www.Crossover-agm.de

Carolin Fischer
von Henner Kotte anno 2002

Download

Zum Sieger gespült: Fräulein Fischer mit Pokal im trauten Heim

Die Spülung war noch nicht gezogen. Die Nachricht erwischte Carolin Fischer auf dem stillen Örtchen: Sie ist es! Sie ist die Kautsch-Liedermacherin des Jahres 2001! Publikum und Jury hatten entschieden: Carolin Fischer hat mit ihrem Liedermacher-Medley alle Konkurrenz geschlagen. Und die hatte Namen wie Pawel Schischlack und Jilitsch, Kathrin Tröndle und Olga Lomenko. Aber Fräulein Fischer interpretierte ihre Vorbilder Michael Jackson und Jan Delay einzigartig. Der Refrain "Endlich sind die Terroristen weg" hatte nicht nur Zeitbezug, er erwies sich auch als Ohrwurm, der begeistert mitgesungen wurde. Und als die Chansonette erleichtert zur Pokalübernahme schritt (sie gibt ihn bis heute nicht aus der Hand), verneigte man sich vor der Künstlerin, spendete nicht endenwollend Applaus, entzündete die Feuerzeuge. Aber wer denn ist dieses Fräulein, welches auch uns zu Standing Ovations hinreißt? Wir haben der Liedermacherin des Jahres in die Augen und in die Leipziger Wohnung geblickt.

Zwei Treppen sind es, die knarren, dann öffnet uns Fräulein Fischer (unterm Arm den Pokal) die Tür und führt uns in ihre heimelige Küche. Es ist reinlich. Die Uhr ist kaputt. Kaffee dampft. Wir genießen und reden über dies, jenes und die Karriere.

Geboren ist Fräulein Fischer 1974 im Ländle der Schwaben. Und ihr Geburtsort Bietigheim-Bissingen erzeugte bereits solch namhafte Bands wie Camouflage und Pur. Ein gutes Klima für Sangeskunst also, manchen der Künstler kennt das Fräulein selbst und persönlich. Da war es eine Frage der Zeit, bis es diese Carolin zur und auf die Bühne zog. Sie gab Rollen im Off-Theater, sie sang Janis Joplin, unter Rastas trat sie beim Sunsplash-Festival zu Gmünden auf. Doch nähren tat diese Kunst Fräulein Fischer noch nicht.

Die Wohnungsinhaberin schenkt Kaffee im Pott nach und verweist auf den Blick aus dem Fenster. Wir schauen auf den Karl-Heine-Kanal (auf dem Frl. Fischer des Sommers auch paddelt) und den Aldi. Ja, sie hat es gern, ihr Heim und all die Pflichten im Haushalt. Über'm Abwaschbord hier stehen gar Flaschen neben Flaschen internationalen Spülmittels. Solches nämlich sammelt Fräulein Fischer, und wer von uns Lesern solch Geschirreiniger von weit her besitzt, kann diesen sehr gern der Chansonette überlassen. Er käme in gute und saubere Hände, wie der Pokal, den kein Stäubchen verunziert.

In Ludwigsburg trug Fräulein Fischer Tabletts und servierte Kunden im Restaurant Speisen und diverse Getränke. Von irgendwas muß auch die Künstlerin ja leben. Außerhalb der Arbeitszeit pflegte Fräulein Fischer ihren Gesang, lernte die Tast(en)kunst am Klavier und beschloß, diese Musikrichtung zu studieren. In Städten, wo sie Unterkunft kannte, hat sie sich beworben. Zu Leipzig sagte sie ja, die hiesige Hochschule hat sie 1997 immatrikuliert im Fache der populären Musik.

Mit Fräulein Fischer teilen Haustiere die 3ZKB. Auch ihnen erzählt die Sängerin ausführlich vom ersten Platz unter den Liedermachern zu Leipzig. Selbst die Viechter scheinen irgendwie stolz auf ihre Herrin. Aber sie haben's ja gut. Straßenlärm wird durch Vorhänge oder erklingende Musik gedämpft. Mangelnde Natur wird mit Tapete ins Zimmer geholt. Die Wasserschildkröte lebt im Feuchtbiotop. Die Gottesanbeterin läuft frei. Nur der Fisch ist tot, hängt jedoch ausgestopft an der Wand.

Für Honorar war Fräulein Fischer im Krystallpalast Gardrobiere. Bert Callenbach entdeckte das Sangestalent hinter der Theke und holte es vor's Publikum und auf Plakate. Mittlerweile hat Fräulein Fischer mehrere der Varieté-Shows moderiert. Bei den Academixern ist sie ständig Gast und in verschiednen Rollen zu erleben. Sicher, befragt man Fräulein Fischer nach ihrem größten Erfolg, senkt sie die Lider und zeigt schüchtern auf ihren Pokal. Mit solch einem Triumph hätte sie niemals gerechnet. Sie dankt Kudernatsch, der Jury und dem mb-Publikum des Abends und bittet uns, auch pressetechnisch nochmals an alle, alle ihren Dank zu übermitteln. Wir tun's, und wir tun es gern und erwarten in baldiger Zukunft weitere der kunstvollen Highlights aus ihrem Munde. Aber klar, doch, versichert Fräulein Fischer, in einer Stadt, die ihr solche Ehre zu Teil werden läßt, tritt sie immer wieder und immer wieder aufgeregt und freudig auf. Nächstens erneut in einem Ringelnatz-Programm.

Unser Kaffee ist ausgetrunken. Schnell hat Fräulein Fischer die Tasse unterm Wasser gespült. Wir danken der Künstlerin, daß sie uns einen Blick in ihre privaten Räume, hinter die Kulissen gestattete. Wir sind einer jungen, lebendigen Frau begegnet, die mit beiden Beinen und Stimme im Leben steht. Wir werden von ihr hören. Wir werden ihr auch weiterhin auf den Bühnen Leipzigs begegnen. "Ich arbeite daran", sagt Fräulein Fischer und winkt uns zum Abschied mit ihrem Pokal in der Hand. Die Treppen knarren beim Abstieg. Tolle Frau, und noch ohne den Mann an ihrer Seite ...









www.Crossover-agm.de
© by CrossOver