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von Thomas Feist

Vom Vater...

Die Chancen, Gott im Internet zu finden, stehen nicht einmal schlecht: 291060 mal sind Seiten mit seinem Namen im deutschsprachigen Internet zu finden. Sein Sohn Jesus muß sich dagegen mit mageren 127741 Seiten begnügen.
Ruft man nun mit www.gott.de die Homepage Gottes auf, wird man im ersten Moment enttäusch sein. Hinter dieser Adresse verbirgt sich die Familie Humming aus Oberpeißenberg mit ihrem christlichen Missionsdienst. Dieser Dienst besitzt offensichtlich eine internette Monopolstellung. Auch die Adressen www.christus.de und www.jesuschristus.de führen zu den Hummings, die uns auf ihren Seiten die Bibel auslegen und Tips für persönliches Glück geben. Fehlanzeige unter www.gott.com. Diese Domain ist noch frei. Dabei läßt sich doch mit seinem Namen manch gutes Geschäft machen, wie z.B. bei der amerikanischen "Universal Life Church", welche mundsprayförmige Ernährungszusätze Marke "Gottes Atem"  verscherbelt. Unter www.gott.net finden wir eine private Homepage, die den Surfer begrüßt mit: Laut Counter bist du der soundsovielte Gläubige. Darunter folgende Erklärung des Inhabers: "Was ist das für ein Scheiß hier? Gute Frage ... es war eine ziemlich bescheuerte Idee, geboren im Dunste von viel Bier ... es sollte alles nicht zu ernst genommen werden und wirklich, ich bin nicht größenwahnsinnig..." Der Herrgott hat ja bekanntermaßen viele Gesichter. Ein lächelndes Mittdreißiger-Face erblicken wir, wenn wir www.herrgott.de anwählen. Leider bleibt die noch immer ungeklärte Herkunft Gottes auch weiterhin im Unbekannten, denn nach Anklicken des Links "Wo komme ich her" erfahren wir, dass diese Information leider nicht verfügbar ist. Übrigens: Gott scheint unter seinem alten hebräischen Namen JHWH (spricht Jahwe) gerade eine eigene Internetpräsenz aufzubauen. Jedenfalls, wenn er der Eigentümer der Adresse www.jhwh.de ist.

...zum Sohn und den Evangelisten.

www.jesus.de führt uns geradewegs zu einer christlichen Suchmaschine. Diese ist technisch auf dem neusten Stand und zeigt, dass Christen und HiTec zwei zusammenpassende Vokabeln sein können. Können, aber nicht müssen, wie wir uns auf der Seite www.jesus_lebt.de korrigieren müssen. Die gutgemeinte Homepage begrüßt uns im HTML-für-Anfänger-Design. Ebenso die Seiten von www.jesus.com, einer amerikanischen Missionsvereinigung. Wer über genügend Sprachkenntnisse verfügt, kann sich hier in den "Christian Chat Channel" einwählen und über geistliche Dinge debattieren. Ebenfalls eine amerikanische Unternehmung finden wir unter www.jesus.net, die sich auch die Adresse www.christ.com gesichert hat. Sie offeriert neben einem Webring für christliche Seiten auch ein spezielles Angebot für Menschen, die Sektenmitgliedern beim Ausstieg helfen wollen. Eine multifunktionale Suchmaschine zeigt uns die Wahl der Adresse www.jesus.org. Dass auch dieses Angebot aus Amerika kommt, erkennt man am separierten Talk-Kanal für Männer, während ein ebensolcher für Frauen fehlt. Neben einer täglichen Programmstruktur mit Gebet, Bibelschule und Mütterkreis finden wir ein Diskussionsforum, welches sich zur Zeit mit dem Thema "Sollten Christen neben christlicher auch weltliche Musik hören?" beschäftigt. Statements können dazu eingebracht werden. Die Lektüre der bisherigen Meinungen zeigt ein breites Spektrum zwischen Ignoranz und Toleranz. Stets bleibt jedoch ein höflicher Ton an der Tagesordnung, wohltuend, wenn man die Fäkalsprache deutscher Foren gewohnt ist. Was machen eigentlich die Evangelisten heute so? Bei zweien, nämlich Matthäus und Markus, gibt es im Internet keinen Hinweis. Lukas stellt unter www.lukas.de sein Hydraulikunternehmen vor, während Johannes unter www.johannes.de sein Autohaus präsentiert.

