicht gesehen hat, hat definitiv was verpasst. Auch wer sie nur von ihrem Auftritt zum Vorausscheid des Grand Prix de la Chanson her kennt. Denn auf der Bühne sind sie noch tausendmal besser. Es war fast nicht zum Aushalten, wie die Bauchmuskeln vom Lachen strapaziert worden sind. Eine Slo-Mo-Variante von AC/DCs „Highway To Hell“ und ein lieblich zart dahingehauchtes „Haaaardcoooore...“ waren dabei nur der Anfang. Natürlich verkloppten und zerhackten sie wieder gnadenlos ihre Orgel, waren völlig schräg gekleidet und sich überhaupt nicht zu schade, sich total zum Löffel zu machen. Das faszinierende an dieser Band: So ganz „nebenbei“ sind das auch noch exzellente Musiker... Vor allem der Gesang verursachte ein ums andere Mal Gänsehaut. Beifall! Das war spitze!
Tja, und dann wurd’s kritisch,
jedenfalls für mich. Viele bauten schon mal ihre Zelte ab, um nach
SLAYER, dem heutigen Headliner, die Heimreise anzutreten. Für mich
spielte nichts Interessantes, und so hatte ich „genug“ Zeit zum ... Also,
ich muss erwähnen, SLAYER sind die Band gewesen, die ich am allerunbedingtesten
sehen wollte auf diesem Festival. Es ging mir nichts über SLAYER,
DIE Thrash-Band überhaupt, und ich hab mich wochenlang wie ein kleiner
Schneekönig darauf gefreut. Als es dann endlich soweit war, lag ich
auf der Wiese und war zu nichts mehr zu bewegen. Akustisch hab ich alles
mitbekommen,
so zum Beispiel, wie einer meiner Freunde sagte: „Endlich mal Männer-Mucke!“,
aber ich hab mich einfach nicht getraut, aufzustehen, weil ich für
nichts garantieren konnte, was dann passieren würde. Ich wußte
genau, ich würde mich hinterher schwarzärgern (tat ich dann auch),
aber es ging nicht! Ich fasse es noch immer nicht: Ausgerechnet vor dem
Auftritt meiner Lieblingsband des WITH FULL FORCE erreichte ich meinen
höchsten Bierpegel des gesamten Wochenendes. Aufgrund gewisser Hartnäckigkeit
(nochmals danke, Tobias!!!) erlebte ich die zweite Hälfte des Gigs
dann doch noch im Stehen und konnte sogar die großartige Lightshow
und die bombige Stimmung wahrnehmen, aber an Details erinnere ich mich
leider nicht ... sorry ...
Es bleibt ein Montag, wie
es selten einen müderen gab. Völlig geschafft, mit total verwirrten
Körperfunktionen, veralberten inneren Organen und Augen, aber glücklich.
Nachdem der ganze Festivaldreck sofort nach Rückkehr in die Zivilisation
abgewaschen war, bleibt ein Sack voll Eindrücke, die zu verarbeiten
wohl eine ganze Weile dauern wird, und die das eintönige Arbeitsleben
wieder für eine Weile ertragsam machen. Irgendwann kommt ja wieder
ein With-Full-Force!
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