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Neues aus der Theaterwelt (28.01.2007)
von Henner Kotte

Schüler zeigen ihre Macht
Das Thalia Theater zeigt Prüfungsangst und mehr

Das ist doch mal 'ne nette Geste: Vier Schüler stehen vor der Lehrerin und gratulieren. Jelena Sergejewna hat Geburtstag, und wären die vier nicht, hätte sie wohl keiner beglückwünscht. Da freut sich die Mathelehrerin und deckt den Tisch. Klar kommen die Schüler zum Thema, Prüfungen sind in ein paar Tagen, und man bekommt immer gesagt, gute Abschlußnoten verbessern die Chancen auf dem Lehrstellenmarkt. Nun ist's aber so, daß es in Mathe bei den vieren nicht eben toll aussieht. Vielleicht könnte Jelena Sergejewna ihnen schon mal ein paar der Fragen verraten, denn sie weiß doch, was abgeprüft wird. Die Pädagogin ist geschockt und kämpft um ihre Ideale: Ehrlichkeit, Vertrauen und Leistung. Das sehen die Kids aber nicht ein. Sie wollen die Fragen, wenn's nötig ist, auch mit Gewalt ...
Solche Geschichten passieren. Wir haben von ihnen gehört und gelesen, jetzt können wir eine davon auch sehen. Am 22. September 2006 hatte "Liebe Jelena Sergejewna" im Großen Thalia Theater Premiere. Man möchte meinen, gegenwärtiger geht's nicht. Das Stück allerdings wurde vor 25 Jahren verfaßt und präsentierte den Schulalltag im Sozialismus. Waren das Zeiten! 1980 zeigte Ljudmilla Rasumowskaja den Werteverfall im Bildungssystem. Die Theater spielten das Stück rauf und runter. Nur die DDR hatte es verboten, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dann gab es weder DDR noch Sozialismus. Nur bedenklich: Das Thema ist heute aktueller denn je ...
Auch in diesem Jahr zeigt uns das Thalia, daß das Theater in Halle und im Leben steht. Jelena Sergejewna ist ob der Jugend im eigenen Hause erschüttert. Das Thalia setzt gerade darauf. Gut so.

Mann mit Rhythmus und Nase
Sascha Tschorn liebt auf dem Uniplatz

Der Mann hat einen Riesenkolben, und den trägt er mitten im Gesicht. Nein, der Herr ist wirklich nicht schön, aber verliebt ist er und ganz toll. Doch wagt er es nicht ob seinem Gesicht und dem Makel, der Angebeteten unter die Augen zu treten. Er ist sich selbst zu häßlich, und deshalb versteckt er sich, dichtet und läßt seine romantischen Verse einen schönen Jüngling vor der Dame rezitieren. Die ist ob der Wortwahl hoch beglückt, und schenkt ihre Gunst dem Interpreten. Logo. Und der liebende Autor hat immer weniger Chancen. Es bleibt ihm nur eins: Er muß sich zu seinem Gesicht bekennen.
Die Geschichte vom Ritter mit der großen Nase ist uns bekannt: Cyrano de Bergerac. Aber sie ist zu schön, als daß wir sie nicht immer wieder sehen könnten. Wir können. Des Sommers wird sie auf dem Uniplatz gegeben. Ab 2. Juli 2006 geht das Thalia Theater mit uns raus, setzt uns auf die Stufen und spielt das gute Stück. Der Mann mit dem Zinken Cyrano heißt dann Sascha Tschorn und ist seit zwei Jahren am Theaterhaus fest engagiert. Wir haben ihn "Ganze Tage, ganze Nächte" im Bordell gesehen. Er war dabei auf "Level 13" und dem Massaker an der Schule - voll das Grauen unsrer Gegenwart. Wir begegneten ihm mit "Parasiten", "Faust" und als "Springer in der Schwebe". Dort erschießt er sich höchst selbst. Ende noch nicht abzusehen.
Sascha ist ein Berliner und bald dreißig. Aufgewachsen ist er im Schmelztiegel Kreuzberg und ausgelassen hat er fast nix: Rugby. Judo. Handball. Skateboard. Drums. Für die Schule keine Zeit. Konsequenz: 2x Klasse 10. "Aus dem wird nie was", meinten nicht nur die Lehrer. Ganz ohne Zukunft wollte sich Sascha jedoch nicht sehen: "Jetzt erst recht!" Ehrgeiz, Abschluß und die Frage: Was willste werden? Schauspieler? Tänzer?
Mit dem Alter 8 begann Sascha Tschorn zu tanzen. Nicht nur Hobby, richtig mit Turnier und Wertung. Dabei ist Tanz fast untertrieben, denn Rock'n'Roll ist mehr Artistik denn Show und Lächeln. Mit Partnerin Natascha Paetznick wurde er Berliner Meister, Deutscher Meister der Junioren 96, 97 und delegiert. Die europäische und Weltmeisterschaft rock'n'rollte in Lyon. Platz sieben und acht waren Nataschas und Saschas Resultat. Wir ziehen den Hut und denken an unsere Tanzschritte auf dem Parkett lieber nicht.
Klar, daß bei solchem Training, Rock'n'Roll und Modern Jazz der Beruf eines Tänzers nicht utopisch klingt. Doch in solchem Beruf sind 40 Jahre Tätigkeit keine Perspektive. Der Körper verausgabt sich bereits in jungen Jahren. Was dann? Gleich was andres, und Schauspiel findet auch auf Bühnen statt. Also beworben in Leipzig und angenommen, studiert, dabei Aufgaben in Chemnitz von "Gefährlichen Liebschaften" zu "Messer in Hennen" bis hin auf die "Sonnenallee". Vorsprechen und erstes Engagement am Thalia Theater in Halle. Wir haben Sascha gesehen, auch auf der Hallenser "Sonnenallee", aber nicht nur auf dieser (siehe oben).
Wenn Schauspieler Anekdoten erzählen, sind es meist die Begebenheiten, wo auf es der Bühne nicht so lief, wie es sollte. Sascha war es peinlich. Premierenpublikum ist eine eigne Spezies. Kritiker, Kollegen, Presse und Zunft, sie alle werfen den Blick auf Geschehen. Gnadenlos. Erst recht und gerade bei einer deutschen Erstaufführung. Die hieß "Der Springer in der Schwebe", und Sascha mußte sich mit der Pistole das Leben nehmen. Allerdings fiel das Schußgerät echt ins Wasser, man hatte einen schönen Swimmingpool aufgebaut. An die Pistole war nicht mehr zu kommen, aber der Tod mußte sein. Sascha ertränkte sich kurzentschlossen. Sein Exitus war gerettet.
Herausforderungen braucht Sascha Tschorn. So nimmt er Schlagzeugunterricht. Er übt sich im Singen. Gerade hat er für den Film gearbeitet. Das möchte er weiterhin tun. Und so wird Sascha Tschorn am Theater in Zukunft Gastrollen geben, um sich anderen Aufgaben mehr widmen zu können. Doch bevor wir bedauern, Halle und dem Thalia geht er nicht verloren.
Cyrano de Bergerac muß um die Liebe kämpfen. Ob die holde Maid über Häßlichkeit, Nase und Betrug hinweg ihm ins Herz sehen kann? Vor allem: auch will? Wir nehmen Platz, harren der Geschichte und Sascha Tschorn. Der Sommer wird gut. Das Theater noch besser.

