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Brainshock
von rls anno 1997

Man staunt ja immer wieder, was beim Durchforsten von Bandinfos für Stilbezeichnungen zum Vorschein kommen. Bei Tom Müller (voc), David Jahr (g), Michael Schönfeld (g), Dana Claus (b) und Marcel Verch (dr) alias BRAINSHOCK aus Mühlau feiert der Terminus "Punk-Grunge" fröhliche Urständ´. Nun kombiniert der Musikhistoriker messerscharf und bemerkt, daß Grunge ja eigentlich dadurch entstand, daß man Black Sabbath und Punk in eine Schüssel warf und ordentlich durchrührte. Was also ist Punk-Grunge? Nach dem Durchhören eines BRAINSHOCK-Tapes war die erste Frage des nun folgenden Interviews doppelt wichtig, denn:

Brainshock

Ihr bezeichnet Euren Stil als "Punk-Grunge". Den Punk konnte ich auf eurem Tape allerdings nicht entdecken. "Lost honesty" ist zwar ziemlich schnell, hat mit "Dreiakkordmusik" aber auch nicht soooo viel am Hut. Wo hat sich der Punk also versteckt?

"Zu unserer Anfangszeit spielten wir hauptsächlich Punk. Das lag ganz einfach an unserem "musikalischen Können", mehr konnten wir einfach noch nicht. Mittlerweile konzentrieren wir uns auf Grunge, vielleicht werden ja in ein bis zwei Jahren Sinfonien daraus. Das heißt also, der Punk versteckt sich in unserer Vergangenheit."

Ich vermute mal, daß eure punkigen Wurzeln weniger im alten 77er, sondern eher im Neopunk der 90er anzusiedeln sind. Richtig oder falsch?

"Richtig, - naja - sagen wir mal teilweise. Einige von uns hören auch Sex Pistols, Clash und Ramones."

Wessen Hirn ist eigentlich in einem so negativen Zustand, daß ihr eure Band danach benennen mußtet?

"Anfangs wollten wir uns einfach nur "Shock" nennen, aber irgendwie klang das zu langweilig, also fiel irgend jemandem von uns spontan "Brainshock" ein. Wir finden, das paßt, oder!? Wenn wir aber direkt auf Deine Frage antworten sollen, paßt der Name irgendwie auf uns alle!"

Die Texte klingen streckenweise recht depressiv. Seht ihr sie als Therapiemöglichkeit, um mit eigenen Problemen besser fertigzuwerden?

"Sicherlich spielen wir auch, weil wir unsere Aggressionen dadurch am besten abbauen können, besonders auf Livegigs. Daß die Texte depressiv klingen, könnte aber auch daran liegen, daß Dana, die ja die meisten Texte schreibt, meist "seelische Tiefs" dabei hat."

Auf eurem Tape covert ihr drei Nirvana-Songs. Welche anderen Bands bzw. Songs spielt ihr außerdem noch nach, und wie sieht das Verhältnis Eigenkompositionen-Covers live aus?

"Zum Beispiel "Lie to me" von Silverchair, "Rocky" von Dog Eat Dog oder auch "Wieder mal ´nen Tag verschenkt" von den Onkelz. Momentan sieht´s noch so aus, daß ungefähr die Hälfte der Songs von uns ist. Aber wir sind stark am Arbeiten, um bald 100 % eigene Stücke spielen zu können."

Was war euer bester Gig?

"Das war am 15.11.97 in Mühlau. Es spielten insgesamt vier Bands in Müller´s Shop. Den Auftritt haben wir selbst organisiert, indem wir Flugblätter verteilt haben usw. Die Arbeit hat sich aber auf jeden Fall gelohnt, weil die Stimmung im Publikum stark war und es überhaupt ein absolut geiler Abend war. Übrigens war das nicht der letzte "Konzertabend". Der nächste, also zweite Konzertabend, steigt am 13.12.97 wieder in Müller´s Shop. Diesmal spielen fünf oder sechs Bands."

Spielt eine Frau in einer "harten" Band, hagelt es live oft "Ausziehen"-Rufe. Wie ist das bei euch, und wie geht Dana damit um?

"Sowas ist eigentlich noch nicht passiert, nur Tom rennen ständig kleine Mädchen mit dem Fotoapparat hinterher."

