www.Crossover-agm.de DIMITRI TERZAKIS: Hero und Leander
von ta

DIMITRI TERZAKIS: Hero und Leander   (Edition Gravis)

Der in Leipzig lehrende Dimitri Terzakis ist eine kleine Herausforderung für von Vergleichen lebende Schreiberlinge wie den Rezensenten dieser CD: Es fällt einem partout niemand ein, mit dem man ihn vergleichen kann. Seine Klaviermusik ist modern, aber selten atonal. Sie ist melodiös, aber selten klassisch. Sie ist sprunghaft, aber nicht willkürlich. Sie ist vor allem sehr spontan und lebhaft. Schön sind die nach hier und da verteilten neoromantischen Elemente wie im zweiten Satz der "Gedichte der Verdammten", der mal zärtlich, mal beinahe launig ruckhaft daherkommt; oder im ebenso getragenen wie schwelgerischen "Epitaph", das immer wieder mit Ausbrüchen in die hohen Tasten überrascht und ein wunderbar offenes und deshalb trauriges Ende bereithält; in das Exzerpt aus "Lux et Tenebrae" schließlich hat sich in der dritten Minute gar ein kurzer Lauf eingeschlichen, der klingt, als ob kurzzeitig die CD gewechselt und ein leidenschaftlicher Beethoven eingelegt worden wäre. Chapeau! Letztgenanntes Stück - von 1999 und damit das älteste auf "Gedichte der Verdammten" - gehört in seiner flotten Gangart und mit den ins Dissonante abfallenden Harmonien im Großen und Ganzen aber zu den Elementen dieser Zusammenstellung, die zeigen, dass hier etwas am Klingen ist, das nach 1900 entstanden ist.
Erwähnung verdient auch das dynamische "Erinyen": Während im großen Rest der Stücke die klassische Aufteilung in Melodie- und Begleithand oft keinerlei Beachtung findet, wird sie hier permanent anzitiert, was gerade zu Beginn des Stücks einen sehr eigenen Witz entwickelt. Herzstück der Zusammenstellung ist allerdings das sechsundzwanzigminütige Epos "Hero und Leander", das als einziges Stück die Instrumentierung um Viola und Erzähler erweitert und eine Art "Peter und der Wolf" für Erwachsene geworden ist: Der Erzähler verliest den antiken Stoff aus Ovids "Heroides", im Ende auch gereimt aus Schillers Ballade "Hero und Leander", Viola und Piano dienen als musikalischer Kommentar. Für Spezialisten seien die Mikrointervalle erwähnt, ich - als Nichtspezialist - erfreue mich mehr an dem Spannungsbogen, den das Dreiergespann aus Stimme, Tasten und Saiten besonders in den Gefühlskonzentrationen zeichnet, die immer wieder zustande kommen, wenn verschiedene Schichten sich überlagern und schließlich final in einem überraschend harmonischen Schlussakkord münden, der den Doppeltod des tragischen Paares eigentümlich bricht. Einziger Kritikpunkt: Die Stimme der Hero ist arg leise abgemischt.
Summa summarum eine inspirierende Kompilation eines inspirierten Komponisten und angenehm unverkrampft, was die Ausdrucksmittel betrifft. Kontakt: http://dimitriterzakis.com/

Tracklist:
Gedichte der Verdammten
1. Erster Satz
2. Zweiter Satz
3. Dritter Satz

4. Epitaph
5. aus: Lux et Tenebrae
6. Erinyen
7. Ein Satyrspiel
8. Hero und Leander



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