Wendy zwischen Ross und Schlachter
Nina Ronneburg wusicalt im Thalia auf großer Bühne

Es hätte so schön sein können: Auf dem Pferdehof wird mit Rodeo Geld verdient. Papa liebt Mama. Und Wendy hat alles, was sich ein Mädel nur wünschen kann. Vor allem Ross Mocca begeistert die Jungmädchenseele, das Pferd kann sogar sprechen. Doch so bezaubernd kann kein Märchen sein, die Realität schon mal gar nicht. Mocca hat den Papa abgeworfen, der fristet sein Leben fortan im Rollstuhl. Mama interessiert sich für den starken Knecht. Und Wendy muss das Pferd vorm Schlachthaus retten. Das ist nicht einfach. Wir verstehen, Mädchen haben's im Leben nicht einfach.
Trotzdem ist diese Geschichte nicht alltäglich, nicht mal fürs Theater. Helge Schneider, ja eben "Mein Führer" mit dem "Katzenklo", hat sie verfasst. Das Meiste, was Herr Schneider schrieb und sang, hat den Hang zum bizarr Unüblichen. Wendy und Mendy und ein Pferd - Ähnlichkeiten sind durchaus beabsichtigt. Doch kommt uns diese Geschichte von "Wendy" neben aller Problematik noch musikalisch daher, soll aber beileibe kein Musical sein. "Das Wusical" ist Schneiders eigne Art der dramatischen Mischung der Genre. Das Thalia Theater präsentiert sie uns ab 23. Februar 2007 auf großer Bühne.
Wendy Mendy heißt im wirklichen Leben Nina Ronneburg und ist Schauspielerin, na klar. Auf der Bühne des Thalias haben wir sie schon gesehen. Jetzt gehört sie richtig zum Ensemble, was heißt, wir sehen sie öfter. Heimat ist Nina Weißenfels. 1980 ist sie dort geboren, es folgten Krippe, Kindergarten, Schule und die Frage: "Was willst du werden?" Die Studienführer gaben insofern Auskunft, dass Nina wusste, was sie nicht werden wollte. Einzig Schauspielerin hat sie sich vorstellen können und vorgespielt an den Lehrstätten fürs Fach. Die Theaterschule Charlottenburg war von Ninas Talent überzeugt. Drei Jahre Ausbildung und fertig und dann ... weiterstudiert - Kultur- und Medienpädagogik. Auch im Schauspielberuf sind freie Stellen nicht eben häufig. Nina Ronneburg hat sich neben dem Studium für'n Job beworben, beworben und im Thalia immer wieder mitgespielt, jetzt ist ihr Vertrag länger befristet. Wir sahen sie bereits in "Sechs Zellen", als "Dornröschen" ließ sie sich küssen und die "Sonnenallee" hat sie unsicher gemacht. Nun rettet Nina den Gaul vorm Schlachter. Kein Zweifel: Abwechslungsreich ist dieser Beruf.
Pferdezeitschriften liest Nina nicht, eher Philosophen und Magazine. Sie interessiert sich für Malerei, singt. Doch Zeit bleibt kaum, denn ihr Sohn ist vier und fordert Aufmerksamkeit. Auf der Bühne wird sie die Wendy Mendy sein. Die hat die Probleme, die die Mädchen alle kennen von der Liebe bis zur Liebe zum Pferd. Eltern sind bescheuert. Und überhaupt kann keiner die Jungmädchenseelen verstehen. Jawoll! Doch ist im Stück alles noch extremer, als wir uns vorstellen möchten. Klar, Helge Schneider ist als Künstler schwer zu fassen. Verarscht er uns? Meint er's ernst? Nein wir verraten nicht, ob der Schlachter das Ross meuchelt. Eins allerdings ist gewiss, so haben wir Theater noch nicht gesehen. Die ganz neue Art - ein Wusical eben.

Dummheit ist gefährlich

Der Deutsche wandert gern. Und da die Deutschen auch "Helden 06" sind, schafft es ein sportlicher Heimat-Lieder-Abend ins große Spektakel des Schauspielhauses: "Das Wandern ist des Müllers Lust". Thomas Hertel sammelte wahllos und unreflektiert (was andres wage ich nicht anzunehmen) Lieder und Texte, die eine tümelnde Melange ergeben, die ungut hin zum Rand schwappt. Hymnen, Volks-, Wander- und Heimatlieder marschieren von der Maas bis an die Memel. Der deutschsprachige Alpenraum scheint eingemeindet. Kuhglocken läuten, Geweihe blasen. Deklamiert werden Texte von vorschriftsmäßigen Wegen, deutschem Wald und Glücksgefühl auf dem Gipfel. Burschenschaft, Wandervogel, andere Bewegungen und Sozialismus sind alle eine deutsche Lebensart. Honecker trifft Loreley. Gar mancher Dialekt von der Bühne bleibt unverständlich - ist der deutsch oder soll er deutsch werden? "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten?" Ältere Damen tanzen und werden erbarmungslos abgeschoben, wandern können sie mit diesem Jungvolk nicht gehen, da fehlt ihnen Training und die Kraft. Ist das die Lösung des Generationskonflikts? Ab in die Wüste oder ins Massengrab? Ein Laienchor gibt den Profis von der Bühne das Echo. Die singen vor, wir folgen? Nein, das ungute Gefühl kann man nicht unterm Hut vom Riesengartenzwerg verstecken, hier wird in bedenklichen Tiefen gewandert. Nichts hinterfragt. Begriffe wie Heimat und Deutschland und Volk verlangen überdachte Verwendung, sie geraten schnell zum falschen Zungenschlag. Politiker entschuldigen sich immer wieder für ihre spontane Wortwahl. Dieses Programm hat ein Kollektiv Wochen geprobt! Hat es ihnen nichts zu denken gegeben? War man vom eignen Gesang so berauscht? Ich hoffe nicht für die Künstler, dass alles war und ist gut bedacht. Ein Kollege meinte: "Einfach nur dumm." Mag sein, aber es entschuldigt nichts.

