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TUBLATANKA: Vianocný Den
von rls

TUBLATANKA: Vianocný Den   (EMI Czech Republic)

Alle Jahre wieder kehrt auch bei den Hardrockern Weihnachten ein, und einige von ihnen machen sich daran, das zu tun, was auch Jazzer, Popper, Folker, Klassiker, Blueser und fast alle anderen Musiker außer den Black Metallern machen: Sie nehmen eine Weihnachtsplatte auf. Das kann entweder mit parodistischem Hintergrund geschehen oder aber auch mit voller Ernsthaftigkeit, und auch von der musikalischen Herangehensweise sind von der Kuschelballade mit sanftem Klavierarrangement bis zum wilden Geprügel alle Stufen denkbar. Die Frage, ob man bekannten Stoff verarbeitet oder neue Weihnachtslieder schreibt, wird genauso unterschiedlich beantwortet wie diejenige, ob man bei seinem gewohnten Bandsound bleibt oder das Projekt musikalisch andersartig als sein sonstiges Schaffen klingen läßt. Manche Bands belassen es bei einer einmaligen Angelegenheit, andere aber werden zu Wiederholungstätern, und in letztere Kategorie gehören auch Tublatanka. Die wohl größte Hardrockband der Slowakei hatte bereits anno 1993 "Podme Bratia Do Bethlehema" veröffentlicht und damit diverse Auszeichnungen in ihrer Heimat eingeheimst, wo sie allerdings auch schon vorher größte Popularität genossen hatte (nicht zuletzt aufgrund einiger systemkritischer Songs, die während der samtenen Revolution in der damaligen Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik eine prägende Wirkung entfalteten). Dreizehn Jahre später gingen nun Chefdenker/Co-Gründer Mato Durinda und seine erst seit dem 3. Jahrtausend zur Band gehörende Rhythmusgruppe Juraj Topor und Peter Schlosser erneut ins Studio, um dieses am 23. Oktober 2006 mit einer CD namens "Vianocný Den" zu verlassen. Ob das Album noch rechtzeitig zum Weihnachtsfest 2006 veröffentlicht werden konnte, entzieht sich der Kenntnis des Rezensenten (immerhin dauern Gestaltung, Pressung etc. auch noch einige Zeit, und bis die Platte dann in den Läden steht, kann es durchaus schon zu spät sein); er erwarb die CD jedenfalls erst im unweihnachtlichen Monat Mai bei 25°C Außentemperatur, und zwar in einem Second Hand-Laden. Aber solche Projekte sind in gewisser Weise ja zeitlos, Weihnachten kommt jedes Jahr wieder, und so kann man sich nun auch, wo der 2007er Jahrgang besagten Festes langsam heranrückt, sinnvoll mit dieser CD beschäftigen. 16 Songs hat das slowakische Trio eingespielt, und wie schon auf der 1993er CD handelt es sich mit einer Ausnahme um Kompositionen fremden Ursprungs. Damals hatte Mato Durinda "Piesen Pre Stratených Synow" geschrieben, diesmal allerdings ist es der Titeltrack, der aus der Feder des Mainmans stammt. Er eröffnet das Album auch gleich und läßt noch nicht so richtig erkennen, ob Tublatanka die Platte wirklich ernstnehmen, denn der von der Idee her eher basische Poprocker wird mit wattebauschartigem Schlagzeug gebremst und mit süßlich-klimpernden Keyboards derart zugekleistert, daß selbst das Trans-Siberian Orchestra dagegen fast wie beinharter Thrash Metal wirkt. Aber schon die erste Fremdkomposition "Coze Je To Za Znamenie" macht nach einem Keyboardintro, das nach wenigen Sekunden durchaus wie das von "The Final Countdown" hätte weitergehen können, klar, daß Tublatanka durchaus keine parodistischen Absichten zu hegen scheinen (auch wenn das Foto auf der Bookletrückseite, wo die drei einen Tannenbaum nachstellen, in eine ähnliche Richtung zu weisen vorgibt), sondern sich durchaus mit Ernsthaftigkeit dem weihnachtlichen Thema nähern. Als Indiz hierfür darf auch das Cover gewertet werden, in dem die drei Musiker die Rolle der Heiligen Drei Könige einnehmen und sich anschicken, dem Stern zu folgen, ohne daß sich in dem Bild irgendeine Spur von Ironie verbirgt. Mit Kenntnis der Originalsongs ließen sich weitere Indizien für den Grad der Ernsthaftigkeit finden, aber in diesem Punkt geben Tublatanka dem Rezensenten eine Nuß in die Weihnachtstüte, die dieser nicht zu knacken vermag, denn außer "Rolnicky