Ihr habt in anderthalb Jahren immerhin schon vier Drummer im Dienst gehabt. Arbeitet ihr etwa daran, den legendären Rekord von Spinal Tap, die stolze 38 Drummer "verschlissen" haben sollen, zu brechen?

"Nö. Den ersten beiden Schlagzeugern (Sandy Bruckert und Torsten Pfau - Anm. rls) verging nach einiger Zeit die Lust. Durch einen Zufall lernten wir Tibor kennen, aber wie man sich sicher vorstellen kann, klappt´s mit 15/17- und 45jährigen nicht so toll; er hätte auch unser Vater sein können. Also entschieden wir uns nach einiger Zeit, einen neuen Schlagzeuger zu suchen, den wir dann auch schon bald und in unserem Alter gefunden haben."

Ihr hattet anfangs den kultigsten Proberaum, von dem ich jemals gehört habe, nämlich das Büro von Toms Vater. Wie kam´s dazu, und was macht der gute Mann eigentlich?

"Toms Vater ist Handwerksmeister und hat demzufolge auch ein Büro für Schreibarbeiten. Das wurde dann kurzerhand als Proberaum benutzt, weil wir keinen anderen Raum zur Verfügung hatten. Außerdem war es lustig, zwischen Bergen von Rechnungen zu spielen."

Ihr habt das Ziel, demnächst einen Tonträger in die Welt zu setzen. Wie sieht der derzeitige Stand der Planung aus?

"Erstmal noch ein paar neue eigene Lieder "fabrizieren" und Ausschau nach ´nem Tonstudio halten und dann entweder bei Plattenfirmen anfragen oder es auf eigene Faust erledigen, wobei wir uns mehr auf das Erstere konzentrieren."

Sowohl in der Grunge- als auch in der Punk-Szene hat der große Band-Overkill nach dem Abebben der jeweiligen Wellen in den 90ern längst eingesetzt. Rechnet ihr euch da überhaupt noch Chancen auf einen größeren Status aus?

"Tom sieht das zwar etwas anders, aber eigentlich gehört schon etwas Glück dazu. Der größere Anteil ist natürlich das Können und die Ausdauer. (KÖNNEN??? 90 % von dem, was einem täglich aus dem Radio entgegenplärrt, kriegt auch jeder Zehnjährige auf die Reihe, wenn man ihn ein paar Tage im Tonstudio einsperrt! - Anm. rls) Man darf nicht die Geduld verlieren und muß sich voll und ganz dahinterklemmen."

Soweit die Statements von BRAINSHOCK, und nun wieder auf zum Stichwortbombardement:

? Norbert Blüm

"Für uns einfach nur ein Politiker."

? Martin Luther

"War für seine Zeit sehr fortschrittlich und mutig."

? Kurt Cobain

"Ein Genie, welches uns auch heute noch beeinflußt, aber leider zu nahe am Wahnsinn."

? Die kohleträchtige Sex Pistols-Reunion 1996

"Das hat nicht mehr viel mit dem eigentlichen Sinn des Punk zu tun. Aber bei welcher Punkband ist das heute schon noch so?"

? Drogen

"Sind ein Vorurteil gegen Rockbands unserer Art."

? Karohemden

"Sowas tragen die 'Holzfäller' aus Seattle."

? Die geplante Autobahn Leipzig-Chemnitz

"Die ist relativ uninteressant für uns, aber vielleicht bringt sie uns ja mehr Publikum ..."

? Fußball

"Die einzigen Fußballinteressierten sind David und ein paar Roadies. Der Rest findet´s ziemlich sinnlos, sich 90 Minuten lang anzuschauen, wie 22 Mann hinter einem Ball herrennen." (Während ich dies eintippe, wird im Hintergrund gerade das Champions League-Spiel Borussia Dortmund gegen Galatasaray Istanbul angepfiffen ... - Anm. rls)

? Gummibärchen

"Schmecken gut, sind bunt und machen dick ..."

? Mühlau

"Wenn man sich den Großteil der Jugendlichen anschaut, fast ein '4. Reich'. Ansonsten ist hier, abgesehen von den Konzertabenden, nix los."

Na, dann hat der weniger ultrakurzhaarige Teil der Jugend wenigstens EINE Alternative. Wer also akzeptiert, daß man auch außerhalb von Seattle Grunge spielen kann, sollte sich den Namen BRAINSHOCK merken. Wer die Truppe kontakten will, melde sich bei Tom Müller, Pfarrweg 1, 09241 Mühlau, Tel. 03722/93208







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