Mensch, Lehrer!
Das TdjW zeigt, was abgeht im verbotenen Zimmer

Ein Raum im Hause ist den Schülern streng verboten. Da steht man davor und klopft sehr sacht, herein kommt man nie. Zumindest nicht der Schüler. Denn hinter dieser Tür sind die Lehrer unter sich, und sie wollen es bleiben. Das Lehrerzimmer bleibt für uns das große Geheimnis. Das Theater der jungen Welt lüftet es nun. "LehrerInnen!" heißt's Stück, und es führt vor, was die Pädagogen in ihren freien Minuten so treiben.
Roswitha Müller (Sieglinde Reimann) hat Generationen in Mathe unterwiesen, jetzt nimmt sie sich den Referendar Georg (Martin Klemm) zur Brust. Charlotte Kamnitzer-Weidenhorst (Martina Krompholz) läuft nebenher, denn Kunst ist einfach kein Fach, auch nicht bei den Lehrern. Walburga Sonntag (Elisabeth Fues) macht Musik und ist immer die Letzte. Ursula Klotz (Susanne Krämer) legt auf Kopien mehr Wert als auf den Unterricht. Charli Arlinghaus (Georgios Tzitzikos) genießt Vertrauen und ist auf die Ursula scharf. Konrad König (Gösta Bornschein) hat eine Kreideallergie und raucht wie ein Schlot. Klaus-Werner Missal (Detlef Vizthum) mißt den Schüler nach sportlicher Leistung. Und Hausmeister Klaus Bach (Reinhart Reimann) repariert Kopierer und Lampen, und was die Pädagogen treiben, versteht er niemals. Ist schon ein komisches Volk.
Tatjana Rese hat's Stück recherchiert und geschrieben und inszeniert. Das ist meistenteils unterhaltsam, manchmal ganz witzig und die Klischees sind gewollt. Aus der Art schlägt der Gesang, denn immer, wenn ihnen thematisch was zu passen scheint, trällern die Lehrer Hits von gestern und heute. Die hören sich gut an, doch was deren tieferer Sinn als Illustration, bleibt verborgen. Denn wenn die Handlung soweit realistisch, wäre es für uns ausgeschlossen, dass Pauker in den Pausen vor Freude so trällern. Allerdings lockern die Nummern das Geschehen wunderbar auf, wir fühlen uns gut unterhalten. Arne Donadell am Piano weiß diese Einlagen sehr einfühlsam zu unterstützen. So erleben wir die Pauker-Charaktere im Schulstreß und daneben. Und wenn Schüler vor der Zimmertür stehen, können wir den Frust der Pädagogen verstehen: Nie hat man seine Ruhe!
Der Abend läßt uns die Pädagogen-Bagage menschlich erscheinen. Ihnen geht es nicht anders als allen andern. Auch sie wollen lieben und geliebt werden. Auch sie leiden an mangelndem Selbstbewußtsein. Auch sie sind manchmal Ärsche vor dem Herrn. Und manchmal dauern sie einen, so arme Schweine sind sie. Im Klassenverband läßt sich ob des Theaters gut diskutieren. Wenn nicht die Deutschlehrer mit in der Vorstellung sitzen und uns den Aufsatz "Was wollten uns die Künstler damit sagen?" abpressen wollten. Aber was sein muß, muß sein. Das Leben ist so bei den Lehrern, bei den Schülern und und und.

Mein Leben in andren
Das Lofft zeigt "denkMALE" zwischen Realität und Improvisation

Künstler haben es immer wieder gesagt: Die besten Geschichten schreibt das Leben höchst selbst. Warum nicht über dieses erzählen? Armin Zarbock hatte Idee und Konzept und interviewte Leipziger der Generation 80 plus. Die berichten via Video von dem, was wir so nie kennenlernen werden, Hitler und Krieg, Aufbaujahre, Kinderglück, Scheidung, neue Liebe, Lebensmittelmarken, Hol Fix, Haus der Heiteren Muse, Abriß, Neubau, Jugendweihe, Hiddensee, Sudetenland, Brautvater, König WU und Egon Krenz, Wende, Orientierung, Tiefensee, Aldi, Lidl, Puppenstube, Hier und Heute und von all den kleinen Dingen, die ihr Leben ausgemacht haben. Das ist das Dasein ungefiltert, das ist Dok-Film, jedoch noch kein Theater. Richtig.
Theater wird es durch Akteure. Die sitzen im Raum und sehen das Leipziger Leben und machen sich ihre Gedanken dazu. Was heißt, sie improvisieren: Mal mit Fotos, mal mit Zeugs vom Boden, Stichwortgeber oder Fragensteller. Sie versetzen sich in Gefühl und Lebenslage der Interviewten und eignen sich so deren Leben an. Wir Zuschauer haben Biografien gemixt und selber Gedanken dazu. Das ist ungewohnt, hat eigen Art, ist so spannend überraschend, wie das Leben eben ist.
Armin Zarbock hat den Abend im Griff und managt Film und Assoziationen. Uta Pilling singt passende Weisen begleitet vom Akkordeon. Verena Noll, Heike Ronniger, Jörg Dathe und Helge van Hove sind die Biografen, sie spielen der anderen Leben und geben das ihre dazu. Zum Lachen, Heulen, Weiterdenken. Manchmal zu kurz, manchmal sehr treffend, manchmal mit ihrem Kopf ganz woanders. Da finden wir uns wieder. So ergeht's uns auch. Eindeutig aber: Es gibt an jedem Abend nur einen Star: Jene Männer und Frauen, die uns erzählen. Und wie sie es tun! Ja, in diesen Leben sind wir drin, und der Abend ist nah dran. Das Experiment ist gelungen.
Leider, die Abende lassen sich nicht wiederholen, diese Lebenskunst bleibt einmalig. Wir hätten's gern mehr und bald wieder. Vielleicht, liebes Team, könntet ihr's wagen. Denn wenn man im fremden Leben so drin ist, läßt's sich doch noch viel, viel besser, spannender, überraschender erzählen. Der Assoziationen kein Ende und wirklich wie's Leben.

Du kannst den Farbfilm vergessen

Der Mann liebt Blut und junge Frauen. Seine Zähne beißen mit Lust in weiße Hälse. Generationen sind ihm verfallen. Zumindest im Film. Wir sehen ihn vor uns, "Nosferatu", und wir sehen die anderen Stummfilmlegenden: Caligari, Mabuse, die mechanische Frau. Die Leinwandstars hießen Asta Nielsen, Lil Dagover und Brigitte Helm. Leipzigs erstes Kino nannte sich "Die weiße Wand", und diese stand dazumals im Krystallpalast. Den Palast gibt es auch heute, 100 Jahre sind Anlaß genug, uns des Beginns vom Kinozeitalter zu erinnern. Im Palast läßt man es heuer "Nachtflimmern".
Nosferatu und die Ellen heißen heute Benjamin und Elodie. Dem Liebeswerben des Vampirs muß sie erliegen, so wie er sie auf Händen trägt. Das ist zum einen Kraftakt, zum andern sehr erotisch. Zur Filmmusik der "Solo Sunny", live gesungen, treibt's Tamara Gray an Ringen in der Luft auch live. Da ist der Film kein Film, er ist lebendig und dazu Olympiasport. Zum zweiten sehen wir Tamara weiß verhüllt in dünnem Tuche, das an Stäben wunderbarste Fantasiegebilde zaubern läßt. Eine alte Kunst zum träumen. Früher tat man's auf der Straße, Jochen Schnell kreiselt auf dem Kopf, dem Finger oder auf der Zehenspitze. Danach läßt er Ringe rückwärts laufen und jongliert. Die Frères Taquins sind Stummfimbrüder wie weiland Pat und Patachon. Ob sie im Kinosessel leiden, lieben oder ob der eine mit dem anderen als Aufziehpuppe kämpft, das hat Klasse und ward zu Recht mit Preisen geehrt. Schön auch, daß die Puppe im Publikum ihr Püppchen findet. Den Höhepunkt, den liefert Tian Cong aus China, der steht aufm Kopp, aufm Rad, aufm schlappen Seil. Uns stockt der Atem, weil wir nicht glauben können, was des Körpers Gleichgewicht so austarieren kann. Weltklasseartistik. Und dieser Mann liebt Leipzig auch privat. Wir finden das schön.
Gerlinde Kempendorff singt Lieder vom und aus dem Film, gekonnt begleitet am Klavier von Kim Eustice. Diese Frau kennt die Filme und die Varietébühnen des Landes. So läuft die Show ab wie ein Film der Güteklasse A. Marlene singt als "Blauer Engel", die Zara läßt die Liebe keine Sünde sein, und der Micha hat den Farbfilm nicht vergessen. Der Micha steht auf alte Filme wie wir auch. Sonst flimmert bei uns die Kiste in der Nacht, dieses "Nachtflimmern" im Krystallpalast sähen wir gerne auch öfter.

