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Neues aus der Theaterwelt (22.08.2004)
von Henner Kotte

Anja, Tochter Romy Schneiders

"Hat Romy Schneider schon entbunden?" Als der Krankenschwester 1977 in Altenburg diese Frage gestellt wurde, legte sie auf. Ein Scherzbold am Telefon? Keineswegs. Es war der Opa und wollte wissen, ob Enkel II geboren war. Der nächste Anruf brachte Gewißheit: Enkel II war geboren und hieß Anja. Anja Schneider.
Daß Anjas Mutter, Tatsache, Romy Schneider heißt, ist Zufall. Daß Anja Schauspielerin werden wollte, wußte sie im Jugendalter. Zu Beginn zog es sie mehr hinter die Bühne: Maskenbildnerin war erstes Berufsziel. Doch plötzlich im Theaterpraktikum schien der Auftritt auf großer Bühne Anja interessanter. Nunmehr stand für sie das Berufsziel felsenfest, Anja wollte es erreichen. Sie machte mit im Laientheater, spielte, studierte. An Berlins renommierter Schauspielschule namens Ernst Busch. Mit Diplom sprach sie in Leipzig vor. Seit 2001 ist Anja Schneider am Schauspielhause engagiert. Seit 2001 sahen / sehen wir sie. Sie war die Ophelia, Geliebte des Hamlet. Sie war Salomé und forderte den Kopf des Johannes. Sie bekam ihn. Anja war Fräulein Julie und zerbrach. Anja hieß Aljonnuschka und war im Märchen. Am 19. September 2004 ist Anja Schneider in der Neuen Szene und "Alkestis".
Alkestis Mann, Admetos, ist dem Tode bestimmt, muß sterben. Das ist nicht schön. Aufhalten kann der Held sein Schicksal nur, wenn es ihm gelingt, daß sich ein andrer für ihn hingibt. Nun frag mal einen. Die Antwort klar und Nein! Allein Gattin Alkestis sagt: Ja. Warum tut diese Frau und Mutter dieses? Warum gibt sie ihr Leben hin? Sie hat zwei Kinder. Junge und Mädchen. Sie ist noch jung. Sie liebt. Besser ich als mein Mann tot? Spricht so die Mutter, so die Frau? Die Antwort wird das Stück nicht geben.
Antwort darauf gibt es seit gut zweieinhalb Jahrtausenden keine. Alkestis hat sich so entschieden. Euripides schrieb die Tragödie. Sie ist antike Klassik. Regisseur Armin Petras fand, daß diese Geschichte in unsre Zeit gehört. Auch weil sie diese Fragen stellt. Petras ist bekannt für unorthodoxe Sichtweisen und neue Texte. So erwartet uns zwar "Alkestis" aber kein griechischer Schinken und Langeweile. Familie und Handlung sind in die Gegenwart verlegt in die Tristesse von Ostdeutschland. Daß Petras mit seinen Inszenierungen den Nerv trifft, hat er stets wieder bewiesen. "Sterne über Mansfeld". "Vineta". "Die Bande". Wir sahen von Petras Romane und Filme auf offener Bühne. Wir sehen: "Alkestis". Sie heißt Anja Schneider.
Klar gibt es Rollen, die Anja gern spielen würde. Elektra zum Beispiel. Auch Elektra eine Frau, die ein Ziel und nur den Gedanken daran hat. Um dieses Ziel zu erreichen, schont sie weder sich noch andere. Vielleicht sehen wir Anja in dieser Rolle. Daß sie Schauspielerin keine Angst vor Klassik und den großen theatralen Frauennamen hat, hat sie bewiesen.
Außer dem Theater? Die Schauspielerin privat? Anja fährt Rad. Anja kocht. Anja sieht gern Dogma-Filme. Lars von Trier könnt' sich bei ihr melden. Traum. Anja ist verliebt. Sehr. Anja hat in Leipzig Umfeld, Freunde und Familie, fühlt sich wohl in dieser Stadt. Auf der Bühne geht sie für den Gatten in den Tod. Wir werden Anja Schneider weiterhin sehen. Gut so. Sie ist die Tochter Romy Schneiders ...



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