www.Crossover-agm.de Schoten nach Quoten
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von Anja Rützel

Mal wieder wird eine Radioquote für deutsche Musik gefordert. Die Befürworter sagen, sie diene der kulturellen Identität, die Gegner meinen, Qualität setze sich unabhängig von der Sprache durch.
Über die Gründe, warum deutsche Musik eine staatlich verordnete Quote braucht und es nicht aus eigener Kraft in die Radioprogramme schafft, erfährt man in dieser Diskussion leider wenig. Einige Mutmaßungen - und ein kleiner Ausblick, was uns droht, wenn die Quote tatsächlich kommt.

Krude Alltagssurrealismen
Dass die Welt des Schlagers eine wunderliche ist - geschenkt. Das Szenario, das Xandra Hag jedoch in ihrem Lied "Wem gehörn die Schuh'" entwickelt, ist von epochalem Aberwitz: Die Frau kommt nach Hause, findet dort ein Paar ihr nicht weiter bekannte Schuhe - und fragt sich in der Folge zu Recht: "Wem gehörn die Schuh'? Wer gehört dazu?" Nach langwierigem Rätselraten ("Heiß ich etwa Cinderella oder seh ich so aus?") dämmert es der Protagonistin: "Liebe Zeit, heut ist ja unser Hochzeitstag." Die Stöckel sind dementsprechend ein Geschenk des Ehemanns. Fazit: "Mir gehörn die Schuh', ich gehör dazu." Und die Flippers fantasieren im Refrain ihrer aktuellen Single "Wetten, dass" das nächste Stelldichein mit der Geliebten mit einem hoffnungsfrohen "Wetten, dass du schon nervös auf deine kleine Uhr siehst? / Du hast bestimmt etwas Supertolles an" herbei.

Vermeintlich tiefsinnige Rumpelreime
Radost Bokel, früher mal "Momo"-Kinderstar, erklärt nun als Rapperin im Lied "Wie viele?" die Welt: "Kleider, Auto, Fernseher, Schmuck / Alles wird verkauft für den nächsten Druck / Ruckzuck stehst du da ohne Eigentum, ohne Ruhm / Schuld daran ist dein ewiger Drogenkonsum." Noch prägnanter bringt die Punkband Abwärts das Thema Terror und Selbstmordattentäter in ihrem Lied "Feige" auf den Punkt: "Feiger, feiger Antichrist / dein einziges Ziel der Selbstmord ist." Die Schweizer Gruppe Die Ladiner, deren deutschsprachige Titel ebenfalls unter die Quotenförderung fallen würden, bietet in "Beuge dich vor grauem Haar" Aufschlussreiches zum Generationenkonflikt: "Beuge dich vor grauem Haar / höre zu, wie's damals war / Weisheit kommt aus ihrem Mund / weise Worte sind gesund."

Unklare Aussagen
Englische Texte seien meist nur sinnloses Gefasel ohne echte Aussage, sagen Befürworter der Quote. Anajo, eine junge deutsche Popband im Fahrwasser von Virginia Jetzt! und den Sportfreunden Stiller, singt: "Honigmelone, du bist nicht ohne / Nein, du bist mit: glücklich wer's hat. / Honigmelone, in deinem Innern / da liegt das Gold, ich seh' es schimmern."

Allzu deutlich verstandene Vulgaritäten
Wer meint, dass nur in englischen Liedtexten geflucht wird, irrt und sei auf die Band Adam und die Mickys verwiesen, die mir "Aba heidschi bumbeidschi bumbum, zum Sch***** ist keiner zu dumm" schöne Erfolge feierte. Liebe Kinder, geht und hört eure Eminem-Platten.

Aus: Mannheimer Morgen, Magazin, 3. Oktober 2004



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