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von lene

V.A.: Bergisch Homegrown 01   (Musikerbund Wuppertal)

Der durchschnittliche Musiker aus Wuppertal ist offenbar jung, kreativ und männlich - dieses Bild jedenfalls gibt der Sampler "Bergisch Homegrown 01", den der Musikerbund Wuppertal 2005 veröffentlichte. Die Scheibe ist eine Plattform für Musiker aus dem Bergischen Land und wen das abschrecken sollte, dem kann ich trotzdem empfehlen weiterzulesen bzw. einmal selbst reinzuhören.
Ausgewählt sind 19 Lieder unterschiedlicher Bands und obwohl eine Vielzahl von Genres und Stilen vertreten ist, passt alles gut zusammen und man kann die Platte getrost an einem Stück hören ohne nicht zu verkraftende Stilbrüche zu erleben. Es sind sowohl englisch- als auch deutschsprachige Songs vertreten.

Den Anfang macht der Kabarettist und Musiker Sascha Gutzeit, der bereits seit 13 Jahren in der Musikszene von Wuppertal unterwegs ist. Passenderweise heißt sein ironischer Beitrag zur Sammel-CD "Ich bin die Vorgruppe" - ein trockenes Stück über die Leiden einer Vorband, die keiner kennt und auch keiner hören will, weil alles auf den Haupt-Akt wartet. Beginnend mit einem Räuspern, kommt das Lied sanft, jazzig und melancholisch daher und lässt einen doch schmunzeln.
Gleich danach geht es schwungvoller weiter mit Lax Alex Contrax' Song "What For?". Dieses Lied ist nicht nur einprägsam, sondern regt auch zum Mitsingen und -schwingen ein. Die Band, die bereits mehrere Alben veröffentlicht hat, sorgt mit ihrem chilligen Ska für jede Menge Spaß.
Nach diesem lebhaften Stück folgt das wiederum melancholische, rockige "Kiss Me Baby" von AIM. Auch dieses Lied ist sehr einprägsam und schon beim zweiten Hören dürfte man problemlos einstimmen können. "AIM steht für Ziel, zielen oder zielgerichtet", beschreiben die Indie-Pop-Musiker, die bereits seit 2001 dabei sind, ihren Bandnamen auf ihrer Website. Und mit ihrem Beitrag zur "Bergisch Homegrown"-CD konnten sie vermutlich auch zielgerichtet Werbung für sich machen.
Die Sundealers, ebenfalls 2001 gegründet, setzen die CD mit "Down Again" um einiges rockiger fort. Gemixt mit elektronischen Klängen und viel Energie können auch sie einen weiteren eindringlichen Song mit Widererkennungseffekt anfügen.
Mit Gasoline erfolgt ein Sprung zum klassischen Rock'n'Roll. Genauso mitreißend wie die vorhergehenden Lieder lädt auch "Parachute" zum Mittanzen und Selber-Mitsingen ein. Sich selbst sehen die Musiker in der Tradition von Humble Pie, Free und Otis Redding.
Einen weiteren Song in englischer Sprache liefern Heyday mit "Place By The Fireside". Die 1998 gegründete Band kann bereits auf Tourneen und Support-Gigs mit Reamonn, Lenny Kravitz und Nickelback zurückblicken und auch "Place By The Fireside" kann auf dieser Schiene gut mithalten.
Eine interessante, kaum definierbare Mischung zwischen Rap, Rock und Metal bieten Juicy Junk mit "If You Could See Me Now". Auch sie verzichten nicht zwischen den gerappten Strophen auf einen äußerst einprägsamen Refrain, getrennt von schrammeligen E-Gitarrenriffs. Da die Jungs sich darüber im Klaren sind, dass sie gerade dabei sind, einen unbekannten Stil zu kreieren, haben sie diesen kurzerhand "Junkcore" getauft.
Ripley setzen mit weiteren kreischenden Gitarrenriffs fort und nähern sich mit "I Hate You Anyway Now" weiter dem Metal an - allerdings mit weiterhin verständlichen Texten und einem Ohrwurm-Refrain.
Rockig und melodisch geht es weiter mit Uvulas Song "Big Moon Rising". Auch hier dröhnen die Gitarren und der Schlagzeuger hat mächtig etwas zu tun - aber trotz allem ertönt der Gesang beinahe schon ruhig und gelassen über den Lärm hinweg.
"Ganz gut soweit" von Feinherb bricht nicht nur mit den vorangegangenen, sondern weitgehend auch mit den rockigen Gitarrenriffs. Stattdessen folgt eine ruhige Gitarrenbegleitung und ein einprägsamer Text, der von kaputter Liebe und Lügen vor sich selbst handelt. Ganz gut soweit.
Das war aber nur eine kleine Verschnaufpause zwischendurch, denn Stigma knüpfen eher wieder an die Klänge von Ripley und Uvula an, nur diesmal auf Deutsch. Die melodischen, melancholischen Strophen werden von einem metal-mäßigen Refrain abgelöst - da sind sie wieder, die kreischenden E-Gitarren. Textlich gesehen klingt dieses Stück eher nach Psychotherapie, bei der es um die Befreiung der Seele geht.
Weitaus düstereren Sound bringen im Anschluss daran freefall, schon seit 1999 in der Szene unterwegs, mit "Another Day Is Passing By". Hier folgt melodiöser Hardcore, der die obligatorische Krächz- und Kreischstimme mit einem gesungenen Refrain kombiniert.
Zum vorangegangenen Stil passend geht es hardcore weiter mit Contradictions "Break The Oath", bei dem dann richtig die Fetzen fliegen. Die Wuppertaler Thrash-Metal-Band ist schon längst etabliert und akzeptiert in der Szene und hat diesen Beitrag zum bergischen Sampler-Album vermutlich mal eben zwischen Europa-Tournee und neuem Album geleistet.
Experimentell, abgedreht und auf deutsch geht es weiter mit Falk Lenns Therapie-Lied "Schlag dich weg", das zu elektronischen Rhythmen empfiehlt, den Kopf wieder und wieder gegen Wände zu schlagen. Der Wuppertaler Nachwuchsmusiker ist vor allem durch seine musikalische Trilogie über Einsamkeit, neue Liebe und deren Scheitern bekannt geworden.
Mit dem Deutschrock von Butterkräm und ihrem Lied "Guten Tag" (übrigens auch online zum reinhören) geht es dann weiter. Beziehungskrisen, Sehnsucht, Enttäuschung - all das bringt das Lied dem Zuhörer (schmerzlich?) in Erinnerung.
Und wieder weg vom deutschen Text geht es mit den Chamberdogs und "She's A Monster", einer Antihymne auf eine Monster-Frau. Die Chamberdogs spielen einen rockigen Sound, den sie selbst zwischen Funkrock, Ska und Reggae einordnen und "Dog Rock" genannt wissen wollen.
Eine weitere liebeskranke Rockballade ("Someday") steuern Sane? zum Album bei. Aber sie ist eingehend und bestens zum Laut-Mitsingen geeignet. Das Trio aus Wuppertal agiert seit 1999 und inzwischen schon längst nicht mehr nur auf regionalen Bühnen.
Auch die vier "Hinterwäldler" von 4Backwoods versuchen sich in der Ohrwurm-Produktion und wissen ebenfalls mit rockigen Gitarren und einer einprägsamen Melodie zu begeistern.
Die CD klingt jazzig aus mit dem Ulrich Rasch Quartett und Brenda Boykin und zum ersten Mal ertönt eine weibliche Stimme auf dem Album. Brenda Boykin hat eine eingängige, sehr tiefe jazztaugliche Stimme und mit dem sanften Klavierklimpern sorgt der Song für einen runden Abschluss des Samplers.

