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Die Bücher der Gebrüder Kotte (07.04.2002)
Zwei
Fragen beschäftigen Star Trek Fans schon länger: Was ist hinter
der Barriere „Am Rande des Universums"? Im fünften Film (der mit den
Raketenschuhen) schafft es Spocks Bruder, diese letzte Grenze zu durchdringen,
seither wird sie von Starfleet ignoriert. Und wie geht es dem übermächtigen
Q als Familienvater? Schließlich ist Captain Janeway die Patin von
q, dem Sohn von Q und Q. Jetzt werden diese Geheimnisse von Greg Cox
in „Das Q-Kontinuum" (Heyne) gelüftet. Gerade als der Betazoide
Lem Faal mit der Enterprise ein Wurmloch in die Barriere reißen will,
greifen gasförmige Wesen an, q geht in den Kindergarten auf dem Holodeck
und Q entführt Picard in die Vergangenheit der Galaxis. Es sind drei
Bände nötig, um darzustellen, dass selbst Q einen seriösen
Gegner hat. Doch alle sind ein Genuss voller Spannung und Humor. Insider
werden sich über viele Zitate freuen, aber auch Neueinsteiger können
mitfiebern, ob das ernsthaft bedrohte Universum auch diesmal gerettet werden
kann.
Nicht
jedermann will die gewalttätigen Stücke dieser Autorin sehen.
Nicht jedermann hält diese Bühnenkunst auch aus. Sarah Kane
hat nicht nur einmal für einen Theaterskandal gesorgt. Trotzdem oder
deshalb ist sie auf vielen Spielplänen drauf. Nun liegen ihre "Sämtlichen
Stücke" (Rowohlt) vor. Fünf an der Zahl. "4.48 Psychose"
erstmals schriftlich. Apokalyptisch beschreiben die Texte unsere Welt,
den Schrecken endlos. "Ich bin eine hoffnungslose Romantikerin", sagt die
Autorin. Aber die romantischen Bilder geben die gegenwärtigen Zeiten
nicht her. "Ich glaube, daß Nihilismus die extremste Form von Romantik
ist." Leute, lest die Texte, in unsren Breiten ist die Kane nicht oft on
stage (zZ nur DD).
Ein
König setzt sich matt
Michael
Bartschs Report zu Sachsens Kopf und dessen Fall
Legenden
schufen Sachsen immer, und sie schufen sie stets selbst. Herrscher herrschten
sagenhaft. Das Königshaus hortete Kunst und andre Schätze. Und
das Volk war guter Tradition und Dinge. Sicher, manch Umstand vermochte,
eitel Freud und Sonnenschein auch eine Zeit lang zu trüben. Vierzig
Jahre gar war an Sachsen überhaupt nicht zu denken, das Land war untrennbarer
Teil der ersten sozialistischen Republik auf deutschem Boden. Doch vornehmlich
die Sachsen machten dann Schluß damit und Revolution: sanft, friedlich,
ihrem Gemüte gemäß. Und frei im eignen Staate wählten
sie einen Professor an die Regierungsmacht, der fand die Sachsen ganz toll,
und er kümmerte sich, und er herrschte mit des Volkes Rückendeckung.
Bis, ja bis sich Stimmen mehrten, daß sich dieser Premier wie ein
absolutistischer Herrscher aufführt: Günstlinge erhalten Jobs
und beste Konditionen. Die Mutter bemuttert Sachsen und winkt wie „her
royal highness" vom Balkon. Urlaub genießt der König auf Kosten
andrer und nur zum Wohle seines Landes. Und trotzdem meinten noch immer
viele, was Bessres als diesen Mann finden wir für Sachsen nimmer:
Auch wenn Herr Professor Biedenkopf noch alleiniger und ausschließlicher
sämtliche Geschäfte führte. Auch wenn er enge Vertraute
und Fachleute aus dem Kabinett einfach warf. Auch wenn seine LaMu nicht
nur in ihren Kochtöpfen rührte. Auch wenn ... Erst ein erstrittner
Rabatt im Möbelhause erschütterte die gläubigen Sachsen
zutiefst und bewies: Professor Biedenkopf nebst Gattin hat vom wirklichen
Leben seiner Untertanen überhaupt keinen Schimmer. Deshalb verlor
der Erwählte plötzlich seinen Führerbonus und tat ob seiner
nunmehrigen Mißachtung sehr beleidigt.
Was
1990 beginnt wie ein Märchen, erscheint nach einem gut Dutzend an
Regierungsjahren als Lehrstück in Sachen Demokratie. Autor Michael
Bartsch verfolgt seit 1990 als Korrespondent Regierung, Parlament und
das Geschehen im hohen Hause aus nächster Nähe. Die Ereignisse
und manch der Hintergründe analysiert er als „Das System Biedenkopf"
(edition ost). Bartsch mißt den Ministerpräsidenten an seinen
eignen Worten vor der Übernahme dieses Amtes. Die postulierten „Zeitsignale"
hält Biedenkopf nun endlich an der Macht selbst niemals ein. Vetternwirtschaft
einerseits, zum andren werden mit Kalkül die Widersacher abserviert.
Und dann gibt es, jahrelang kaum denkbar, Opposition (selbst aus den eignen
Reihen). Bartsch ruft all die Indizien ins Bewußtsein, die einen
Machtmißbrauch längst ahnen ließen, aber geflissentlich
übersehen werden wollten. Doch müssen in einer demokratischen
Gesellschaft absolutistische Herrscher scheitern. Insofern beweist der
Sturz von Biedenkopf Biedenkopfs eigene Aussagen und gerät zur peinlichen
Posse eines starrsinnigen Patriarchen.