Kirche...

Dass Kirche und Gott in heutigen Zeiten nicht mehr notgedrungen eine Verbindung eingehen, zeigt sich daran, dass unter dem Begriff "Kirche" 414928 Suchmaschinentreffer angezeigt werden (wir erinnern uns, dass "Gott" es nur auf 291060 Treffer brachte). Unter www.kirche.de finden wir die Homepage der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Wenn das nicht eine gewisse Selbstüberschätzung darstellt ... Sei's drum, von hier aus wird bundesweit verlinkt, auch zur sächsischen Landeskirche, welche übrigens eine technisch und grafisch gut gemachte Homepage ihr eigen nennt. Das kann man nun vom Verzeichnis deutschsprachiger Kirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht behaupten, welche unter der Domain www.kirche.com registriert ist. Dass die Website momentan noch im Aufbau ist, erinnert an den Bonner Schürmann-Bau. Auch in diesem Fall wäre abreißen besser als weiterbauen. Das Sahnehäubchen ist das Angebot zur preiswerten Erstellung einer Homepage. Preiswert ist es sicher, wenn man 5 Minuten Arbeit mit Netscape Composer dafür zugrundelegt ... Das sächsische Landesjugendpfarramt präsentiert seine elegant gestalteten Seiten unter www.evjusa.de.

...und Zubehör.

In ein virtuelles Kloster zu gehen, ist momentan noch nicht möglich. Der Aufruf von www.kloster.de bringt den lapidaren Satz "The page cannot be displayed" zutage. Dafür finden wir unter www.pfarrer.de den Cyberpfarrer Arthur Heilmann und seine Sonntagspredigten. Neben dem Hinweis, dass auch Gäste Predigten veröffentlichen können, was aber offensichtlich bislang auf verschwindend geringe Resonanz traf, finden wir den Aufruf "Bitte beachten Sie unseren Sponsor". Hier hat endlich einer die Marktwirtschaft verstanden ... Eine überaus spezielle Seite hat www.hostie.de zu bieten. Die Homepage der Gemeinschaft Brot des Lebens und der Hostienbäckerei Kloster Vinnenberg zeigen uns in einem virtuellen Rundgang die Entstehung von Hostien. Hier findet man auch das Originalrezept (nein, nicht das der Hornschen Nußecke).

Im Osten geht die Sonne auf ...

Neben den großen christlichen Religionen sind im Internet auch fernöstliche Strömungen, Magier verschiedenster Prägung, Satansanbeter und allerlei religiös angehauchte Diskussionsforen und Skurrilitäten zu finden.

Suchen wir zunächst unsere muslimischen Freunde auf. Unter www.allah.de finden wir den lapidaren Hinweis, dass die Domain zu verkaufen ist. Interessenten sollen sich an webmaster@allah.de zwecks Kaufpreisvereinbarung wenden. Auch die Adresse www.brahma.de ist für den religiösen Sinnsucher kein ergiebiger Fundort. Wir erfahren, dass Brahmas Webpräsenz soeben freigeschaltet wurde und leider noch keine Inhalte verfügbar seien. Aber vielleicht ist diese Leere auch Programm und gleichbedeutend mit dem elektronischen Nirvana. Der Webmaster dieser streßfrei zu bewundernden Page hat sich übrigens das schöne Pseudonym „happybuddha“ verpaßt.
Götter sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Shiva, der vielköpfige indische Zunftvertreter, präsentiert uns unter www.shiva.de seine Firma für Informationstechnik. Leider fehlt ein Gruppenbild mit Mitarbeitern, so dass die informelle Mitwirkung heiliger Kühe ein Geheimnis bleiben wird.
Da auch in wissenschaftlichen Kreisen ein möglicher Einfluß elektromagnetischer Felder auf die menschliche Psyche thematisiert wird, ist die Induktion von Botschaften durch internette Fernhypnose natürlich ein Anreiz für Magier aller Art. Da bleibt nicht viel Farbloses zwischen gelber, schwarzer, weißer, roter, ultramarinblauer oder roter Geisterbeschwörung. Zwischen Kopfschütteln und Achselzucken bewegt sich beispielsweise das Forum für Weiße Magie (hat wohl nichts mit Weisheit zu tun), welches offenbar von einer ostdeutschen Tabakfirma gesponsort wurde. Unter f6.parsimony.net/forum6460 sind alle Mitdiskutanten willkommen, sofern sie keine Teufelsanbeter oder andere Anhänger der Schwarzen Magie sind. Über die veröffentlichten Inhalte schweigt des Sängers Höflichkeit.

