www.Crossover-agm.de Die Bücher der Gebrüder Kotte (25.06.2006)

Nachruf
Sie sieht gut aus, die Internova Nummer 1. Und die Absicht dahinter ist noch besser. Ein Science Fiction-Magazin für all die wahren Fans. Die Leseratten in den Kleinstaaten, die keine Chance haben, etwas anderes als kommerzielle Massenware zu verschlingen. Für Autoren, sich gegen die Übermacht der Angloamerikaner auf dem zum Gewinn verdammten Buchmarkt niemals durchsetzen können. Und die Geschichten sind buchstäblich phantastisch. Von Kroatien über Israel nach Argentinien. Kaum zu glauben, dass dort richtig gute SF geschrieben wird. Und anspruchsvolle noch dazu. Das muß ein Selbstläufer sein. Das dachte nicht nur die Herausgebertroika Hahn/Hilscher/Iwoleit. Und nun? Hat die Internova 1 Sammlerwert, denn eine 2 wird es nicht geben. Von schlechten Verkaufs- und Abonnementzahlen gebeutelt wurde das Handtuch geworfen. Eine traurige Geschichte. Aber Kopf hoch, Fans in aller Welt, die Zukunft liegt noch vor uns.

Jedem seine Hölle. Michael Marrak hat mit "Morphogenesis" (Bastei-Lübbe) den Versuch unternommen, möglichst viele verschiedene Orte der Verdammnis vorzustellen. Und er ist nicht zimperlich. Der Archäologe Hippolyt Krispin entdeckt eine sechseckige Pyramide und stirbt, auserwählt von der ägyptischen Göttin Meret, die buchstäblichen tausend Tode. Parallel dazu versucht seine ewige Seele in einem Krankenhaus nicht nur zu genesen sondern auch den tieferen Sinn zu erkennen. Wie immer bei Marrak klar gegliedert und mit einem rationalen, in sich logischen SF-Ende. Interessierte können jede Menge neue und bekannte Totenreiche kennen lernen, für zarter Besaitete würden ein paar hundert Seiten wahrscheinlich auch reichen. Wer weiß, ob das Label "Horror" den Verkauf nicht sogar angekurbelt hätte ...

Totgesagte leben länger! Hurra! Auch dieses Jahr ist wieder ein "Science Fiction Jahr" im Heyne-Verlag erschienen. Den Unkenrufen zum Trotz, die ein rasches Ende nach dem Ausscheiden von Wolfgang Jeschke prophezeit hatten. Und das Kompendium wird noch dicker. Auf über 1500 Seiten erfahren wir alles über die Zukunft der Zukunftsliteratur. Zumindest was dieses Jahr betrifft. Themenschwerpunkt ist deshalb der Science Fiction-Film. Aber auch sonst ist alles dabei, was das Sekundärliteratur-Herz begehrt. Geschrieben und zusammengestellt von Leuten, die wirklich wissen, worüber sie reden. Und weil's so schön ist, bestellen wir das "Science Fiction Jahr" von Shayol auch gleich noch!

Richard Morgan fliegen die Einfälle nur so zu. Das beweist der derzeit mit "Heiliger Zorn" (Heyne), dem dritten Band um den Gesandten Takeshi Kovacs. Quasi nebenbei führt er brillante Ideen ein. Leider nutzt er sie nur für den üblichen Mainstream zwischen Thriller, military SF und James Bond. Die Vorstellung, dank einem Gedächtnis-Stack unsterblich zu sein, hat mehr verdient als plumpe Action. Doch die kommt mit voller Wucht. Im Kampf gegen sein Gedächtnis-Double und um die Frau, die unfreiwillig eine Widerstandsheldin in ihrem Kopf beherbergt, zettelt Kovacs eine planetenweite Revolution an. Das ist spannend, aber wir vermuten, dass dieser Teil nur der Beginn einer langen Lesereise wäre. Halten wir also Ausschau nach weiteren Werken des Autors.



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