www.Crossover-agm.de V.A.: De Profundis - Psalm 130
von Christian Thiele

V.A.: De Profundis - Psalm 130   (querstand)

Lateinisch: "Aus den Tiefen" oder in der Einzahl "Aus der Tiefe". So beginnt der biblische Psalm 130 in der deutschen Übersetzung nach Martin Luther:
1 De profundis clamavi ad te, Domine;
2 Domine, Exaudi vocem meam. Fiant aures TUAE intendentes in vocem deprecationis meæ.
3 Si iniquitates observaveris, Domine, Domine, quis sustinebit?
4 Quia apud te propitiatio est; et propter legem tuam sustinui te, Domine.
5 Sustinuit anima mea in verbo ejus:
6 Speravit anima mea in Domino. Ein custodia matutina usque ad noctem,
7 speret Israel in Domino. Quia apud Dominum misericordia et copiosa apud eum redemptio.
8 Et ipse redimet Israël ex omnibus iniquitatibus ejus.

1 Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir
2 HERR, höre auf meine Stimme, laß deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens!
3 So du willst, HERR, Sünden zurechnen, HERR, wer wird bestehen?
4 Denn bei dir ist die Vergebung, daß man dich fürchte.
5 Ich harre des HERRN; meine Seele harret, und ich hoffe auf sein Wort.
6 Meine Seele wartet auf den HERRN von einer Morgenwache bis zur andern.
7 Israel, hoffe auf den HERRN! Denn bei dem HERRN ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm,
8 und er wird Israel erlösen aus allen seinen Sünden.

Im recht umfangreichen Booklet dieser Edition mit 48 Seiten werden die Komponisten und die Ausführenden (Solisten, Orchester, Chöre und der Dirigent) jeweils in deutscher, englischer und französischer Sprache vorgestellt. Leider fehlt eine Übersetzung des dreimal dargebotenen Textes. Deshalb oben der lateinische und deutsche Text zum besseren Verständnis.
Dieser Psalm 130 gehört zu denen, die in der Musikgeschichte in allen Jahrhunderten vertont wurden. Besonders auch die Nachdichtung des Psalmes im Lied "Aus tiefer Not schrei ich zu dir" (Evangelisches Kirchengesangbuch Nr. 299) durch Martin Luther, der die erste Melodie in der phrygischen Kirchentonart dazu schrieb (1524), hat viele Komponisten zu Vertonungen animiert.
Auf diesem Tonträger sind zwei Komponisten und eine Komponistin mit dem "De Profundis" vertreten. Alle drei tauchen emotional tief in den Text hinein und damit auch in ihrer Musik, ob sie nun selbst einmal in persönlichen Nöten waren oder einfach, dass dieser Text so lebensnah ist und sie damit "berührte". Ich denke aber auch, dass man diesen Text nicht "einfach so" in Noten setzen konnte, sondern dass wohl ein bestimmter Anlass sein musste, so beim langjährigen Kreuzkantor Rudolf Mauersberger in Dresden. Als er nach der Bombardierung des 13./14. Februar 1945 die Trümmer seiner Kreuzkirche und Kreuzschule sah, begann er sein "Dresdner Requiem" zu schreiben. Als Schlussgebet setzt er das "de profundus" ein (hier für seinen damals noch Altsolisten Peter Schreier).
Der Anlass für Joseph-Guy Ropartz waren die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges. Die Uraufführung seiner Orchesterfassung fand noch mitten im Krieg 1943 statt.
Lili Boulanger schreibt zwar die Widmung "à la mémoire de mon cher Papa" (Im Gedenken an meinen lieben Vater) darüber, weiß aber, dass sie durch ihre chronische Krankheit selbst nicht mehr lange zu leben hat. Die Schmerzen, die die Bronchial-Pneumonie ihr bereitete, haben sie sicher oft "aus tiefer Not" schreien lassen ... Sie schreibt 1917 quasi an ihrem eigenen Requiem, denn ein Jahr später stirbt sie, 24-jährig! (Parallelen zu W. A. Mozart und seinem Requiem dürfen durchaus gezogen werden.)
Schließlich Marcel Dupré: Unter dem furchtbaren Eindruck der Kriegstoten im Ersten Weltkrieg, worunter auch viele seiner Kameraden waren, schreibt er 1917 sein "De Profundis", op. 17 in neun Teilen. Er vertont die 8 Verse des Psalmes und schließt noch das "Requiem", die lateinische Totenmesse an.
Alle drei Tonschöpfer gehören noch der französischen Spätromantik an mit ihrer teils noch impressionistisch geprägten Klangformung (Debussy starb wie Lili Boulanger 1918), der großartigen Melodiebildung und geradezu sphärischen Harmonik und Stimmung. Solisten, Chor und Orchester gestalten unter der Leitung des Fuldaer Domkapellmeisters Franz-Peter Huber eine beeindruckende, ausdrucksstarke, eine zu Herzen gehende Musik. Die Akustik im weiten Raum des Hohen Domes zu Fulda, in dem diese drei Werke mit dem gleichen Text - doch jedes für sich eigen sprechend - aufgenommen wurde, lässt zwar die Textverständlichkeit leiden, setzt aber dieser Produktion insgesamt noch die Krone auf.
Kontakt: www.querstand.de, www.domchor-fulda.de

Andrea Bogner - Sopran; Christiane Bassek - Alt; Antonio Amadé Badinski - Tenor; Thilo Dahlmann - Bass
Domchor Fulda, Jugendkathedralchor Fulda
Göttinger Symphonie-Orchester
Leitung: Franz-Peter Huber

Tracklist:
Joseph-Guy Ropartz: De Profundis Psalm 130
Lili Boulanger: De Profundis Psalm 130
Marcel Dupré: De Profundis op. 19
3. I. De Profundis
4 II. Fiant aures tua
5 III. Si iniquitates observaveris
6 IV. Quia apud te propitiatio est
7 V. Sustinuit anima mea
8 VI. A custodia matutina usque ad noctem
9 VII. Quia apud Dominum misericordia
10 VIII. Et ipse redimet Israel
11 IX. Requiem aeternam



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