... im Westen geht sie ...

Auch im Internet gilt die goldene Waschmittelregel vom weißer-als-weißen Weiß. Die URL home.inm.ch/iter_niveum führt uns geradewegs zum „schneeweißen Pfad“. Dahinter steht nicht die Gesellschaft zur Kultivierung des Kokainkonsums, sondern „eine Gemeinschaft aufrichtig glaubender Menschen“. Die guten Leute unterhalten ein Forum, in dem „jeder zu Wort kommen kann, egal an was er glaubt“. Dieser Hinweis von einem im landläufigen Sinn „Sekte“ genannten Häuflein stimmt zumindest heiter.
Wobei wir bei den Internetforen angekommen sind. Diese gleichen oft regelrechten Schwatzbuden und sollten jedem, der später einen sicheren Arbeitsplatz sein Eigen nennen will, die Ausbildung zum Psychologen nahelegen. Es gibt viel zu tun - sehen wir uns um.
Das „Forum Christentum“ (www.f5.parsimony.net/forum5945) und das „Forum Gott, Glaube, Religion, Kirche“ (f6.parsimony.net/forum6464) sind momentan inhaltsleer, das „Kirche Online Forum“ (www.kirchen.de/forum/index.htm) wurde aufgrund fortdauernden Mißbrauchs bis auf weiteres geschlossen. Das einzig verwertbare Forum, welches auch Fragen aus christlicher Perspektive abhandelt, gibt es unter f7.parsimony.net/forum8666. Ein echter Treffer ist dagegen home.t-online.de/home/RAFA_/foren.htm, eine Systematisierung von Faker Brian, welcher unter www.christenmensch.de.cx seine Krankheitssymptome darbietet. Hier sind eine Reihe von Foren aufgelistet, die ein Tummelplatz von Verklemmten, Schizos und sonstigen Bizarrlingen sind. Also persönlich möchte ich keinen von denen kennen, Herrn Brian erst recht nicht. Die sind soooo böse und gefäääährlich und würden sich einpinkeln, wenn sie im Supermarkt einen Lutscher klauen sollten. Brrrrrhhhh!!! Dann schon lieber zum Forum Satanismus (f1.parsimony.net/forum505) surfen und feingeistig über das wahre, das echte, eben das gute Böse parlieren.

unter.

Schauen wir uns auf den dunklen, den „teuflischen“ Seiten um. Wir finden in der Suchmaschine den Teufel 45361, Satan 10274 und Luzifer magere 1764 mal. Im Vergleich zu Gott und Jesus ist der Teufel also alles andere als populär. Aber okkult bedeutet eben verborgen.
Die erste Enttäuschung bringt www.satan.de. Nix mit verborgen. Freizügig wirbt ein Erotikversand auf diesen Seiten um die DeMark liebeshilfsmittelbedürfender Menschen. Unter www.luzifer.at stößt man weder auf das Komitee zur Entchristlichung Österreichs noch etwa auf Herrn Haider, sondern auf ein "Music & Event Management" aus Salzburg. Auch www.luzifer.com führt in die Irre. Hier präsentiert eine Modefirma aus Berlin ihren neuesten Fummel. Kinderkram. Kultig dagegen die Seite www.satan.com. Eine linktechnische Sackgasse, die zielgruppenorientiert gestaltet ist. Auf schwarzem Grund flackern Feuerchen und umrahmen den Hinweis „satan was here“. Wo er nun hin ist, darüber gibt man uns keine Auskunft. Überhaupt machen es uns die schwarzen Seiten nicht so einfach. Die leicht zu merkende URL www.insidetheweb.com/mbs.cgi/mb260419, welche uns geradewegs zur gruseligen Homepage von  „satan666death“ führt, strotzt vor metaphernschwerer Symbolik, die sich dem Uneingeweihten nicht recht erschliessen wird. Diese philosophische und pseudoreligiöse Vertracktheit ist zugleich das wahrhaft teuflische an dieser Seitenspezies: muß man denn wirklich erst christliche Theologie studieren, um ein richtiger Satanist werden zu können???



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