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Drogen, Träume, Drama
– Die Welt im Rausch der Zukunft
Arnim Petras inszeniert in
Leipzig Jeff Noons Thriller „Gelb“
von
Henner
Kotte
Das sagen alle und auch Bücher:
Möglichkeiten, die das Leben bietet, soll man stets und immer nutzen.
Gut und schön, bietet aber das Leben Möglichkeiten gar nicht
mehr: no hope, no job, no love and peace. So fiction ist dies nicht, will
scheinen. Regierungen schinden Zukunftspläne für Millionen aus
mageren Kassen und stehen machtlos neben den Bedürfnissen, Notwendigkeiten
und Wünschen, ökonomisch wie privat. Politisch übersetzt
heißt die Misere dann sehr gern und häufig: Wir stellen uns
den Herausforderungen des nächsten Jahrtausends. Beifall und Bravo
von den Sitzen der Fraktion. Danke, weiter im Text.
Der Text heißt „Gelb“
(Goldmann, 1999), und in Jeff Noons phantastischem Roman wird alle Weisheit
der Alten ad absurdum geführt. Im Jahr 2085 geht dann nichts mehr,
nicht mal Sprüche. Die finanzielle Unterstützung reicht dann
grad noch so hin für teure Träume. Die stecken in bunten Federn,
sind mal geil, mal doof, echt abgefahren oder völlig depri. Was andres
bleibt dem Menschen nicht in solchen Zeiten. Scribble, Held der Handlung,
verliert die vielgeliebte Schwester an den Traum. No way out, nur eine
gelbe Feder kann noch helfen. Aber selbst wenn, auch Träume sind nicht
mehr das, was sie waren. Das Leben ist Scheiße en detail, en gros
erst recht. „Gelb“ schildert die verzweifelte Suche Scribbles nach Wärme,
Freund, Familie und sein Scheitern. In England avancierte Noons Buch rasch
zum Bestseller und wurde verglichen mit Kult gewordnen Werken wie „clockwork
orange“ z.B. Nun ja, wer Vergleiche gern bemüht, aber diese Orgie
der zukünftigen Welt hat was ganz was eignes zweifellos, sie ist thriller,
romantic love story, science fiction. In allem recht perfekt und gut zu
lesen. Autor Jeff Noon kommt auch von der Insel, und derzeiten ist es so,
als ob nur Briten Kunst mit heißem Atem machen (können). „Ganz
oder gar nicht“, Victor Headley, „Shoppen und Ficken“, Bolt Thrower, Sarah
Kane, „Trainspotting“, „Naked“ – Titel, Titel, Namen, Namen und allesamt
Kultur auf höchster Stufe, Queen Mum zum Trotz. Da steht der deutsche
Komödienstadl voll daneben. Allerdings nicht er allein.
Eingedenk dessen nutzte Arnim
Petras, seines Zeichens Jungstar des Leipziger Theaterregieteams,
alle Möglichkeiten und brachte in der Messemetropole „Gelb“ zur Bühnenuraufführung.
Autor Jeff Noon, dem hat's gefallen, Kritik bemängelte die dünne
story, aufgepeppt mit Firlefanz und Bühnenschnickschnack. Einer generation
jenseits ist alles verdächtig, zuschauende kids erkennen und lohnen
die Mühen mit Beifall der anderen Art. Beeindruckend ist die Szenerie
der Natascha von Schneider. Diese Drehbühne bietet immer wieder neue
Perspektiven und viele Möglichkeiten des Spieles. Bei feedback aus
dem Publikum sind die Akteure voll auf Feder, allen voran Aljoscha Stadelmann
und Oliver Kraushaar. Die Entdeckung des Abends allerdings ist Kathi Wehlisch,
die als Schauspielschülerin die Rolle der Mandy noch mehr Erfolg versprechend
meistert. Auch andere Mitspielende sind von einer erfrischenden Präsenz
als Menschenhunde, -roboter, -menschen oder -schatten, belebend bringt
Petras interessierte Laien in die Inszenierung ein. Das hat was. Auch die
beiden DJs, die dazu live den Sound betreuen. Mir pendeln diese Töne
unentschieden nirgendwo, ein Blick (selbst in die Leipziger) Szene hätte
genügt. Das aber läßt sich ändern. Der Mensch in dieser
Zukunft ist weiß Gott nicht zu beneiden, und die darstellende Schar
von Leuten spielen diese fiction drastisch direkt bis kotzend dun. Bei
allen Mängeln, daraus könnte was werden, nicht nur für kids.
Nun jedoch nutzt Arnim Petras
die Möglichkeiten seines Lebens und geht als Schauspielchef nach Kassel.
Ohne Federlesen, beste Wünsche.
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