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von ta

STINKING LIZAVETA: Caught Between Worlds   (Monotreme Records/Cargo)

Ich möchte es mir ganz kompliziert machen und meine Rezension in drei Teile gliedern, einen allgemeinen kritischen und einen spezifischen kritischen und einen spezifischen netten.
Teil eins: Ich führe mir ja vergleichsweise viel Musik zu Ohren, in welcher der Gesangsanteil hinter dem rein instrumentalen ein ganzes Stück weit zurücksteht. Aber reine Instrumental-Platten aus dem Rock-Bereich bereiten mir so ihre Probleme. Der Grund ist möglicherweise denkbar einfach: Die Gewohnheit ist an allem schuld, entwirft mit der Zeit einen musikalischen Erwartungshorizont, ein Puzzle im Gemüt, das bestimmt, aus welchen Teilen sich ein Song zusammensetzt. Und spätestens, wenn vier Songs vorbei sind und ein Teil des Puzzles immer noch fehlt, allerspätestens, wenn alle Songs angehört, sprich alle Teile umgedreht sind, ist es da, das Problem.
Stinking Lizaveta sind ein Trio um Gitarre, Bass und Schlagzeug und können mir nicht ersetzen, was eine Band mit Sänger(in) mir geben kann. Denn mir fehlt auf Dauer a) eine "gefühlshafte" Komponente, die b) Songteile durch ihre Präsenz flüssig verbindet und c) im Normalfall durch die Besetzung des Gesangsmikrophons realisiert wird. Weil diese gefühlshafte Komponente nun - für mich - das A und O von Musik darstellt, nämlich für die Ausdruckskraft von einem Album als Ganzem in allergrößten Maßen zuständig ist (in welcher Ausgestaltung sie sich nun auch zeigen mag), sind Stinking Lizvetta - ebenfalls für mich - nicht nur ein Puzzle mit Leerstelle, sondern ein Haus ohne Erdgeschoss. Hält nicht gut, meistens.
Teil zwei: Stinking Lizaveta haben also keinen Gesang und auch nichts, was jenes ersetzt, was der Gesang einer Band an Ausdruck verleiht. Einwurf: Das ist ein hartes Urteil von jemandem, der normalerweise, wenn zu Rock/Metal, dann zu Rock/Metal mit Gesang die Öhrchen aufspitzt. Ich will nun noch ein wenig auf dem skizzierten Mangel herumreiten, um am Ende anhand des gerade eingeworfenen Verweises auf meine Hörgewohnheiten das ganze Rezensionskonstrukt wieder über den Haufen zu werfen.
Nehmen wir den Titelsong. Riffintro, dann Grooveriff, dann Tempohalbierung und Solo in Manier von Eloy, dann Riff und Leadgitarre, dann wieder Grooveriff, dann Tempohalbierung und in einem fort. Riffs gehorchen der Stoner-Peitsche, Schlagzeugbeats grooven halt so vor sich hin, aber von Aufbau oder Steigerung im Songbereich kann keine Rede sein. Eine Sequenz löst die andere ab, ein einziges Nebeneinander.
Gut, "Out Of Breath" enthält so etwas wie einen sich steigernden Ablauf. Wird halt hier und da lauter, dann dort und da schneller. Aber das läuft nur so ab und hinterlässt keine Wirkung. Dafür sind die Riffs zu schlapp, die Soloparts zu nichtssagend, die Schlagzeugspuren zu bieder.
Aber Rettung naht. In "I Denounce The Gouvernment" keult Cheshire Agusta doch anständig herum. Snarewirbel, verspielte Rideschläge. Eine wummernde Bassdrum. Kann man sich anhören. Aber Intensität ist was anderes. Da steckt man nämlich mittendrin. Nicht daneben.
"Over The Edge" ist ruhiger. Gitarrensolo, fast Marke Pink Floyd. Dafür fehlt aber ein Keyboard. Oder was anderes. Hier ist alles so bescheiden. Die Band spielt halt dies und jenes. Improvisiert da und dort. Experimentiert mit verschiedenen Sounds. Aber wirkliche Überraschungen bleiben aus. Oder irgendetwas sonst, was rechtfertigen sollte, sich den Song noch weitere Male einzulegen.
"Prayer For The Living" düstert ein wenig rum. Die Gitarrensoli sind Lärm und überflüssig. Am Anfang ist ein Cello zu hören. Tolle Sache. Aber alles so stumpf. Mal ehrlich, "the construcKtion of light" von King Crimson ist so eine Platte, bei der eher sporadisch Gesang mit aufgenommen wurde. Trotzdem macht jenes Album mich total kirre und krank. Aber dieses hier tut ja eigentlich nichts als ablaufen. Das kann man sich doch nicht mit Gewinn anhören. Außer vielleicht bei "Someone's Downstairs". Mal wieder ruhiger, mit netten Gitarrenlicks usf. - geht rein, zumindest für die paar Minuten, die es gerade abgespielt wird.
Vielleicht haben sich die Musiker zu ihrem doomigen, beräucherten, auch rockigen und von mir aus jazzigen Sound auf dem Boden gekrümmt und extatisch nach Luft geschnappt (geröchelt, sich nackig ausgezogen, die Monitorboxen zertreten, den Kopf an die Wand geschlagen, ...). Dann muss man Stinking Lizaveta eben live sehen, damit sie einem etwas vermitteln. Oder mit Kiffen anfangen, damit das nicht nötig ist, weil man vielleicht dann selbst so lethargisch wie die Musik ist oder sie nicht mehr als so lethargisch empfindet. Aber "Caught Beetween Worlds" gibt mir hier und jetzt, die CD als Album und ich bei klarem Verstand, mal eben gar nichts.
Teil drei: Die ganze obige Aburteilung besagt: Der Rezensent findet sich nicht herein. Und: Daran ist die Platte schuld. Nun der angekündigte Wurf über den Haufen: Vielleicht ist auch seine Hörgewohnheit dran schuld. Subjektive Urteilskraft, weil subjektive Hörgewohnheit, weil keine längere Beschäftigung mit reinen Instrumentalplatten.
Wer also mit entsprechend vergleichbarer Musik seine Existenz als Liebhaber der harten Töne fristet, wird vielleicht ein ganz anderes Werturteil anbringen, weil er nicht das Falsche erwartet. So schwierig kann Musikbewerten sein. Kein klares Urteil möglich, oje, oje. Und das Dilemma ist perfekt: Bei der Platte fehlt die Vermittlung zwischen Musik und Rezensent. Bei der niedergeschriebenen Rezension fehlt die Vermittlung zwischen abschließendem Urteil und Leser. Oder hätte es darin nicht besser kommen können? Es geht immerhin um Musik. Wir schweigen.
Kontakt: Monotreme Records Ltd., P.O. Box 31395, London SW11 1XT, UK
www.monotremerecords.com, www.stinkinglizaveta.com

Tracklist:
1. Beyond The Shadows
2. Caught Beetween Worlds
3. Out Of Breath
4. Scientist Of The Future
5. I Denounce The Government
6. Last Wish
7. Over The Edge
8. Sketches Of Pain
9. Stop Laughing
10. Side Naked
11. Prayer Of The Living
12. Staying Here Intro
13. Staying Here
14. Someone's Downstairs
15. Day Of Dust
16. Man Day



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