www.Crossover-agm.de V.A.: Georg Friedrich Händel - Oratorium Saul
von rls

V.A.: Georg Friedrich Händel - Oratorium Saul   (K&K Verlagsanstalt)

Historische Bauten oder komplette Anlagen können auf lange Sicht nur erhalten werden, wenn sie einer nachhaltigen Nutzung zugeführt werden. Diese These sollte eigentlich allgemein bekannt sein und macht auch vor UNESCO-Weltkulturerbestätten nicht halt. Bereits vor dieser Einstufung (die im Dezember 1993 erfolgte) aber hatte man bei den Verantwortlichen für das Kloster Maulbronn (nördlich von Pforzheim im Südwesten Deutschlands gelegen) die Gefahren des Untätigseins erkannt und anno 1968 eine Konzertserie in den historischen Räumen des Klosters ins Leben gerufen. Die 1147 begründete Anlage (in beeindruckender Vollständigkeit über die Jahrhunderte hinweg erhalten) wird somit Jahr für Jahr zum Ort verschiedenster musikalischer Veranstaltungen im Areal der klassischen Musik (nicht ausschließlich der Kirchenmusik, wie ein Blick in vergangene Programme zeigt), wobei sich große Namen förmlich die Klinke in die Hand gaben und geben (anno 2003 sind u.a. Giora Feidman und The King's Singers dabei), man aber auch der "zweiten Reihe" Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Einige der Konzerte erscheinen auch als Mitschnitte in der Serie "Edition Kloster Maulbronn" auf Tonträger, wobei mittlerweile ein recht beachtlicher Katalog erhältlich ist.
Exemplarisch für die Serie liegt Händels Oratorium "Saul" vor mir, mitgeschnitten anno 2002. Die Frage "Warum Händel?" beantwortet sich mit einem Blick aufs Programm, in welchem seit mehreren Jahren ein Händel-Oratorien-Zyklus läuft (das Schlußkonzert der Konzertsaison 2003 mit "Solomon" trägt die laufende Nummer VIII). Nicht alle Teile scheinen mitgeschnitten worden zu sein, denn die CD ist in der Tonträgerzählung der Händel-Reihe erst Nummer IV. Dürfte relativ schade sein, denn so entgehen dem Händel-Freund einige interessante Versionen. Es ist hier nicht die Stelle, die Möglichkeit oder Unmöglichkeit historischer Aufführungspraxis zu diskutieren (lediglich das Faktum, daß historische Aufführungspraxis eigentlich beim Hörer auch den geistigen Horizont der Originalzeit voraussetzt, sei kurz eingeworfen) - die Orientierung am historischen Original bedingt indes den Einsatz der englischen Sprache. "Saul" wurde innerhalb von gerade einmal zwei Monaten anno 1738 geschrieben (man vergegenwärtige sich die Dimensionen: 150 Minuten Musik in einer solchen Produktionszeit - das würde auf die heutige Zeit übertragen bedeuten, daß sagen wir mal AC/DC alle zwei Wochen ein neues Album veröffentlichen müßten) und erlebte 1739 seine Uraufführung, nachdem es noch diverse Male umgearbeitet worden war (die eliminierten Teile wurden natürlich nicht in den Papierkorb befördert, sondern anderweitig sinnvoll verwertet, in diesem Falle für das Oratorium "Israel In Egypt", das im Kompositionsprozeß unmittelbar auf "Saul" folgte). Auffallend an "Saul" ist die Ausdehnung von Instrumentalparts, die für die eher handlungsbezogenen Oratorien ("Saul" transportiert biblischen Stoff von Davids Sieg über Goliath über die folgenden Verwirrnisse bis zu Davids Königskrönung) eher ungewöhnliche Dimensionen aufweist - so ist schon die eröffnende "Symphony" mit neun Minuten relativ monströs ausgefallen. Trotzdem kommt nie irgendwas wie Langeweile auf, selbst wenn man im Booklet nicht das Libretto, sondern "nur" die Satzfolge mitgeliefert bekommt (dafür kann man sich das komplette Libretto auf www.kuk-verlagsanstalt.com/maulbronn ansehen) und deshalb die Nacherlebung an der heimischen Stereoanlage leicht erschwert wird. Macht aber nichts - auch als pure Musik bereitet dieser Mitschnitt jede Menge Spaß, zumal die Beteiligten (neben sieben Solisten, angeführt von Sopranistin Nancy Argento, sind dies die Hannoversche Hofkapelle und der Maulbronner Kammerchor) durchweg mindestens gute Arbeit abliefern (ein paar magische Momente sind auch dabei - man höre z.B. mal genau auf die Solovioline kurz vor Schluß des Air "Fell Rage And Black Despair Possest" oder lasse sich von der samtigen Untermalung der Auftaktpassagen des Accompagnato "Why Hast Thou Forc'd Me From The Realms Of Peace" streicheln) und "Chef" Jürgen Budday das Geschehen immer im Griff hat. Die solide, aber nicht weltbewegende optische Komponente der Doppel-CD sei abschließend ebenso erwähnt wie das für einen Livemitschnitt exzellent saubere Klangbild (wobei ich nicht weiß, was hier noch nachbearbeitet worden ist - lediglich das Einfaden des Applauses klingt leicht unnatürlich). Auf den hier sonst üblichen Abdruck der Tracklist wird verzichtet - dafür gibt es Fachliteratur oder die genannte Homepage.
Zu haben für 25 Euro entweder im Buchhandel (ISBN 3-930643-83-9), telefonisch unter 06341-939440, per Fax unter 06341-939445 oder via www.kuk-verlagsanstalt.com
 




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