von Holger Busch
“Du schaust mich an, ich lache
Dir zu, ich sehe Freude in Deinen Augen,
ich sag ein Wort, und Du lachst
zurück und eine Brücke ist gebaut.
Du hast vertrauen, fühlst
Dich geborgen; ich nehm’ Dich an -
ganz so wie Du bist, versuche
Dich so zu verstehen. ...”
Ein Liebeslied?
“Sei mein Freund, mach mir
Mut, sag es wird alles wieder gut.
Sei mein Freund, sag mir,
es ist alles nicht so schlimm,
wir kriegen das schon wieder
hin.”
Eine Bitte an Gott?
Musik und Religion, Religion
und Musik, das scheint zueinander zu gehören. Und das wird niemand
bestreiten, kommt doch die katholische Kirche nur am Karfreitag ohne die
Orgel aus. Doch gehören nicht auch die kommerzielle Popmusik und Religion
zusammen? Und hat nicht gar auch die Religion von der Popmusik wesentliche
Elemente übernommen? Liegt nicht gerade in der modernen Musik die
Chance, wieder neugierig auf religiöse Inhalte zu machen?
Auf der Suche nach Antworten
geht es im ersten Teil darum, die Welt der kommerziellen Popmusik auf religiöse
Elemente zu untersuchen, im zweiten die geistliche Musik auf ihren “weltlichen”
Stand zu überprüfen.
1. Teil: Religion als Hitlieferant
für die Popmusik?
Ich denke, man kann 4 Bereiche
unterscheiden:
1. In der Popmusik wird mit
religiösen Symbolen und Inhalten gearbeitet. 2. Die Popmusik beschäftigt
sich mit existentiellen Fragen des Lebens. 3. Musiker der Popmusik haben
einen religiösen Lebenshintergrund. 4. Musiker arbeiten aus einer
individuellen christlichen Motivation heraus und machen expressis verbis
ihr eigenes Christsein zum Thema.
1. Wer hat nicht noch Enigma’s
“Sadeness” im Auge oder Madonna’s “Like a prayer”? Oder denkt an “Conquest
of paradise”. Nach meiner Auffassung “mißbrauchen” die Künstler
in diesen Stücken christliche Symbole, um Effekte zu erzielen, die
selbstverständlich auch bei ihren Zielgruppen - v.a. Jugendlichen
- gut ankommen. Es steht außer Frage, daß junge Menschen neugierig
auf mystische, unerklärliche Elemente sind. Ein Musikvideo, gedreht
in einer altmodischen Kirche, mit vielen flackernden Kerzen, immer wieder
Kreuze, “himmlische Strahlen” im Bild geben sicherlich einen schönen
aufregenden Hintergrund. Ich befürchte dabei nur, daß diese
Effekte an der Oberfläche bleiben und den Jugendlichen bei der Frage
nach den Inhalten alleine läßt.
2. In diesem Bereich ist es
sinnvoll, sich auf zwei Ebenen zu bewegen. Zum einen sich die Texte der
Musiker anzusehen, wo existentielle Fragen ihren Niederschlag finden, ohne
daß sie explizit christlich formuliert sind. Zum anderen die Texte,
in denen ausdrücklich auch religiöse Wörter und Inhalte
benutzt werden.
Die Palette der Musik der ersten
Ebene ist groß, und ich beschränke mich in meiner Aufzählung
auf Stücke, die ich persönlich interessant finde und von denen
ich glaube, daß sie gut in Gottesdiensten genutzt werden können:
Da ist zum einen das zu Beginn zitierte “Sei mein Freund” der Gruppe Illegal
2001. Weiter heißt es in dem Song:
“Manchmal schließe ich
die Augen und dann bin ich allein.
Dann sehe ich viele Dinge,
heh, die könnten Wahrheit sein.
Doch die Realität ist
schnell, schnell und gemein, sie holt mich immer wieder ein.
Das Leben ist manchmal hart,
blutige Kämpfe und mieser Verrat.
Dann braucht man jemand, den
man sich anvertrauen kann, den man in die Augen schauen kann.”
In diesem Lied geht es um
die Sehnsucht nach einem Freund, um den Wunsch nach Halt und Sicherheit.
Sicherlich erst einmal auf einen anderen Menschen bezogen. Vielleicht kann
dieser Freund aber auch Gott sein!? In einem Schulendtagskurs baute eine
Schülerin dieses Lied in den Wortgottesdienst mit ein, toll passend
zum Thema “Gemeinschaft”. Dazu hat das Stück ganz schöne Musik,
bei der man doll zur Ruhe kommen kann.