Zwischen Hölle und Hypnose
Der Krystallpalast präsentiert "Die Endlich Erfolgreich Show"

"Hölle, Hölle, Hölle", ruft der Hans Herbert und stellt sich damit vor. Denn der Hans Herbert trägt den Namen des Satans und möchte uns mit teuflischen Methoden auf den Weg ins Leben führen, ins glückliche, erfolgreiche, berühmte. Wir haben den Platz an der Sonne einfach verdient, nur motiviert zum Aufstieg müßte man sein. Das ist nicht jeder, und desderwegen bedarf es eines Trainers, und ein solcher ist der Hans Herbert und zeigt uns Menschen, die ihren Platz bereits gefunden haben. Sie glauben an sich und ihre Kunst.
Der Peter Rosendahl fährt zu Techno Einrad, daß wir es kaum glauben können. 18-fach hält er den Weltrekord in dieser Disziplin, auch das kleinste Dreirad der Welt (auf dem er fahren kann) wird vorgeführt. Diabolisch macht's uns Lena Höhn, die wirbelt die Dinger durch Luft und Seil, wir hätten uns längst schon verstrickt. Das Duo Cojuhaa hängt übern Abgrund - olálá. Die Drei von Trilogy setzen auf Teamgeist und bauen menschliche Pyramiden. Die Herren legen sich danach noch in Feuer und Glas, und führen auf Scherben die Akrobatik uns vor. Da hat der Hans Herbert bereits den Arsch eingekniffen und ist getürmt. Seine Frau powert die Show von jetzt an für uns weiter und präsentiert mit ordentlichen Tamtam den Mann der Hypnose: Pietro Mercury. Der müht sich, Gäste zu Höchstleistungen in Trance zu treiben. Das klappt nicht immer, und wir begreifen: Scheitern ist inklusive. Doch da motiviert uns die Annette schon wieder und ruft: "Hölle, Hölle, Hölle", und wir haben verstanden.
Volker Insel und Urs Jäckle haben diese Motivationsshow zusammengestellt. Wir erinnern uns ähnlicher Präsentatoren auf Bühnen und im TV. "Du schaffst es!!!" war dorten die Botschaft. Im Krystallpalast ist sie mehr. Ein heiterer Abend, der einen weiter denken läßt. Denn so wie der Hölle wollen wir uns niemals zum Obst machen, das ist grundweg peinlich und darstellende Kunst von Herrn Armin Zarbock. Assistiert wird er von Anne Hessler, der haßliebenden Gattin Hans Herberts. Die ist zum Finale so warm gelaufen, daß sie uns den Motivationshit ins Gesicht schmettert. Der kann uns wirklich weiterhelfen.

Die Poesie der Plastetüte
Olga Lomenko probt im Krystallpalast die Gala zur WM

Der Ball ist eine runde Sache. Man kann ihn treten, rollen, schlagen. Und man kann ihm huldigen. Die WM-Wochen haben bewiesen: Fußball ist besser als Sex! Natürlich hat eine Weltmeisterschaft Begleiterscheinungen der Gemeinsamkeit: Autocorso, geile Feten, Galas. Eine solche strich die Fifa und Herr Blatter. Statt André Heller gibt uns nun Olga Lomenko die Show. Jetzt geht's los! Jetzt geht's los!
Klar ist die Olga aufgeregt. Sie muß ja alle Nationalhymnen singen, und sich auskennen muß sie sich auch. Aber wer die Olga kennt, weiß, sie steht im Thema. Sie schreibt darüber, spielt und singt. Und deshalb ist Olgas Conferénce ein heiter Streifzug durch die Welt der Spieler, Länder, Fans und Trainer. Fernando Miguel ist Brasilianer und jongliert mit fünf, sechs, sieben Bällen so schnell, daß man sie nicht sieht. Robert Choinka zeigt den deutschen Mann an sich: ölverschmiert, mit nacktem Oberkörper, Autoreifen. Und echte Kerle haben nicht nur Muskeln, sie stellen mit ihnen auch was an. Man glaubt's kaum, wie anmutig Hände solchen Körper tragen können. Das Duo Nostalgia hat russisch Seele und liebt sich in der Luft. Wir atmen durch und träumen. 2 Trux sind ein Paar aus Deutschland, wo die Geschlechterrolle nicht eindeutig: Sie trägt ihn auf Händen, dann tut er's. Sie Trainerin, er kleiner, deutscher Fußballgott? Eine Zweisamkeit, die enger kaum geht. Jay Niemi ist Finne und verzaubert. Karten, Stöcke, Tücher, Fäden, alles gerät ihm zum weißen Vogel. Wo kommen die den her? Und wie verschwinden sie? Xu Shujun hat einen schwierigen chinesischen Namen, fährt Einrad und wirft sich Schüsseln auf den Kopf und nicht nur die. Wie würde diese Frau mit Bällen spielen!
Den Sieg im Reigen der Nationen geht an die Ukraine. Zum einen, logo, der Moderatorin Wurzeln schlagen dort. Zum anderen, aus dieser Heimat kommt auch Mischa, im Gegensatz zu Frau Lomenko sagt dieser Mensch kein Wort. Nein, er läßt Bälle auf alten Töpfen Melodien hüpfen, er ist Besitzer eines halben Ballettschwans und eines laufenden Stuhles, und zum Jonglieren braucht er keine Bälle. Nein. Er beweist, daß die Plastetüten vom Gemüsestand wahre Poesie verbreiten können. Und wo Fernando Miguel Bälle wirbelt, schweben Michail Usovs Tüten wunderschöne Reigen. Man muß halt nur Jonglieren können. Schade, mit Plastetüten haben Klinsis Mannen nicht gespielt.
Die Generalprobe dieses "Ballrauschs" hat uns überzeugt: Gebt Olga und ihrer Mannschaft die Stadien! Sie bieten die Show, die der Fußball verdient.

