www.Crossover-agm.de Die Bücher der Gebrüder Kotte (28.02.2010)

Sicherlich, die Story ist an den Haaren herbeigezogen. Niemand wird eine Zeitmaschine dafür nutzen, antike Kämpferinnen in die Zukunft zu holen. Und dann auf einen Planeten entsenden, um Touristen zu evakuieren. Nein, um Logik geht es Joanna Russ in "Alyx" (Knaur 1983) mit Sicherheit nicht. Die Konstellation jedoch ist hochinteressant. Dekadente Vergnügungsreisende müssen in einer unwirtlichen eiskalten Welt um ihr Überleben bangen. Angewiesen auf eine kleine, schwarzhaarige Griechin, die aus einer vortechnisierten Zeit stammt. Das ergibt für die Feministin Russ viele Reibungsflächen, an denen sich Diskussionen und Konflikte entzünden können. Leider kommt das Buch nicht an "Female Man" heran und wirkt etwas antiquiert. Für mich ist insbesondere das Happyend aufgesetzt. Es mag dem Zeitgeist geschuldet sein, vielleicht aber auch eine bewusste Provokation zum Nachdenken und Diskutieren.

Es gibt sie also noch, die innovativen SF-Romane. Hoffentlich auch jetzt und in Zukunft. Denn "VILM" von Karsten Kruschel, obwohl erst jetzt im Wurdackverlag erschienen, ist ein Wendeopfer. Vorgesehen zur Veröffentlichung in der DDR hat es seinerzeit keinen Verlag mehr gegeben. Das Warten hat sich gelohnt. Es geht in diesem Episodenroman nicht um die gängigen SF-Motive und Action-Elemente. Aus verschiedenen Perspektiven wird vom (Über-)Leben der Besatzung eines verunglückten Raumschiffs berichtet. Die "Vilm van der Oosterbrijk" war gigantisch und unzerstörbar. Die Zentralisten, gut ausgebildete und speziell konditionierte Ingenieure, hatten mit ihren Implantaten die Elektronik im Griff. Die besonderen Vorkommnisse schienen sich in Grenzen zu halten. Trotzdem liegt der Weltenkreuzer jetzt als gebirgshohes Schrottmassiv auf dem Regenplaneten. Die wenigen Überlebenden richten sich auf längere Zeit ein, denn ohne überlichtschnellen Richtfunk ist keine Rettung zu erwarten. Die originelle Tierwelt (alles symmetrische Wesen mit identischem Vor- und Rückwärts) und die drogentauglichen Pflanzen müssen erforscht werden. Mit den nicht enden wollenden Niederschlägen kommen die auf Vilm geborenen Kinder am besten zurecht ... Leider wird dieses Buch nicht zum Bestseller werden, aber es garantiert eine Lektüre voller Überraschungen und guter Beobachtung auch kleiner Details. Ich bin fasziniert und werde mich auf Teil Zwei stürzen.

Der Reporter Bodo Knacks hat sie entdeckt. Die Geschichte der Wunderbrille, von Ulli, dem Modellbauer und Brillinchen, seiner Freundin. Und er ist ganz aufgeregt, als er sie erzählt. Ulli hat es wirklich gut. Eigentlich war seine Kurzsichtigkeit nur eine Ausrede für seine Unaufmerksamkeit. Aber der kauzige Optiker hat ihm eine Wunderbrille gegeben. Ein kleiner Dreh am linken Glas und Ulli kann im Umkreis von zwanzig Metern alles sehen. Das ermöglicht Scherze, unbemerktes Abschreiben und das Ausspähen von Brillinchen, seiner Freundin. Aber einen Preis beim Flugzeugmodellwettbewerb bekommt man dafür natürlich nicht. Und so lernt Ulli, dass nicht die magische Kraft, sondern die Hilfe der Pioniergruppe entscheidend ist. Erzieherisch wertvoll war dieses Buch "Für Leser von 9 Jahren an" sicherlich zu seinem Erscheinen 1960. Aber der Charme einer Welt, die noch in Ordnung war, und einer Brille, mit der man wirklich tolle Sachen anstellen kann, ist nicht verblasst. Jetzt antiquarisch kaufen, denn eine vierte Auflage wird das Buch leider nicht erleben.



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