Viele Popmusiker beschäftigen
sich in ihren Stücken mit dem Tod. Ob in Purple Schulz’ “Irgendwo
da oben” (Der Himmel ist so hell, der Himmel ist so blau. Und irgendwie,
da weiß ich, ich weiß es ganz genau, irgendwo da oben, und
bestimmt nicht ganz allein, ..., irgendwo da oben mußt Du sein auf
einer Wolke oder so. ...), in “Du fehlst mir so” von Illegal 2001 (“Für
mich da lebst Du weiter in meiner Erinnerung, für mich bist Du unsterblich,
wunderschön und ewig jung, trotzdem ist alles so trostlos, ich fühl
mich einsam und leer, ich glaub ich nehm’ den nächsten Zug hinterher,
doch das kann ich nicht machen, denn wer aufgibt ist feige, ..., und im
nächsten Leben, das weiß ich genau, werden wir uns wiedersehn.
...).
Pur beschäftigt sich
in “Noch ein Leben” mit einer bestimmten “Art” von Tod, dem Selbstmord.
Gut einzusetzen als Einstieg
für Fürbitten in einen Gottesdienst läßt sich “Wünsch
Dir was” von Den Toten Hosen. Für ein Gottesdienst zum Thema “Kinder”
empfehle ich “Du bist ein Riese, Max” von Reinhard Mey. Macht Euch doch
einfach mal selbst auf die Suche nach Songs mit interessanten Texten. Sie
lockern auf alle Fälle einen Gottesdienst oder eine liturgische Nacht
gut auf.
Wenn es nun um die zweite Ebene
geht, um Songs, in denen explizit religiöse Inhalte angesprochen werden,
fällt vor allem die Gruppe auf, die sich kritisch mit dem Thema “Kirche”
und “Gott” auseinandersetzt. Allen voran steht da sicherlich die Gruppe
“Die Toten Hosen”. Die Texte für das Album “Opium fürs Volk”
schrieb Sänger Campino in der Benektinerabtei Königsmünster
in Meschede. Im Stück “Die zehn Gebote” verpackt die Gruppe diese
in moderne Rockmusik, ohne die Botschaft zu verfälschen. Dazu fragen
sie allerdings auch kritisch an, ob es uns Menschen überhaupt möglich
ist, diese Gebote zu befolgen: “Wenn ich du wär, lieber Gott, und
wenn Du ich wärst, lieber Gott, glaubst Du, ich wäre auch so
streng mit Dir, ... , würdest Du die Gebote befolgen, nur wegen mir?”
Im weiteren macht Campino deutlich, daß die Menschen es noch nie
geschafft haben, bedingungslos den 10 Geboten zu gehorchen, daß darum
Gott seinen Sohn gesandt habe, doch auch dieser die Menschen nicht zur
Umkehr führen konnte: “Und jeden Tag versagen wir ein weiteres Mal”.
In “Paradies” setzt sich die Gruppe mit dem Leben nach dem Tod auseinander:
“Wer kann schon sagen, was mit uns geschieht, vielleicht stimmt es ja doch,
daß das Leben eine Prüfung ist, in der wir uns bewähren
sollen.”
Scharf mit der Institution
“Kirche” gehen Purple Schulz und die Gruppe Pur um. In “Ich glaube daran”
von Purple Schulz und “Nie genug” von Pur kritisieren beide Bands Aussagen
und aufgestellte Normen der Kirche und stellen Alternativen zur Diskussion,
Glauben an Gott anders erlebbar zu machen.
“Der Herr Pastor, das ist’n
richtig netter Typ, was wäre schlecht daran, wenn ab und zu ‘ne nette
Frau neben ihm liegt oder ein netter Mann? Was wäre dabei außer
Liebe und einem guten Gefühl? Ein bißchen mehr vom Himmel auf
der Erde vielleicht wär’s dann in der Kirche nicht so kühl. ...
Doch ich glaub daran, der liebe Gott hat sich bestimmt nicht vertan, denn
so wie es scheint hat er es gut gemeint. ... Denn sonst wär ja unsere
Konstruktion ein Desaster und er müßte nochmal ran.” (Purple
Schulz)
“Das Buch der Bücher auf
Regeln beschränkt, was zwischen den Zeilen steht, verdrängt,
habt Euch vom Lachen und Leben entfernt, ich hab Euch abgestreift und selbst
gelernt. In Musik, einer Melodie, die mir Gänsehaut verpaßt.
In einer Idee, einem Bild, einem wahren Wort, einem Kuß, der selbstlos
macht, steckt so viel Gott, das liegt in der Luft und hat so viel Kraft.”