Rolnicky" kann er keinen der Songs identifizieren (das 1993er Album hatte eine Mixtur aus slawischen und nichtslawischen Weihnachtsliedern enthalten, aber ob es auch hier eine analoge Verteilung gibt, muß spekulativ bleiben). Die Tracklist im Booklet weist aus, daß es sich - wie gesagt mit Ausnahme des Titeltracks - um Traditionals handelt, die von Mato Durinda bearbeitet wurden, und zwar nicht nur musikalisch, sondern offensichtlich auch textlich, denn alle Titel und alle Texte sind in der Heimatsprache der Band gehalten (ansonsten wäre die Identifikation ja auch deutlich einfacher gewesen ...), wie man anhand "Rolnicky Rolnicky" schon vermutet haben könnte - dahinter verbirgt sich übrigens "Jingle Bells" in einer flott-lebendigen Variante. Ansonsten hat man musikalisch das komplette Hardrockspektrum aufgefahren, also von der Ballade bis zum Doublebassknaller, wobei man allerdings zumeist im mittleren Tempobereich verbleibt und manchmal auch das "Hard" noch eine Einklammerung erfahren muß. Dazu kommen dann noch gelegentliche Effekte wie Windgeheul, Pferdegetrappel, grenzwertiges Kuhglockengebimmel oder völlig unweihnachtlich klingendes Vogelgezwitscher, auch mal ein eher mißlungenes Experiment wie der fürchterliche verzerrte Gesang in "Dobrá Novina" und auch die eine oder andere "Ausleihe" bei anderen Bands - so hat man sich für das Intro zu "Tichá Noc Bola" mal eben das Riff von Led Zeppelins "Rock And Roll" geborgt. Stärkster der 16 Songs ist zweifellos der, welcher am stärksten an die Siebziger erinnert: "Anjelským Pozdravením" beginnt als orgelunterlegte Ballade, bevor sich ein abwechslungsreicher klassischer Seventiesrocker der Bauart Deep Purple/Rainbow entwickelt, in dem Gast Josef Pacholský auch weiterhin fleißig orgeln darf. Die weiteren Songs erreichen das Niveau dieser Songlichtgestalt nicht, aber sie lassen sich allesamt ohne Ausnahme angenehm durchhören (den Titelsong kann man ja überskippen, wenn man seine Süßlichkeit als ungenießbar erachtet) und stellen damit eine originelle Alternative zu den üblichen Weihnachtsplatten der internationalen Rockerzunft dar, mit der man auf jeder Weihnachtsparty Aufsehen erregt - wer außer ein paar Freaks wird diese Platte in Deutschland besitzen? Und ein lustiges gemeinschaftliches Ratespiel kann man auch noch draus machen - vielleicht erkennt mancher ja noch die Vorlagen einiger anderer Songs. Das Booklet bietet mit zwei weißen Innenseiten immerhin Gelegenheit, die Ergebnisse zu notieren, damit man sie bis zur nächsten Weihnachtssaison nicht wieder vergessen hat. Und da der Rezensent in seinem Freundeskreis eine nette Frau hat, die zwar kein Slowakisch, aber zumindest das nahe verwandte Tschechisch beherrscht, hat sie für ihn und für die Leserschaft die Tracklist schon mal ins Deutsche übersetzt (danke, Randi!), was manchem Hörer vielleicht noch den einen oder anderen weiteren Anhaltspunkt zur Identifikation der Songs liefert. Übrigens hat der Interessent ab der Vorweihnachtssaison 2007 auch noch die Option, eine Doppel-CD zu erwerben, die sowohl "Podme Bratia Do Bethlehema" als auch "Vianocný Den" enthält.
Kontakt: www.tublatanka.sk, www.emimusic.cz

Tracklist:
Vianocný Den
Coze Je To Za Znamenie
Narodil Sa Kristus Pán V Betléme
Ajel Pána Glória
Dietatko Spanilé
Cas Radosti, Veselosti
Dobrá Novina
Co Sa Stalo, Prihodilo Na Horách
Anjelským Pozdravením
Stastia, Zdravia, Dlho Zitia, Vinsujeme Vám
Tichá Noc Bola
Rolnicky Rolnicky
Sedí Vrabcek
Jak Si Krásne Jezuliatko
Sem Pospeste
Odchádzame, Stastia Zdravia, Vinsujeme Vám

Tracklistübersetzung:
Weihnachtstag
Was ist das für ein Zeichen
Geboren ward der Herr Jesus in Betlehem
Des Herrn Engel Gloria
Kindlein süß
Die Zeit der Freude und Fröhlichkeit
Gute Nachricht
Was passierte, geschah in den Bergen
Mit Engelsbegrüßung
Glück, Gesundheit, langes Leben wünschen wir Ihnen
Es war eine stille Nacht
Glöckchen, Glöckchen
Es sitzt ein Spatz
Jesulein, wie bist Du schön
Eilet her
Wir gehen und wünschen Ihnen Glück und Gesundheit



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