Was
bei solchem Machterhaltungstrieb auf der Strecke bleibt, auch das zeigt
Bartsch in seinem Buch. Manche regierungsherrlichen Fehlhandlungen sind
nicht mehr reparabel. Der Verlust für‘s Volk ist nicht nur finanziell,
für uns Demokratieunerfahrene östlicher Gefilde gibt es durchaus
auch eine weiterhin wirkende psychologische Komponente: Haben wir solch
Zustände nicht bereits erfahren? Selbst Sachsens staatsführende
Partei büßt an Glaubwürdigkeit ein. Wie‘s Wähler quittieren,
bleibt die Legislaturperiode lang noch offen. Auch dies kein Beispiel gelebter
Demokratie. Und gegenwärtige Abstimmungen und Kandidaten lassen nicht
nur Gutes für die Zukunft ahnen. Bartsch spricht seine Befürchtungen
aus. Wir nehmen’s mit Interesse zur Kenntnis, zumal solch Worte für
die hiesige Medienlandschaft nicht gerade üblich sind. Vielleicht
schimmert Michael Bartschs eigne Meinung und Betroffenheit zu deutlich
durch und mindert den Eindruck faktenbezogner Objektivität der Analyse.
Im Dienste der Sache sei dies dem Autoren verziehen. Denn diese persönliche
Note hat durchaus Berechtigung und Stil. Und den beweist der Autor nicht
nur im Journalistischen. Prosa Bartscher Feder lasen wir bereits in den
Lesebüchern der Dresdner Alt- und Dresdner Neustadt, Poesie erschien
vor Kurzem unterm Titel „Die Krähen sammeln sich" (Scheune). Und dies
war mitnichten (oder doch?) die lyrische Vorwegnahme politischer Ranküne.
„Eben als der Keim aufging / mauersprengenden Grüns / karrtest du
/ aufs neue die zerbissenen Steine / damit die Tränen von gestern
/ ihren Sinn nicht verlieren"
„Und
wenn auch kein gutes Ende, so war es doch eine echte Freude, was vielleicht
alles in allem das Äußerste ist, was man verlangen kann." Es
hätte des Vorworts von Ursula K. LeGuin für „Das Vermächtnis
von Erdsee" (Heyne) nicht bedurft. Der Leser sollte die Erdsee schon
kennen, dann kann er die wie immer wunderbaren poetischen Novellen in die
Umgebung einordnen. Wie immer ist frau vom ersten Wort an gefangen. Gefangen
von der kargen Umwelt der Erdsee, von der magischen Macht der wahren Meister,
von den neuen Herausforderungen, von der eskalierenden Handlung, von der
schlichten Sprache der Erzählerin. Die Geschichten sind seitliche
Arabesken zu den Romanen, zeitlich davor, dabei und danach angesiedelt.
So wird die Gründung der Zauberschule auf Rok erzählt, von der
Entscheidung zwischen Liebe, Macht, Karriere und Talent, von großen
Herausforderungen für die Meister der Zauberei. Auch wenn die Bedrohungen
abenteuerlich sind, Ursula K. LeGuin stellt mit jedem Satz klar, daß
es einen Unterschied gibt zwischen Phantasie und den kommerziellen Billigprodukten,
die Magie mit Schwertkämpfern gleichsetzen. Hoffentlich bleibt dieser
Literatur eine Verfilmung erspart.
Intimes
von der Diktatur
Das
dritte Reich wird seine Spuren auch noch in weiter Zukunft hinterlassen.
Außer den Zwangsarbeiterentschädigungen ist manch andres bis
heute ungeklärt. Stefan Maiwald und Gerd Mischler recherchierten
wie es war mit der "Sexualität unterm Hakenkreuz" (Ullstein).
Die Autoren geben einen Überblick über Personen, Strategien und
menschliche Merzungen. Bei der Fülle der Fakten ist der Blick in Schlafzimmer
und Betten von Führern, Normalos und Verfemten nur ein kurzes Hin-
und Wegschauen, das Interesse weckt, jedoch nicht befriedigen kann. Kultfiguren
der Zeit auch "Magda Goebbels" (Goldmann) und "Gustaf Gründgens"
(List). Anja Klabunde und Peter Michalzik nähern sich
den Lichtgestalten brauner Diktatur in ihren Biografien. Die Bücher
sind massenkompatibel, ohne die Etikettierung: Wissenschaft. Viele der
Details besitzen Neuigkeitswert, der Ansatz einer historisch tiefen Analyse
ist es nicht. Anerkennenswert allemal die Auseinandersetzung mit dem Thema.
Schön, daß wir drüber sprachen, das sollt's nicht gewesen
sein. Alles Weitre liegt an uns.
Afrika
ist Mythos. Dergleichen auch manch Europäer, der dort lebte. Albert
Schweitzer. Stefanie Zweig. Tania Blixen hat uns ihre Erfahrungen vom anderen
Kontinent beschrieben. "Jenseits von Afrika" - ein Buch und Filmerfolg.
Aber
Tania Blixen war nicht allein nach Britisch-Ostafrika gezogen. Ehegatte
Bror war an ihrer Seite und teilte Abenteuerlust wie Alltag. Obwohl literarische
Gestalt ist Bror Blixen für uns kaum wirkliche Person. Wer
war er? Was trieb ihn? Was tat er nach der Trennung von seiner Gattin?
"Der
Traum vom Ngong" ist der Versuch eines Bildes vom Großwildjäger,
Frauenheld, Hemingway-Freund Blixen. Lennart Hagerfors hat recherchiert
und Fakten gedeutet und einen "Roman über Bror Blixen" vorgelegt.
Hagerfors schildert kenntnisreich den fremden Kontinent, auch er hat Jahre
dort gelebt. Ein Roman, nicht nur für Afrika- und Literaturliebhaber.
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