(Pur)
Brisante Themen! Doch es ist
hier sicherlich der falsche Ort, über die Richtigkeit und Falschheit
der angebrachten Kritik gegenüber der Institution “Kirche” zu sprechen.
Vielmehr soll der Hinweis auf diese Stücke dazu dienen, einen Diskussionsansatz
zu geben, über diese Themen zu sprechen. Dabei erscheint mir eines
wichtig. Unabhängig, ob die gemachten Vorwürfe dieser Gruppe
nun nachvollziehbar sind oder nicht, finde ich es wichtig, nicht zu verschweigen,
daß bereits in vielen Bereichen der Kirche Gott lebendig erfahrbar
wird. Die “Musik, die Melodie, die mir Gänsehaut verpaßt, die
Idee, das Bild, das wahre Wort, der Kuß”, all diese Dinge, in denen
Gott steckt, die erlebe ich nicht nur im Alltag, sondern auch in der Kirche.
3. Die dritte hier anzusprechende
Gruppe ist die der Künstler, die einen religiösen Lebenshintergrund
haben. Da sind Stevie Wonder, Bob Dylan, Cliff Richard, U 2, MC Hammer
zu nennen. Aus dem deutschsprachigen Raum Gerhard Schöne, ein Liedermacher
aus dem Osten Deutschlands. Als CD-Tip sein “Die sieben Gaben”. Prädikat:
sehr hörbar!
4. Abschließend sind
die Künstler zu nennen, die explizit aus ihrer individuell christlichen
Motivation heraus tätig sind und expressiv verbis ihre Christsein
zum Thema machen und ihren Glauben durch die Musik zur Sprache bringen.
Dazu gehören Amy Grant, Cae Gauntt, Phil Keaggy, Split Level und der
Deutsche Dieter Falk, der Produzent von Pe Werner und Pur. Diese Interpreten
der sogenannten Sacro-Pop-Szene sind wohl eher unbekannt und eher Hörern
des “Evangeliums Rundfunk” ein Name. Sich näher mit diesem Bereich
zu beschäftigen würde an dieser Stelle sicher zu weit führen
und könnte bei Interesse sicherlich in einer der nächsten Ausgaben
aufgegriffen werden.
2. Teil: Geistliche Texte im
weltlichen Gewand
Mittlerweile gibt es in vielen
Gemeinden nicht nur ein Gotteslob, sondern sind auch Songbücher mit
dem sogenannten “Neuen Geistlichen Musikgut” in den Gotteshäusern
zu finden. Bemerkenswert finde ich, daß schon vor vielen Jahrzehnten
liturgische Gesänge zur populären Musik geworden sind. So geht
Cat Stevens' “Morning has broken” auf das alte irische Heiligenlied “S.
Patricks breastplate” zurück. Der Psalm 137 war die Grundlage für
“American pie” von Don McLean. Wie wäre es also, wenn sich die neuen
geistlichen Lieder nicht nur in unserem kirchlichen Gesangsgut etablieren
würde, sondern selbst zu Hits würden? Als Beispiel soll nun zum
Abschluß das Zusammenwürfeln einiger Textpassagen aus Geistlichen
Liedern dienen, die ein schönes Liebeslied ergeben würden.
Wenn einer sagt: "Ich mag Dich
Du”, ich find Dich ehrlich gut,
dann krieg ich eine Gänsehaut
und auch ein bißchen Mut.
Wenn einer sagt: "Ich brauch
Dich Du”, ich schaff es nicht allein,
dann kribbelt es in meinem
Bauch, ich fühl mich nicht mehr klein.
Wie ein Brief nach langem
Schweigen, wie ein unverhoffter Gruß,
wie ein Blatt an toten Zweigen,
ein “Ich mag Dich trotzdem"-Kuß.
Wo ein Mensch Vertrauen gibt,
nicht nur an sich selber denkt.
Wo ein Mensch, den anderen
sieht, nicht nur sich und seine Welt.
Wenn ein Mensch sich selbst
verschenkt und den alten Weg verläßt,
fällt ein Tropfen von
dem Regen, der aus Wüsten Gärten macht.
Ich höre zu, was Du mir
erzählst. Du hast Vertrauen, fühlst Dich geborgen,
ich nehm Dich an - ganz so
wie Du bist, versuche dich so zu verstehn.
Ich werde frei, ganz frei
von der Angst, du könntest meine Schwächen entdecken.
Ich schenke mich, ganz so
wie ich bin und Dein Verstehen macht mich frei.
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