www.Crossover-agm.de SHELTER: The Purpose, The Passion
von rls

SHELTER: The Purpose, The Passion   (Century Media Records)

Ich kenn' nicht allzuviel Material der bisherigen Shelter-Diskographie, kann mich aber nicht erinnern, daß die Jungs derart viele Melodicpunkeinflüsse an den Tag gelegt hätten. Aber vielleicht hab' ich das auch nur nicht mehr richtig im Hinterkopf. Jedenfalls gibt sich das Cover von "The Purpose, The Passion" bedeutend kämpferischer, ja revolutionärer, als die Platte letztlich ausgefallen ist. Neben dem Punk und dem Melodieanteil ist auch der alte Hardcoreanteil noch spurenhaft vertreten, der das Album nicht völlig im Melopunksumpf versacken läßt. Zwar ist Gitarrist Porcell, wie Bandkopf/Sänger Ray Cappo einst Mitglied der legendären Hardcoreler Youth Of Today, nicht mehr dabei, aber seine NachfolgerInnen Supergrass und Sri (jetzt ratet mal, welche von beiden die Frau ist), deren bisherige Schaffensfelder Baby Gopal, Better Than A Thousand oder Sri (sic!) mir nur namentlich ein Begriff sind, stellen unter Beweis, ebenfalls höchst fähige Leute an den sechs Saiten zu sein. Daß sie in "The Anatomy Of Us" eine bekannte Melodie verhackstücken (woher ist die nur, frage ich mich schon länger), bleibt netterweise eine Ausnahmeerscheinung. Statt dessen schmuggelt man hier und da sogar ein bißchen Metal in die Gitarren - nicht viel, aber immerhin. Klar, richtig originell sind Shelter natürlich nicht, auch Rays Gesang bekommt allenfalls in seiner Variationsbreite einen "Halbwegs eigenständig"-Stempel verpaßt (viel Cleangesang wird von gelegentlicheren shouterischen Passagen aufgelockert, und für die chorus- oder bridgeuntermalenden Backings holte man sich gleich eine ganze Armada von Rays alten Freunden von der amerikanischen Ostküste - mittlerweile wohnt die ganze Band an der Westküste - ins Studio, die sich allerdings auf "Ooohs" beschränkten durfte). Dafür kommt aber haufenweise positive Energie rüber. Studiotrommler Dave Dicenso schlägt meist ein sehr flottes Grundtempo an und sorgt damit dafür, daß von den 14 Songs über die Hälfte nicht die Dreiminutenmarke erreicht und mit dem Opener "True North" der längste Song nach 3:56 min stoppt, und ich gehe mal nicht davon aus, daß sein Ersatz Sean Sellers, der zum Zuge kam, weil Dicenso Professor für Percussions an der School Of Music in Berkeley ist und deshalb nicht mal eben monatelang auf Tour gehen kann, da entscheidend was dran zu ändern vorhat. Apropos positive Power: Shelter selbst als auch ihr Vorgänger Youth Of Today gelten/galten als Vorreiter einer optimistischen Hardcore-Ideologie als Gegenbewegung zu den "harten" Tough Guy-Typen (was mittlerweile aber auch Blüten in Richtung militanter Veganismus getrieben hat - manche Leute sind halt so weit links, daß sie rechts wieder rauskommen und umgekehrt), und Shelter, speziell Ray selbst, beschäftigten sich intensiv mit asiatischen Philosophien wie dem Krishna-Glauben, was in entsprechend spiritualisierten Texten seinen Ausdruck fand. Da ich zur neuen Platte kein Textblatt hier habe, kann ich dazu aber keine Auskunft geben - viele Titel scheinen aber einen kritisch-hinterfragenden Charakter zu haben. "Room To Breathe" und "We Are The Chosen" sind schlußendlich als Bonustracks deklariert, aber eine Erklärung dafür konnte ich nirgendwo finden. Aus dem mid- bis uptempoigen Melopunkcorewall sticht "Inner Garden" heraus, denn hier blüht in der Trockenmauer plötzlich ein samtiges, indielastiges Edelweiß, während ringsumher Blaukissen wuchert. Und der Pflanzenfreund weiß, daß diese beiden Hochgebirgsstauden ein schönes gemeinsames Bild abgeben, selbst wenn sie nicht zu gleicher Zeit blühen. Unterm Strich für Genrefreunde auf jeden Fall einen Gang in den Gartenfachmarkt, ähem, Plattenladen, wert.




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