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Die Bücher der Gebrüder Kotte (05.06.2011)
Das wünscht sich wohl jede(r?): Mutterglück. Und doch ist es in dieser "schwarzen Komödie" nicht zu bemerken. Wahrscheinlich wäre der Originaltitel "Kaltes Anwesen" treffender gewesen. Aber zu den Fakten. Ort der Handlung: Cold Domain, das kalte Anwesen mit seinem riesigen Garten. Handelnde Personen: Mrs. Collet, die Mutter. Meistens damit beschäftigt, aus Frust über ihre Kinder den Garten zu roden. Und sie hat einen großen Plan, die unbefriedigende Situation zu ändern. Barbara, die schüchterne Krankenpflegerin mit ihren gehandicapten Patienten. Sie verliert im Laufe der Handlung nicht nur viel Gewicht sondern gewinnt auch einen Ehemann. Und zwar Miguel-Angel. Der Spanier mit den perfekten Umgangsformen ist als Kellner im benachbarten Restaurant zwar nicht standesgemäß, aber das kann man ihn ja auch spüren lassen. William ist Mrs. Colletts einziger Sohn. Und zum Ärger und zur Verwirrung der Familie ist er emotional und umtriebig und lebt zusammen mit Caspar, einem Frauenarzt im Alter von Mrs. Collett. Diese explosive Mischung wird durch zwei weitere Töchter (Gillyflower und Tory) vervollständigt, die als Stichwortgeber fungieren, und deren Familien, die nur als Ausreden auftreten. Ein kurzweilig Lesen mit einem fulminanten Ende. Von dem soviel verraten sei: Der Sieger des Rollstuhlrennens spielt dabei keine Rolle und die Moosewood-Tailwagger-Cocktails nur eine kleine. Im Gegensatz zu dem Tramper, den Caspars Sohn zur Hochzeitsfeier mitbringt.
Dass Philosophie auf die Dauer ermüdend ist, weiß jeder. Na, sagen wir fast jeder. Denn wer John Tyerman Williams' "Jenseits von Pu und Böse" (cadeau, 2007) gelesen hat, versteht die große Wissenschaft als Fußnote zu Milnes "Pu dem Bären". Und tatsächlich, mit wenigen Szenen (und Original-Illustrationen) lässt sich nachweisen, dass Pu mit seinen Freunden schon alles vorweggenommen hat. Egal, ob es Plato und Sokrates, Descartes oder Nietzsche sind. Auch Russel und Sartre treten nur in die Fußstapfen des Bären von enormem Verstand. Es ist wirklich eine Leistung, mit wenigen Szenen die verschiedenen philosophischen Standpunkte zu verdeutlichen und miteinander zu vergleichen. Das gelingt spielerisch. Der Humor entspricht den ursprünglichen Geschichten, nicht den Verballhornungen der Disneystudios. Sicherlich muss man das Buch nicht in einer Nacht verschlingen, aber als Lebenshilfe, gelegentliche Erbauung oder als Nachschlagewerk unbedingt empfehlenswert. Wie die Philosophie selbst.
"Friedrich stellte das Velotri ab und schellte die Glocke." Ja, wo leben wir denn? Wir befinden uns in Thüringen, genauer gesagt in Erfurt, einer muffigen Universitätsstadt. Uwe Schimunek beschreibt sie in "Das Thüringen-Projekt" plastisch: Die Professoren kungeln mit der Stadtgarde im Rat um die besten Posten. Friedrich der Hauptheld ist ein Glückspilz. Nicht nur, dass ihm die schönste Maid gewogen ist, auch seine Forschungsarbeit über Marlitt erhält überraschend ein Papierkontingent. Zu dumm, dass die Quellen nur in Arnstadt verfügbar sind. Am Rande des finsteren Thüringer Waldes, den noch niemand durchquert hat. Der Forschungsgegenstand, "Die zwölf Apostel", sind in der "Gartenlaube" erschienen und hören sich auch so an. Gerade deshalb sind sie für das junge Paar Handlungsrichtschnur und führt sie vorbei an den Verlockungen des bürgerlichen Lebens direkt nach ... Ha, jetzt wäre es doch fast um das im Klappentext beschworene "verblüffende Ende" geschehen. Das wäre aber gemein gewesen.
Ein Umzug ist immer eine aufregende, anstrengende Angelegenheit. Und wenn das Ziel eine fremde Stadt ist, erst recht. Und wenn diese Stadt noch im Aufbau ist, übel. Und dann noch mit der alleinerziehenden, werktätigen Mutter, unausdenkbar. Und das ganze Unterfangen noch am Beginn der Pubertät! Das sind keine guten Ausgangspositionen. Und vor über fünfzig Jahren waren sie das erst Recht nicht. In Werner Bauers "Ulla" (Kinderbuchverlag Berlin, 1966, eine Neuauflage eher unwahrscheinlich, antiquarisch erhältlich) meistert die Titelheldin die Situation bravourös. Mit Unterstützung von Tante Luzie emanzipiert sich nicht nur die Mutter Norma von ihrer kleinbürgerlichen Vergangenheit, auch Ulla schafft mit Hilfe ihres Freundes Eckard die Integration in die Pioniergruppe. Und nebenbei lernen wir kennen, wie schön Eisenhüttenstadt ist (oder zumindest hätte werden können). Ein propagandistisches Kinderbuch, ein Stück Zeitgeschichte und ein Blick in die Vergangenheit, als die Welt noch in Ordnung war. Natürlich nicht mehr aktuell, aber nachdenkenswert, nicht nur für Ostalgiker.
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