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Stallgeruch und Bühnenluft
Schauspieldirektor Manuel
Soubeyrand macht Pläne und Theater
von
Henner
Kotte
So richtig im Zentrum der Aufmerksamkeit
steht das Schauspielhaus nicht. Wären nicht Hinweisschilder auf Hauptstraßen
und Märkten, würden Besucher von weit her die Wege zur Kunst
in Chemnitz kaum finden. Das Problem dieser Ablage ist von Stadtverantwortlichen
auch erkannt, nur neuer Theaterraum, den kommunale Kassen tragen können
und Besucher annehmen, ist Inner-City schwer auszumachen. Aber eine Bühne
kann/muß sich auch anderweitig ins Gespräch bringen. An Ideen
dazu mangelt es Direktor Manuel Soubeyrand nicht.
Seit einem Jahr leitet er
Geschick und Geschäft des Chemnitzer Schauspiels und erregt Aufmerksamkeit.
Uraufführungen forderten von Ensemble wie Publikum Haltung: "Formel
einzz" vom hier heimischen Autor Christoph Martin. Oder Andreas Sauters
und Bernhard Studlars preisgekröntes Stück "A. ist eine andre".
Der experimentelle "20 Faust 00" weist zurück wie voraus. Für
klassische Diskussionen sorgen "Das Käthchen von Heilbronn" und "Romeo
und Julia". Beste Unterhaltung bieten Agatha Christies "Da waren's nur
noch neun", "Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)" oder
"Die schöne Helena". Man bemerkt und besucht das Chemnitzer Bühnehaus
auch am Rande der Stadt. Erst letztlich zum Vergnügen: "Die Olsenbande
dreht durch" nach den legendären Filmkomödien. "Das ist die ganz
große Politik, und wir spielen da jetzt mit ... Wir brauchen eine
große Trommel, zwei Hüte, eine lange Faschingsnase und eine
kurze Faschingsnase, eine große dänische Fahne, zwei mal drei
Meter, ein Fläschchen französisches Damenparfüm, einen billigen
Blumentopf ..."
Allerdings werden solch Requisiten
alleine nicht reichen, um zu überzeugen, denn eines detaillierten
Planes bedarf es schon, will das Theater im Stadtgeschehen weiterhin spielen.
Und so streitet Manuel Soubeyrand um Konzepte, Akteure, Finanzen. Das ist
um der Kunst willen jährlicher Kampf mit Ausgang offen von Scheitern
bis Erfolg. Vor allem ist es harter Job. Aber den hat sich Manuel
Soubeyrand selbst gewählt, und er tut ihn mit Hin- und Draufgabe.
Geboren wurde Manuel in Köln
und in die Künstlerfamilie Soubeyrand. Kein Jahr darauf zog Mutter
mit Kind hin zum Sozialismus an die Spree. Mit Enthusiasmus wurde dort
neues Theater geprobt. Auf diesem Wege geriet der Rheinländer
zum besseren Preußen und durchlief das Schulsystem der DDR. Bis Noten
(gar eigenhändig gefälscht) und Verhalten die Reifeprüfung
so einfach nicht zuließen. Manuel Soubeyrand ergriff eine andre Chance
des Abiturs und den Beruf eines Zootechnikers und Mechanisators. Was bedeutet,
halber drei raus aus dem Bett, Kühe hüten, füttern, melken.
Theater war erstmal nicht, sondern der Versuch des Studiums von Pol Ök
und der Wille, jungen Nationalstaaten in die Zukunft zu helfen. Dieser
Traum der guten Sache war nicht durchführbar, und deshalb kam Manuel
Soubeyrand ans Theater zurück, zunächst als Techniker, der auf
der Bühne Hand anlegt. 1979 wurde er auf der Schauspielschule Berlin
immatrikuliert, Berufsziel klar: Schauspieler.
Bereits als Student spielte
Manuel Soubeyrand mit am Berliner Ensemble. Er war kämpferischer Jungrevolutionär
in Schatrows "Blaue Pferde auf rotem Gras", einem Stück, das sehr
kritisch vom Beginn des Sozialismus sprach. Und im "Kleinen Prinzen" gab
Student Soubeyrand die Schlange. Darstellungen, die auch legendäre
Kollegen beeindruckten und das feste Engagement am BE einbrachten. Mehr
als zehn Jahre wirkte Soubeyrand im Haus am Schiffbauerdamm. Manchmal in
Filmen wie "Der Hut des Brigadiers" oder "Furcht und Elend des dritten
Reiches". Seit 1988 unterrichtet er in der Kunst des Spielens an seiner
alten Schule namens Ernst Busch. Und doch war es für Manuel Soubeyrand
des Zwangs zuviel, und seit 1993 macht er freiberuflich Theater als Schauspieler
und Regisseur. Inszenierungen vor allem der Klassiker und der klassischen
Art waren in Deutschland vieler Orten zu sehen. Seit 2000 ist Manuel Soubeyrand
wieder fest an ein Haus gebunden: In Chemnitz. Und in leitender Position.
Und auch die nächste
Spielzeit wird vor Ort der Stadt Kunst bieten. Das Jugendstück Lutz
Hübners "Creeps", Schillers "Räuber" und "Gefährliche Liebschaften".
Und ab 18. Januar 2002 erobert Dracula im Spektakel alle Räume. Dabei
kann der Besucher manch Unding begegnen und sich dieser grausigen Lust
den ganzen Abend lang hingeben. Zu entdecken ist auch Mauricio Kagel, einer
der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten mit seinem Musikepos
über den Teufel: "Der mündliche Verrat". Damen kommen groß
raus wie "Die Heilige Johanna", "Effi Briest" oder die Sunny, aus Konrad
Wolfs und Wolfgang Kohlhaases legendären Filmlicht auf die DDR. Schließlich
heißt es á la Alexandre Dumas: "Alle für einen, einer
für alle".
Das könnte auch zum Motto
des Hauses geraten. Und wenn das Interesse der Chemnitzer und die Aufmerksamkeit
über Land wirklich und richtig geweckt ist, warum sollte das Schauspielhaus
seinen Ort wechseln müssen. Und Publikum findet sein Theater. Immer.
Gut muß das Spiel natürlich sein. In diesem Sinne: Toi, toi,
toi, Herr Soubeyrand ...
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