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Der Kampf um’s bißchen eigene Glück
von Henner Kotte

Der Bruder liebt die Schwester innig. Der Papa opfert seinem Job das Baby. Zwei verabreden sich zwecks Suizid. Ein altes Ehepaar kidnappt taffe Hausbesitzer. Das Schauspiel zu Leipzig prämiert den halben Januar mit vier neuen Stücken. Das hat was, auch sehr eignen Stil.
Bevor die große Bühne wegen Renovierung schließt, sagt ein Bürger Parmas "Schade, daß sie eine Hure war". Das Drama ist alt und eine schaurig Mär von Inzest, Mord und Totschlag. Markus Dietz hat sie verblüffend einfach opulent in Szene gesetzt. Und endlich ist auf großer Bühne ein angemessen Stück zu sehen. Die vielen Mitwirkenden zeigen Charakter und Leistung voran die Damen Betker, Böwe, Stein. Athlet Kraushaar verläppert das tragische Geschehen ein wenig. Vielleicht und überhaupt pendelt die Inszenierung unentschieden zwischen Ernst und Verarsche. Aber das tut sie sehr ansehenswert vor und hinter dem güldenen Vorhang.
"Porter's Paradise" ist jetzt im Horch&Guck. Einen Roman von Thor Kunkel hat das Ensemble bearbeitet. Was literarisch beeindruckt wird nun saudämlich auf die Bühne geholt. Kein Konflikt ist glaubhaft, Panik und Angst niemals ersichtlich. Dabei ist die Geschichte vom ausrastenden Rentnerehepaar echt schräg. Aber weder Regie noch Darsteller vermögen dem absurden Geschehen Leben einzuhauchen. Schad.
Die Neue Szene zeigt "norway.today". Wir sind erschüttert: Der Text, Carmen Betker und Stefan Kaminsky gehen dermaßen unter die Haut ... wie auch die "Stücke der letzten Tage" unter'm Titel "bash". Enrico Lübbe hat sie sparsam inszeniert, keine überflüssige Geste, kein Wort zuviel. Allein der Schauspieler fasziniert. Andreas Keller quatscht uns in der Bar an und erzählt eine Geschichte klassischer Dimension. Wegen seinem Erfolg geht er über Leichen, der Sieg gibt dem Vater Recht. Doch sein Kind, es ist tot. Doris Dexl und Jörn Knebel begreifen rein gar nix. Und trotzdem oder deshalb schlägt er drauf auf den, der ihm zuwider ist. Der Held zeigt keine Reue, aber einen festen Glauben. Auch Julia Berke tötet. Die Geschundne nimmt fürchterlich Rache am Mann, den sie liebte. Wir fassen es nicht. Autor Neil LaBute quält uns Publikum nur mit Worten. Und wir halten's kaum aus. Die Darsteller sind nicht zu loben, sie sind exzellent. Und eigentlich mag man den Künstlern vor Erschütterung kaum Beifall spenden. Da zeigt Theater Wirkung. Bravo!
Ach, zeigte das Schauhaus noch öfter solche, seine Qualitäten. Wir täten's gern sehen und den Flop leichter verzeihn.



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