Die Heimat bist DU!
Judith Kretzschmar sucht Deutschland und seine Texte

"Behandle dein Land doch einfach wie einen guten Freund. Meckere nicht über ihn, sondern biete ihm deine Hilfe an. Bring die beste Leistung, zu der du fähig bist. Und wenn du damit fertig bist, übertriff dich selbst. Schlag mit deinen Flügeln und reiß Bäume aus. Du bist die Flügel, du bist der Baum. Du bist Deutschland."
Wir haben die Worte unserer Stars noch im Ohr, Schmidt und Kahn, die Witt und die Will, Reich-Ranicki und und und, sie alle verlauteten, Deutschland zu sein. War ja auch nett gedacht, so eine Kampagne zur Verbesserung vom Heimatland-Image. Stars der Branche hatten sie sich ausgedacht, Politik hatte unterstützt und gehypt. Aber sie hatten gedacht, daß sie sich das eben erst ausgedacht hatten. Irrtum, denn bereits die Nazis hatten, welch Schreck, anno 1934 mit genau mit den gleichen Worten geworben. "Du bist Deutschland!" Da wurde der Spot schnell vom Sender genommen. Und Schmidt, Kahn, Witt und Will, sie waren Deutschland nicht mehr. Oder doch?
"Die Heimat hat sich schön gemacht" heißt das Programm, das sich seit Januar einhundertundzwanzig Jahren Heimattext und -liedgut widmet und nicht nur diese deutsche Episode vors Publikum brachte. Als eine der Protagonistinnen mit dabei: Judith Kretzschmar. Die Frau ist vom Fach und Journalistin. Auch der Bühne ist sie seit jungen Jahren verbunden. So nimmt es nicht Wunder, daß sie auf der in der Moritzbastei monatlich sitzt und rezitiert. Judith ist Kind der frühen 70er, der Landeshauptstadt Erfurt / Thüringen und der Platte / Erfurt-Rieth. Was mitnichten ein Negativum war und ist. Im Alter von 13 las sie in der Zeitung: Theater sucht Mitspieler. Seitdem ist Judith Mitglied im Theater "die Schotte" in Erfurt. In legendären Aufführungen hat sie mitgespielt. "Emil und die Detektive" 1987 und "Rattenjagd" 1991 waren Riesenerfolge. Mit den "Jungs von nebenan" steht sie bis heute dort auf den Brettern, aber auch auf denen von Greiz, Sindelfingen, Oberhof oder Lille / Frankreich. In Leipzig hat Judith Kommunikations-, Medien- und Theaterwissenschaft studiert. An der Universität widmet sie sich auch wissenschaftlich dem Heimatbegriff. Es hat Logik, daß sie im Heimatprogramm mitmischt.
Was dann so locker, heiter von der Bühne daherkommt, ist harte Recherche, denn so einfach stehen die Texte in den Büchern nicht drin. Und verblüffend, manch Äußerung zählt ein Jahrhundert und könnte genauso fürs Heute stehen. Klar hat man Präferenzen, ein Text ist einem lieber als andre, doch die Macher versuchten, jeweils ein Jahrzehnt in Stimmung, Politik und Ereignis einzufangen. Das Jahr neigt sich dem Ende, die Programmreihe auch. Doch noch ist nicht Schluß. Am 19. Dezember steht 2006 auf dem Programm. 2006 ging schon gut los mit der grundschulmeisterlichen Neujahrsansprache unserer Merkelin. Deutschland wurde im Sommer gar zu Märchen, Poldi und Schweini sorgten u.a. dafür. Georgie Bush hat hier Spanferkel gegessen und Stralsund wurde vorm Terror angelegentlich besonders geschützt. Der Gerhard schmiß eben seine Memoiren an die Buchfront und siegte. Herr Esser hat 30 Millionen (fast) rechtens erhalten. Und hier vor Ort wird der Bohrer für den City-Tunnel angesetzt. Jetzt kommt erstmal der Weihnachtsmann vorbei und wir haben Ruhe hoffentlich. Aber vorher noch "Die Heimat hat sich schön gemacht. Teil 12".
Da es der letzte Abend seiner Art war, konnten auch wir uns ins Programm einbringen. Jeder, der möchte, war aufgefordert, am 19. seine Lieblingstexte zum Thema mitzubringen, selber vorzutragen oder vortragen zu lassen. Ob Liebknecht, ob Mann, Soldatenbrief, Schuldeingeständnis, Aufruf der KPD oder die Wahlprogramme diverser Parteien, alles war möglich. Ideologische Scheuklappen haben Judith und ihre Mitstreiter Axel Thielmann, Tilo Augsten und Henner Kotte nicht. "Heimat ist ein geistiger Raum, in den wir mit jedem Jahr tiefer eindringen." Nicht nur das wurde das Jahr lang bewiesen. (Alex Oheim)

Finger im Herz
Die "Sunny Boys" proben die Show

Revival, das ist angesagt. Und Gage bietet man ungeheuere. So überredet die Nichte den alten Willi, doch wieder mit Partner Al auf die Bühne zu gehen. Vor Jahrzehnten waren die Beiden das Duo, das die Nation lachen machte. Keine Show ohne sie. Willi und Al, sie waren die ganz, ganz Großen der Branche. Dann lief's nicht mehr so. Der Humor war ein neuer, sie wurden abgeschrieben. Und persönliche Differenzen blieben nicht aus. Willi und Al konnten sich nicht mehr leiden. Der Al piekte den Willi auch stets mit dem Finger ins Herz. Immer, immer wieder dahin. Unverschämt! So sprachen sie nur noch bühnetechnisch miteinander. Später nicht einmal mehr so, auf ihre Gemeinsamkeit war geschissen. Und nun steht die Benita im ärmlichen Zimmer und bittet Onkel Willi, doch noch einmal mit Al den Sketch zu geben vor Millionenpublikum.
Die Komödie ist bittersüß und Autor Neil Simon ein Klassiker der Szene. "Ein seltsames Paar", "Das verrückte California-Hotel", "Barfuß im Park" oder "Eine Leiche zum Dessert" sind aus Kino- und Theaterprogrammen nicht wegzudenken. Auch die "Sunny Boys" begeistern. Die großen der Branche haben sie gegeben von Burns bis Juhnke. Jetzt sehen wir Axel Gärtner als Willi und Berndt Stichler als Al. Frieder Venus inszenierte die heruntergekommen Stars im heruntergekommenen Ambiente. Der Putz bröckelt, die Tapete ist verblaßt, und auch den Herren sieht man die gelebten Tage an. Axel Gärtner feiert ein Viertejahrhundert Mitwirkung im Thalia-Theater. Das Stück allerdings kommt nicht altbacken daher, frisch, fröhlich und mit jenem zarten Hauch von Melancholie, der fasziniert. Fast immer trifft man den lockren Ton des Boulevards. Der Transvestit im Glamour-Look allerdings, der ist zu fett. Agnes Regula als Agentin pendelt zwischen Ehrverlust und Anteilnahme sehr geschickt. Enrico Petters donnert als Regisseur und pflichtschuldigst als Altenpfleger. Das ist eine runde Sache, Lachen, Lächeln, Mitleidsträne inklusive. Die Stars, logisch, sind die alternden Herren. Und wir sitzen davor und glauben's kaum, Benehmen und Probleme sind auch jenseits der 60 noch immer dieselben.
Die Show ist gebucht, Willi und Al sagen auch ja und steigen die Showtreppe nach unten (ein herrlicher Gag sind die vier neuen Zähne von Al - selten so gelacht). Der Sketch geht ... aus, das Happy-End geht an Herz. Und das nicht nur dem Al und dem Willi. Wir haben den Theaterabend genossen und empfehlen ihn weiter.

