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Filterlos
von rls anno 1998

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Es ist Freitag, der 29.05.1998. Pfingsten naht sich und auch der Redaktionsschluß fürs neue CrossOver. Frohgemut komme ich nach Hause, in der Absicht, über die Pfingstfeiertage noch eine CD-Rezension ein- sowie zwei Interviews abzutippen. Doch daraus wird nichts: Mein Festplattenmotor hat seinen Geist aufgegeben. Da lobt man in Gedanken doch den Einfall der Heiligenstädter Deutschrocker Filterlos, dem Interviewer die Antworten auf seine neugierigen Fragen gleich auf Diskette zu liefern, was sehr arbeitssparend wirkt. Folgendes wußten Ulrich Kaufhold (v), Stephan Müller (g), Maik Thiele (g), Matthias Werner (b) und Holger Gödecke (dr) zu berichten:

Filterlos

Erzählt doch bitte zu Anfang mal die Bandhistory!

„Eigentlich war am Anfang alles nur ein Hirngespinst: Uli und Matthias, zwei alte Freunde, träumten schon lange von einer eigenen Band. Leider war es mit den musikalischen Fähigkeiten der beiden nicht weit her: Uli sang zwar manchmal in der Badewanne, und Matthias konnte drei Allerweltsgriffe auf der Gitarre, aber das war es auch schon. Was fehlte, waren ein paar Leute, die wußten, wie es geht. Es fanden sich auch welche. So wurde mit Stephan ein Gitarrist gefunden, der gleich aus seiner vorherigen Band den Schlagzeuger (Holger) mitbrachte. Zwei Freunde von uns machten dann auch einige Zeit mit: Sven als Mundharmonikaspieler und Matthias („der Zweite“) als Keyboarder, die dann später beide aus persönlichen Gründen die Band verließen. Los ging es dann richtig, als Matthias („der Erste“) sich auf Geheiß eines älteren Freundes (Marcel), der sich zeitweise um Technik und Management kümmerte, einen Baß kaufte (vier Saiten waren nach seiner damaligen Meinung leichter zu spielen als sechs). Mit selbigem stand er eines Tages bei Uli vor der Tür und sagte: „Jetzt geht’s los!“. Gesagt, getan. Marcel war es dann auch, der uns einen Proberaum im Heiligenstädter Jugendzentrum Villa Lampe besorgte und uns dazu verdonnerte, so manche Mark zu investieren. So ging es dann vorwärts, und jede freie Minute verbrachten wir im Proberaum. Die ersten Auftritte besorgte uns der Jazzclub Heiligenstadt, wo wir als Vorband bei einigen OpenAirs spielten. Das alles war 1992. In den folgenden Jahren hatten wir zahlreiche Auftritte, die meisten schlechtbezahlt, aber immer mit viel Spaß verbunden. Mit dem Ausscheiden von Matthias („dem Zweiten“) kamen Jürgen als Zweit-Gitarrist und Silvio als Techniker hinzu. 1995 nahmen wir im Studio des Landesfilmdienstes Erfurt ein Demo auf. 1997 verließ uns Jürgen, und Maik übernahm dessen Job an der Gitarre. Für dieses Jahr ist es unser Hauptanliegen, wieder ins Studio zu gehen und einen Tonträger zu produzieren.“

Ulrichs Stimme klingt stellenweise, als ob er jahrelang filterlose Zigaretten geraucht habe. Stammt daher euer Bandname?

„Uns wird oft hinterhergesagt, daß sich unser Name aus dem Verzehr türkischen Kaffees oder Karo-Zigaretten erklärt, was natürlich völliger Quatsch ist. Unser Name steht für deutsche Liedtexte, mit deren Hilfe wir Inhalte ohne Kompromisse vermitteln und Position beziehen wollen - der Name ist Programm. Wir haben unsere Meinung zu den Dingen, die um uns herum geschehen und die möchten wir auch kundtun. Unser erstes Plakat zeigte bezeichnenderweise eine zertrümmerte rosa Brille. Natürlich sind wir filterlos-gekochtem Kaffee und filterlos-gerauchten Zigaretten nicht abgeneigt ... “

Eure Fans vergleichen euch oft mit Ton Steine Scherben. Was haltet ihr von diesem Vergleich, und was für eine Meinung habt ihr von Ton Steine Scherben?

„Dieser Vergleich ehrt uns natürlich ungemein, weil die Scherben in ihrer Musik und in ihren Texten eine starke Aussagekraft haben. Die Scherben waren die ersten, die Rockmusik und deutsche Texte zusammenbrachten und zudem einen klaren politischen Standpunkt beziehen. Wenn das kein Grund ist ... “

In vielen Pressetexten taucht der Terminus „Bluesrock“ auf. So viel Blues konnte ich in den vier Songs des Demos, abgesehen von „Was ist schlimm?“, allerdings nicht ausmachen ...

„Zu Beginn spielten wir tatsächlich sehr viele Bluesstücke, nicht zuletzt aufgrund der mitspielenden Mundharmonika. Im Laufe der Zeit ist unsere Musik gitarrenlastiger und damit rockiger geworden, was uns aber nicht davon abhält, immer mal wieder einen Blues zu spielen.“

Ihr seid musikalische Autodidakten ohne Notenlesefähigkeit. Wie läuft das Songwriting bei euch ab?

„Meistens hat zuerst Uli einen Text und die musikalische Marschrichtung. Stephan sucht (und findet mitunter) dann ein paar Gitarrengriffe, zu denen der Rest der Band einen (mehr oder minder) passenden Teil beiträgt. Das führt zeitweilig zu Verständnisschwierigkeiten, weil Uli ohne Gitarrenkenntnisse seine Idee nicht unmittelbar auf Stephan sein Griffbrett übertragen kann.“

Eure Texte nehmen kein Blatt vor den Mund. Wer schreibt sie? Gibt es auch Themen, über die ihr nicht schreiben würdet?

