www.Crossover-agm.de Die Bücher der Gebrüder Kotte (31.01.2016)

Warum wir Marathon laufen und was wir dabei denken. Da werden wir im Titel schon automatisch zu Marathoni. Und das hat seinen guten Grund: Auch wenn es im Klappentext anders dargestellt ist: Es ist ein Buch für die Läufer, nicht mal für die Jogger. Und Matthias Politycki wirft in seinen 42 Kilometern (nicht Kapiteln) auch viele Themen auf, die uns Läufer interessieren, manchmal mehr, manchmal weniger, manchmal überhaupt nicht. Dabei kann er natürlich auch nicht für alle Marathon-Begeisterten sprechen. Aber im Umkehrschluss alle Läufer über die Themen seines Buches. Es ist schon faszinierend, wie aus dem einfachen Laufen (Schuhe an und los geht's) ein derart kommerzielles Phänomen wie die Volks- und Massenläufe werden konnte. Für uns Teilnehmer sind viele Fragen zu beantworten. Das geht bei der Schuh- und Shirt-Auswahl los, Trainingsplan und -partner, Veranstaltung und deren Größe, Pulsuhr, Heimatstrecke, vertröstete Eheleute, angeberische Mitläufer &c. &c. pp. Matthias Politycki hat sich all diese Fragen beantworten müssen, genau wie wir. Und auch wenn seine Antworten mit unseren nicht immer übereinstimmen, es ist wunderbar, sich mit anderen Läufern über das gemeinsame Hobby auszutauschen. Also kaufen, in der Laufgruppe verteilen und jede Woche über einen neuen Kilometer diskutieren!

In den Vereinigten Staaten von Afrika. Man muss den Titel genau lesen. Wir sind gewohnt, von anderen Vereinigten Staaten zu hören. Und tatsächlich, in Waberis Roman ist die Welt auf den Kopf gestellt, die Geschichte anders gelaufen: Von korrupten Menschen geleitet und von Kriegen zwischen Kleinstaaten ruiniert spielt die westliche Welt keine Rolle. Maximal als Wirtschaftsflüchtlinge tauchen Weiße in den prosperierenden Metropolen Afrikas auf (und erhalten erst mal einen Namen, den man auch aussprechen kann!). Ein Gedankenexperiment, auf das man sich gerade in der momentanen politischen Situation einlassen sollte. Die eigene Situation erscheint dann in einem anderen Licht. Die Sprache ist poetisch märchenhaft und Waberi verzichtet auch auf eine aktionsgeladene Handlung. Auch mit dem umfangreichen Glossar und dem aufschlussreichen Nachwort werden dem europäisch sozialisierten Leser leider die meisten Anspielungen, Zitate und versteckten Hinweise entgehen. Wir wären in diesen Vereinigten Staaten nicht in der Lage uns zu integrieren! Ein empfehlenswertes Buch in sehr schöner Aufmachung und mit wunderbaren Zusammenfassungen vor den einzelnen Kapiteln. Und ein Appell für mehr Respekt, mehr Toleranz und mehr Würdigung der afrikanischen Kulturleistungen!

Der Mann kann es einfach! Nicht nur die richtigen Themen finden, bevor sie in den Schlagzeilen sind, sondern sie auch noch in eine leicht zu lesende (und zu verstehende) Form bringen. Eine Bereicherung für jeden Bücherschrank, hoffentlich auch für die jüngere Zielgruppe, denn für die ist das Buch geschrieben. Cory Doctorow widmet sich in "Pirate Cinema" dem Thema Copyright und Raubkopien. Und bei der Gelegenheit auch gleich neuen Formen des Zusammenlebens, der Hausbesetzerszene und dem organisierten Widerstand gegen die Staatsgewalt. Ganz professionell werden auch noch die Pubertät, die erste Liebe und die schwierige Beziehung zur Restfamilie eingebunden. Grandios. Dank der rigiden englischen Gesetze wird Trent mit seiner Videokunst (neu arrangierten Clips aus dem Web) nicht nur zum Straftäter sondern seine Familie gleich mit zur Rechenschaft gezogen. Während er in den Untergrund abtaucht (und manche Tipps von Insidern bekommt), erlebt seine Familie, wie sehr das komplette Leben auf dem (nun gesperrten) Internet basiert. Eine schwierige Situation. Zeit, die Argumente der schuldigen Medienkonzerne und ihrer Lobbyisten als so lächerlich zu entlarven wie sie sind. Mit Gratis-Anleitung zum zivilen Widerstand. Vielleicht etwas zu blauäugig, aber sicher einen Versuch wert. Mal sehen, welches das nächste Thema ist, auf das uns Cory Doctorow vorbereiten wird.



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