Urban Legend
Das nt weicht aus und zeigt uns ein wahres Märchen
Das nt hat'n Schaden. Was heißt, im Saal auf der Kulturinsel geht nix mehr. Also hat sich die Truppe einen anderen Platz zum Schauspielen gesucht und präsentiert sich interim am Waisenhausring. Klar, ein TV-Studio ist keine Theaterbühne, und so schieben die zwei kräftigen Herren die Drehbühne mit Muskelkraft wie anno dunnemals. Überhaupt: Wie anno dunnemals stehen im Raume der Hänsel, die Hexe und das Schneewittchen, die ollen Kamellen, die uns die Oma und die Gebrüder Grimm als deutsche Märchen verkauften. Und zum Schluß wird in Halle einer zu den Märchenfiguren dazugestellt: "Der Hauptmann von Köpenick". Auch diese Person mußte durch viel Elend waten, eh ihm das Glück lachte. Wirklich. Denn die Geschichte vom Schuster Wilhelm Voigt zeigt die Tragik eines verpfuschten Lebens, welches sich durch eine Verzweiflungstat zum Guten wendet und wirklich passiert ist. Wie im amerikanischen Traum erklimmt der Held die Höhen der Gesellschaft und bleibt uns ewig im Gedächtnis. Auch wenn's wahr ist, kann die Geschichte kaum wahr sein. Das war möglich? Ja, und deshalb stellt uns Regisseur Christoph Werner Carl Zuckmayers gutes Stück in den Märchenwald. Richtig.
Das Figurenensemble wurde drastisch gestrichen, trotzdem bleiben den Darstellern genügend handelnde Personen, um sich von den verschiedensten Seiten zu zeigen. Holla, meinen wir im Publikum, die Riege der altbekannten Hallenser Bühnennamen haben wir selten so spiellustig gesehen. Das macht Spaß! Nur Reinhard Straube bleibt immer die eine Person und "Der Hauptmann von Köpenick". Mit welcher verhuschter Tragik er den armen Menschen mimt, der seinen Platz in der Gesellschaft sucht, ist ein Kabinettstückchen der Schauspielkunst. Angela Baumgart-Wolf hat den Märchenwald und die Bühne geschaffen. Auf der steht weiter nix als eine Säule mit vier Türen. So einfach die Idee, so schnell läßt sich die Geschichte in die nächste Szene drehen (mit Muskelkraft, s.o.). Und über einer dieser Türen prangt die Anzeige, die wir alle kennen: "Nummer 0815 bitte in Raum 5180". Diesen Gong kennen wir von Arbeitsamt, Bürgerbüro, Autoanmeldestelle, womit die Geschichte des Hauptmanns wieder in der Gegenwart gelandet ist. Denn die Geschundenen, denen der Platz an der Sonne versagt bleibt, mehren sich nicht erst seit der Pseudodiskussion vom "abgehängten Prekariat". Somit ist der Rückgriff auf die alte Mär vom cleveren Hauptmann, die Vorführung des Beamtenstaates, die Saga vom "Weg nach oben" mitten in unser Leben. Genauso muß Theater sein.

Liebe und Kabale im Fernsehstudio
Das nt zeigt Schiller ohne Schnörkel

Das Theaterstück ist Pflicht. Generationen von Schülern mussten leiden mit der Luise Millerin. Und jährlich fragt man Lehrer: "Warum müssen wir den alten Schinken lesen?" Dieser wird dann sagen: "Der steht im Lehrplan drin, basta!" Mancher Pädagoge antwortet möglicherweise: "Weil es ein gutes Stück ist und Weltliteratur, und Geschichte ist's auch noch sowohl die vom Herrn Schiller als auch die von bornierten deutschen Zuständen." Der Lehrer hat recht, jedoch hat er uns damit noch nicht überzeugt. Denn neben all dem Gelaber von Wichtigkeit und Schönheit an Sprache und Gestalt muß uns heute der Text noch was zu sagen haben. Hat er?
Hat er! Zum einen, Liebe zieht immer. Das beweisen uns die Telenovelas Tag um Tag. Zum anderen, Politik geht über Leichen um des eignen Vorteils Willen. Müssen täglich Nachrichten melden. Und von Charakter, Größe und Verzicht ist im Stück zu lesen. Das ist jedermanns (oft selbst die eigne) Sache so nicht. Insofern gehört das gute Stück in den Literaturkanon von Schule, Bibliothek und Theater unbedingt.
Enrico Lübbe hat es ins Fernsehstudio am Waisenhausring inszeniert und verzichtet auf alles Überflüssige. Schiller pur. Ohne Requisiten, Umbau, überflüssiges Gemache. Der Zuschauer wird auf den Text zurückgeworfen und damit auf die Tragödien der handelnden Personen. Denn nicht nur die Liebenden leiden. Alle sind Gefangene des Konflikts zwischen persönlichem Glücksanspruch und gesellschaftlicher Anerkenntnis. Die Milford möchte Gegenliebe erfahren. Der Präsident von Walter seine Stellung sichern. Hofmarschall von Kalb desgleichen. Selbst Musikus Miller rät Tochter Luise vom Ferdinand ab. Sowas passiert heute auch, nur nennen wir es nicht mehr "Ein bürgerliches Trauerspiel".
Die Darsteller verzichten auf jeden Schnickschnack und beeindrucken uns wirklich. Jeder Gang, jede Geste stimmt. Klar gönnen wir Yves Hinrichs und Natascha Mamier die Liebe von Herzen. Peer Uwe Teska ist der gestandene Karrierist. Karl-Fred Müller leidet als Vater. Danne Hoffmann zeigt frauliche Größe. Peter W. Bachmann intregiert ohne Scham. Jonas Hien muß selbst als schöner Mann um seinen Einfluß kämpfen. Und Joachim Unger dient so beflissen man nur dienen kann. Dieser Unterordnung verweigern sich die Liebenden konsequent bis zum bitteren Ende. Das hat zweifellos Größe, ist aber in Wirklichkeit keine Alternative.
Das nt begeistert uns mit dieser schlichten Geschichte. Einfachheit und Besinnung ist derzeit nicht des Theaters erste Mode. Spektakel bringen scheinbar mehr Reputation und Profit. Auch das ein Trauerspiel der Gesellschaft. Dass es anders auch geht, beweist das nt. Das tut wirklich gut. Kunst so, wie man sie kaum noch vermutet.

Theater ohne Kartoffelsalat: Enrico Lübbe

Einer muß die Führung unternehmen, das ist in der Kultur nicht anders als bei jedem Unternehmen. Da Posten nicht auf Lebenszeit vergeben werden (außer bei Königen und Diktatoren), wechseln die Verantwortlichkeiten nach Frist oder Vertrag auf andere Schultern. Enrico Lübbe wird ab 2008 Chemnitzer Schauspieldirektor. Grund, dass ihm unser Theaterredakteur Henner Kotte einige Fragen stellt.

Enrico, Schauspieldirektor, ist das ein Wunschberuf, denn du hast dich ja für ihn beworben?
Eine leitende Funktion im Theater zu übernehmen, schwebte mir tatsächlich schon seit einiger Zeit vor. Für die Schauspieldirektion in Chemnitz habe ich mich nicht direkt beworben, Generalintendant Bernhard Hellmich fragte vor einigen Wochen an, ob ich mir eine solche Position an seinem Haus vorstellen könnte. Ich habe dann mit ihm und vielen Menschen um mich herum über dieses Angebot diskutiert und mich letztlich sehr gerne dafür entschieden.