Was bleibt zu sagen? Wie es scheint, muss es in Wuppertal nur so wimmeln von Ohrwurm-züchtenden Nachwuchsbands und Musikern, denen Talent und musikalisches Können nicht abzusprechen ist.
Kontakt: www.bergisch-homegrown.de

Tracklist:
(1) Sascha Gutzeit - Ich bin die Vorgruppe (www.saschagutzeit.de)
(2) Lax Alex Contrax - What For? (www.laxalex.de)
(3) AIM - Kiss Me Baby (www.aim-music.de)
(4) Sundealers - Down Again (www.sundealers.com)
(5) Gasoline - Parachute (www.gasolinemusic.de)
(6) Heyday - Place By The Fireside (www.heyday.org)
(7) Juicy Junk - If You Could See Me Now (www.juicyjunk.com)
(8) Ripley - I Hate You Anyway Now
(9) Uvula - Big Moon Rising (www.uvula.de)
(10) Feinherb - Ganz gut soweit (www.feinherb.com)
(11) Stigma - Katharsis (www.stigmamusik.de)
(12) freefall - Another Day Is Passing By (www.freefall-music.de)
(13) Contradiction - Break The Oath (www.contradiction.de)
(14) Falk Lenn - Schlag dich weg (www.falk-lenn.de)
(15) Butterkräm - Guten Tag (www.butterkraem.de)
(16) Chamberdogs - She's A Monster (www.chamberdogs.de)
(17) Sane? - Someday (www.areyousane.de)
(18) 4 Blackwoods - Best Days Of My Life (www.4backwoods.de)
(19) Ulrich Rasch Quartett + Brenda Boykin - I'm Ready For The Spirit (www.ulrichraschquartett.de)
 




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