„Die meisten Texte schreibt Uli, ein paar Matthias. Auch Stephan hat sich hin und wieder an Texten versucht. Die Themen ergeben sich aus alltäglich Erfahrenem, worunter wir auch politische und gesellschaftliche Probleme verstehen. Auch wenn „political correctness“ unmodisch geworden ist, wir stehen dazu. Auf den Punkt gebracht: Uns ist nichts so heilig, daß wir es nicht verarbeiten würden.“

In eurem Info ist ein Plakat o.ä. abgedruckt, das analog zu einem Jack Daniels-Etikett gestaltet ist. Wer kam auf diese glorreiche Idee, und sagt dem Schöpfer der Name Chris von Rohr etwas?

„Das war eigentlich mehr ein Jux: Idee und Gestaltung kamen von einem Freund, der uns damit überraschte. Der Name Chris von Rohr sagt uns nichts, das Getränk aber um so mehr.“

Ihr wohnt nicht weit von der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze entfernt und spielt demnach sicher auch öfter mal in den Altbundesländern. Unterscheiden sich diese Konzerte von denen in Neufünfland?

„Tatsächlich haben wir schon des öfteren in den Alten Bundesländern gespielt, wo die Resonanz auch sehr gut war. Unterschiede zwischen den Alt- und den Neu-Bundesländern bestehen z.B. darin, daß im Osten mehr getanzt und gefeiert wird, im Westen hingegen eher eine Konzertatmosphäre aufkommt.“

Ihr spielt live ca. zwei Drittel Eigenkompositionen und ein Drittel Covers. Wen covert ihr so alles, und wird sich an diesem Verhältnis in Zukunft was ändern?

Eigene Kompositionen sind in unseren Augen natürlich kreativer und damit wertvoller. Allerdings lockt ein gut gecoverter Song die Leute mitunter eher aus der Reserve, so daß wir darauf nicht verzichten wollen und können. Hierbei wählen wir Stücke von Bands und Sängern aus, die wir privat auch sehr viel hören, z.B. Ton Steine Scherben / Rio Reiser, Stoppok oder Rory Gallagher.“

Euer Demo “das will ich” ist nicht mehr ganz taufrisch. Ist es noch erhältlich, und ist für die nächste Zeit ein weiterer Tonträger geplant?

„Unser Demo ist leider nicht mehr erhältlich, aber noch für dieses Jahr ist eine neue Aufnahme geplant.“

Dies wäre der reguläre Teil. Wie in jedem anderen Interview der “Titel, Thesen, Temperamente”-Reihe kommen auch jetzt noch ein paar Stichwörter, die ihr bitte kommentieren sollt:

? Himmelfahrt

„Am Männertag 1992 hatten wir unseren ersten öffentlichen Auftritt.”

? Bischofferode

„Steht für politisches Versagen und Verrat am kleinen Mann.“

? Die neueste Moralenzyklika von Johannes Paul II.

„Als gläubige Christen sind wir von manchen Entwicklungen (oder besser: Stagnationen) innerhalb der Kirche sehr enttäuscht. Beispielsweise sollte gesellschaftliche Entwicklung nicht als schnellebiger Zeitgeist abgetan werden.“

? 1. FC Kaiserslautern

„Von Null auf Hundert und damit verdienter Sieger im Millionenspiel. Herzlichen Glückwunsch zur Meisterschaft!!!“

? Guildo Horn

„Der ´Ritter der Zärtlichkeit´ ist ein witziger, süffisanter Zeitgenosse. Hat Bewegung ins Musikbusiness gebracht, und das ist gut so.“

? Der Römerbrief

„Teil der Bibel und damit Grundlage des Glaubens, zu dem wir uns bekennen.“

? Familie

„Achten wir sehr hoch, weil es hier noch Liebe gibt. Setzt nicht unbedingt Ehe voraus!“

? AC/DC

„Uli hat eine Hälfte von den rund 20 AC/DC-Scheiben, Matthias die andere. Sollte einer von uns beiden nicht mehr sein, erbt der andere dessen Teil. So kommt zusammen, was zusammen gehört. Tacheles: AC/DC war unsere erste Liebe, Rock’ n Roll der Spitzenklasse! Let There Be Rock!“

? Die Südharzautobahn

„Unnötiges Prestigeobjekt, hoffentlich nicht finanzierbar. Da in Mitteleuropa nur noch 1% des ursprünglichen Baumbestandes existiert, sollte man um jedes bißchen Grün froh sein. Es muß doch möglich sein, Arbeitsplätze zu schaffen, ohne die Natur mehr und mehr zu zerstören!“

? Heiligenstadt

„Liegt im Eichsfeld und ist deswegen leider mit Vorurteilen belastet, die wir nicht immer nachvollziehen können. Wir fühlen uns wohl in unserer Heimatstadt.“

Abschlußfrage: Wer wird Fußballweltmeister?

„Fußballweltmeister wird natürlich die beste Mannschaft!“

Na, so natürlich ist das nun auch wieder nicht. Weder im Fußball noch im Musikbiz siegt stets die Gerechtigkeit. Wer letztgenannter zu etwas mehr Erfolg verhelfen und eine der besseren Bands unterstützen möchte, der kontakte Gordon Tismer, Mozartstraße 4, 37308 Heiligenstadt, Tel. (03606) 602794, Fax: (03606) 552150, email: p-t-engineering@t-online.de









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