Gemeinhin sind ja Direktoren Menschen jenseits der fünfzig, du bist kaum dreißig, was willst du anders machen?
Mit dem Anders- oder Bessermachen bin ich immer sehr vorsichtig. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit meiner Vorgänger. Ich möchte nicht primär alles anders machen, ich möchte vor allem viel für ein Stadttheater in Chemnitz tun, das bedeutet für mich, den Kontakt zu Menschen, Institutionen, Vereinen der Stadt suchen, sie in unsere Arbeit mit einzubeziehen, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Du hast an großen Häusern wie Leipzig, Stuttgart, Köln inszeniert. Was reizt an Chemnitz? Was zeichnet das Theater hier aus?
Chemnitz verbinde ich mit einer großen Theatertradition von Castorf bis Thalheimer, von Harfouch bis Mühe. Seinen Ruf der "Theaterkaderschmiede" hat das Haus noch nicht verloren und vielleicht gelingt es uns in den nächsten Jahren ja auch, die ein oder andere künstlerische Sternstunde zu erarbeiten.

Du warst in sechs Folgen "Alfons Zitterbacke", wolltest du nicht Schauspieler werden?
Doch, anfangs schon, während und kurz nach den Dreharbeiten. Aber nach einiger Zeit habe ich mir dann doch gesagt, dass es schon so viele und so viele bessere Schauspieler gibt ... Ich wollte eher Kulturjournalist werden, habe in Leipzig Kommunikations- und Medienwissenschaft und Theaterwissenschaft studiert und war als Mitarbeiter beim NDR-, MDR- und WDR-Hörfunk auch schon ganz gut unterwegs.

Wie hat dich der Ruf dennoch zum Theater ereilt?
Wie jeder "ordentliche" Theaterwissenschaftsstudent habe auch ich am Theater hospitiert, konkret zweimal am Schauspiel Leipzig und wurde daraufhin vom dortigen Intendanten Wolfgang Engel gefragt, ob ich nicht fest an sein Haus als Regieassistent kommen möchte. Während meiner Assistententätigkeit begann ich in meiner Freizeit mit Schauspielern des Ensembles erste Stücke zu erarbeiten, was Engel überzeugt hat und schnell als förderungswürdig empfand und mich zum Hausregisseur machte. Letztlich war ich dann insgesamt vier Spielzeiten in dieser Funktion am Schauspiel Leipzig und habe dort viel Erfahrung sammeln dürfen.

Als Regisseur, lässt du gern Leute nach deinen Anweisungen handeln?
Naja, was heißt schon meine Anweisungen ... Ich gehe ja immer eher von den Stücken, den Textvorlagen aus und versuche "meine Anweisungen" aus ihnen heraus zu begründen. Wenn du meinst, ob ich auf diesen Regie-Machtscheiß stehe, nein, ganz und gar nicht.

Deine Inszenierungen sind Psychogramme, dir sind Stückezertrümmerungen eher fremd, wer ist mit im Kollektiv, um ein weites Regiespektrum abzusichern?
Was heißt denn Stückezertrümmerung? Das ist dieser Horst-Köhler-Regietheaterquatsch. Natürlich wird in meinen Inszenierungen nicht mit Kartoffelsalat und literweise Blut rumgekotzt. Aber dagegen hätte ich ja gar nichts einzuwenden, wenn es inhaltlich sinnvoll und zwingend ist. Ich persönlich finde halt eine konzise, prägnante Stückfassung und Inszenierung radikaler und mutiger als buntes Kunstgewerbetheater mit zu lauter Musik. Sicher gibt es inzwischen eine deutlich erkennbare Lübbe-Handschrift, dessen bin ich mir auch bewusst und natürlich werde ich versuchen, für den Chemnitzer Spielplan interessante Gegenentwürfe zu finden.

Gibt es schon Pläne für den Antritt 2008? Eine Party? Ein Skandalstück? Wie lernt das Publikum dich kennen?
Sicher ist, dass meine langjährigen Mitarbeiter Torsten Buss (Dramaturgie), Hugo Gretler (Bühne) und Sabine Blickenstorfer (Kostüme) auch in Chemnitz weiter mit mir zusammenarbeiten werden, worüber ich mich sehr freue. Daneben habe ich natürlich schon viele Pläne im Kopf - Regisseure, Schauspieler, Stücke, Autoren. Aber das muss sich erst konkretisieren, um darüber sprechen zu können. Das habe ich dann doch schon in den letzten Jahren gelernt, dass mündliche Interessensbekundungen noch lange keine Zusagen bedeuten ... Und natürlich werden wir zu gegebener Zeit auch Partys veranstalten. Zunächst heißt es aber arbeiten, arbeiten, arbeiten.

Kartoffeln am Strand
Anita, Heimat, Wunderland

Die Eltern konnten die Tochter nicht behalten. Sie arbeiteten hart im fremden Land. So schickten sie ihr Kind zu Oma und Tante. Fünf Jahre dauerte der Elternentzug. Dann kam das Mädchen nach Deutschland zurück. Kartoffel war das erste Wort, das sie in der fremden Sprache kannte. Kartoffeln verkauften die Großeltern auf dem Markt an Touristen. Sechs Jahre Berlin, dann wieder an die kroatische Küste. Mit sechzehn endgültig BRD. 1990 begann in Jugoslawien der Krieg. Die Familie nahm die Flüchtenden auf. Platz war eng. Die Mutter wohnt heute wieder an der dalmatinischen Küste. Die Schwester in Berlin. Anita bezieht in Halle eine Wohnung.
Theaterreif dieses Leben und typisch fürs Schicksal der Gastarbeiterkinder. Auf der Hallenser Bühne steht Anita Matija Vulesica, nicht ihre Geschichte. Sie ist die Neue in der Familie des nt. Daß sie Schauspielerin werden muß, wußte Anita, seit sie denken kann. Doch zuerst Abschluß an katholischer Schule, Ausbildung zur Sozialpädagogin, dann der Entschluß: Jetzt oder nie! Bewerbung an der Schauspielschule Ernst Busch Berlin, Eignung bestätigt. Die Familie zeigte für ihren Berufswunsch wenig Verständnis. Also neben dem Studium verdienen, bis früh viere dauerten die Schichten, neun Uhr topfit vor den Dozenten. Anita wurde für ein Stipendium vorgeschlagen, erhielt es. Das Leben ward weniger stressig und die Ausbildung 2001 erfolgreich abgeschlossen. Nach dem Studium erstes Engagement am Theaterhaus Jena, das für seine unkonventionellen Inszenierungen weithin bekannt. Anita spielte und spielte und sang. Drei Jahre, dann raus und frei sein, auch im Beruf: Berlin, Erfurt, Erlangen, heute noch Stuttgart und in Hamburg die Titelrolle als "Baal". Film, klar. "Ich Cheffe, Du nix", im neuen Erkan und Stefan-Streifen sehen wir Anita Matija Vulesica, bald im Tatort, München, in Serien, Komödien und auf der Bühne in Halle.
"Beim Drehen fehlt das familiäre Gefühl, da fällt die Klappe und Schluß. In Jena war's anders, dort arbeitete man gemeinsam und miteinander. Bei Claudia Bauer habe ich schauspielerisch das Laufen gelernt", sagt Anita Matija Vulesica. Claudia Bauer ist Regisseurin vor Ort. Aber Anita hat das erste Angebot aus Halle abgelehnt und sich anderen Aufgaben gestellt, aber festegestellt: Eine Familie zu haben, gibt Sicherheit und anderes mehr. Jetzt arbeitet Anita in Halle, "Alice im Wunderland" ist erster Bühnenauftritt. Heimat gefunden!
"Sterne der Heimat!" steht als Motto über der Spielzeit der Kulturinsel. Wir sehen die Fahnen schwarz, rot, gold und hören's Geschwätz nicht nur einer politischen Kaste. Niedliche Sänger singen Lieder davon. Heimat ist ein Begriff, der Gemüter erhitzt. Sterne lassen gern träumen. Insofern sind die Schlagworte gut gewählt. Wir erwarten keine "Reisen ins Glück" aber Diskussionsangebote. "Der Hauptmann von Köpenick" führte die Obrigkeitsgläubigkeit ad absurdum. "Romeo und Julia" wie "Kabale und Liebe" zeigen die Verhinderung persönlichen Glücks. "Medea" tat dafür Unglaubliches: Sie tötete ihre Kinder. "Heidi" als das krasse Gegenteil? Auf den ersten Blick scheinen die klassischen Namen wenig mit Heimat und Sternen gemeinsam zu haben. Haben sie aber, denn Heimat ist mehr als der "Ort, dem man sich qua Geburt oder Aufenthalt zugehörig fühlt". Der neue Spielplan macht neugierig und scheut nicht Klischee und Namen: Die "Buddenbrooks" und "Leutnant Gustl", "Rheingold" und "Die Reise nach Petruschki", Kaurismäki, Büchner und die "Sterne über Mansfeld". Das nt hat einen neuen Anfang gewagt. Nicht immer traf der auf Verständnis. Das muß Kunst auch nicht. Hauptsache, sie ist im Gespräch.
Mit "Alice im Wunderland" betritt Anita Matija Vulesica die Hallenser Bühne. Lewis Carroll stellte seinem Buche den Hinweis des Verfassers voran: "Viele Leute haben mich gefragt, ob es eine Deutung für das Rätsel des Hutmachers gibt. Eine Deutung möchte ich niederschreiben, die ich für ungefähr zutreffend halte, zum Beispiel: Weil es sehr flache Anmerkungen gibt und ein falsches Ende auch niemals am Anfang steht." Das Theater läßt gleiche Deutungen zu. Wir freuen uns drauf.

Amok als Alternative
Andreas Rehschuh zeigt den jugendlichen Wahnsinn

Die Mari ahnt nicht, was sie auf dem Video sieht, und ist fürchterlich erschrocken: Ein junger Mann hält sich die Pistole an den Kopf und spricht vom Tod der Eltern, seinem eignen, von den geplatzten Perspektiven, dem gesellschaftlichen Druck, der Hatz, der Qual, der Pein im kurzen Leben. Nein, der David hat es satt und will Schluß machen mit sich und der Welt. Endgültig Schluß. Die Pistole ist geladen. Nur der Mari hat er noch das Video gesandt, weil sie so schön und wissenschaftlich über Amokläufer sprach und ihre Taten zu verstehen glaubte. Vielleicht versteht die Mari auch den David. Das ist ein kleiner Trost vorm großen Blutbad. Und die Mari weiß, sie kann das Unheil noch verhindern, sie kämpft, sie möchte David helfen, Leben retten. Doch David hält sich die Pistole an den Kopf ...
Gut, Mari und David sind Theater, aber die Schlagzeilen sind uns bekannt und auch die Orte: Meißen, Dresden, Erfurt und und und. Auch wenn solch Taten laut Statistik im Promillebereich liegen, sie scheinen sich zu häufen. "Amokläufer sind meist stark beziehungsgeschädigt, unglücklich und fühlen sich innerlich bedroht. Oft mangelt es an familiärer Stabiltät und Selbstwertgefühl. Bei der Tat handelt es sich dann im Grunde um einen inszenierten Selbstmord. Amokläufe geschehen nie spontan, sie haben ein Vorgeschichte." Die Häufung solcher Gewalttaten läßt nach deren Gründen fragen. Das Stück von Rupert Henning sucht nicht den billigen Theatereffekt. Es lotet tiefer. Es sind "Die unterbliebenen Worte", die die Katastrophen möglich machen. Da steht die Bühne mitten im Leben und das Societätstheater. Andreas Rehschuh hat das Stück in diesem kleinen Hause erstmals in Deutschland inszeniert. Wir sind beeindruckt. Die Mittel sind sparsam. Ramona Libnow als Psychologin und Täter Ulrich Wenske kommen nie wirklich ins Gespräch. Die Generationen halten einander nicht aus. Amok scheint echte Alternative, dann steht der Täter einmal im Mittelpunkt. Man hat ihn zur Kenntnis genommen.
Mit der Inszenierung kehrt der Regisseur in die Stadt seiner Kindheit zurück. Anno 69 in Magdeburg geboren verlebte Andreas Rehschuh seine Jugend in Dresden-Ost, spielte Geige und man sah ihn beim DDR-"Staatsanwalt" und "Geschichten übern Gartenzaun". Dann studierte er die Kunst des Schauspiels in Leipzig. Als Neonazi betrat Andreas 1992 dort die Bühne des Kellertheaters. Auch dieser "Bunker" war ein Stück (ost)deutscher Gegenwart und Depression. Andere Gewalt ließ Andreas als eine der "Zofen" des Jean Genet spüren. Solch Stück hatte Leipzig selten: 125 x in sieben Jahren. Da spricht man von Erfolg. Na klar. Wir sahen Andreas oft auf Leipzigs Bühnen, letztens "Bis Denver" als bizarren Ehemann und Vater. Auch da ist am Ende einer tot.
Seit fünf Jahren ist Andreas Rehschuh frei, frei als Künstler. Familiär ist er gebunden, zweifacher Vater und glücklich. "Die Prioritäten haben sich verschoben." Logisch. Auch beruflich wurde der Horizont weiter. In Altenburg/Gera sang Andreas im Musical den Maler Lautrec. Bei "Titanick" begab er sich in große Höhen und an artistische Grenzen. Sein Gesicht zeigte er bei der "SoKo Leipzig" als Spurenleser von der Kripo. Wir hörten ihn via CD und sahen ihn auswärts bis hin nach Barcelona. Außer dem Spielen führt Andreas Regie wie jetzt in Dresden. Voll der Erfolg schon seine Inszenierung No. 1. Diese "Ringelnatz-Geisterstunde", empfand die Kritik genial, und für das "Theater heute" war Andreas Rehschuh einer "besten Nachwuchsregisseure" 2004. "Die unterbliebenen Worte" beweisen Kontinuität.
"Es wird wieder geschehen. Vielleicht nicht so spektakulär wie in Erfurt, hoffentlich mit weniger Toten. Tatsächlich, so grausig und zynisch es klingen mag: Man kann nur darauf hoffen. Denn zu dem Wenigen, was wir über scheinbar aus dem Nichts kommende Gewaltexzesse wie den Erfurter Anschlag einigermaßen sicher wissen, gehört die Wiederholungstendenz: Es wird wieder geschehen. Anderswo und vielleicht aus einem anderen Anlaß. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach aus demselben oder einem ähnlichen Motiv, und dann wird auch wieder, wie in den vergangenen Tagen mit Volldampf gedacht, dikutiert, gestritten und nach Ursachen gesucht werden", meinte die taz. Nein, das Theater wird uns die Antworten nicht geben, auch Mari Jókai, die Wissenschaftlerin nicht. Vielleicht kann sie eine Gewalttat verhindern. Vielleicht. Wir sollten diskutieren.
www.Andreas-Rehschuh.de, www.societaetstheater.de



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