www.Crossover-agm.de ALEXANDER SCHÄDLER: Temporaris
von jmt

ALEXANDER SCHÄDLER: Temporaris   (Eigenproduktion)

Mit "Temporaris" legt der freiberufliche Live- und Studiogitarrist Alexander Schädler, der in den 1990er Jahren in den Formationen Shifty Sheriffs und Love Like Blood spielte und 1999 bis 2006 in Stuttgart Gitarre im Fachbereich Jazz- und Popularmusik studierte, sein Solodebüt vor, und solo heißt hier tatsächlich solo: Schädler komponierte fast alle Titel, spielte oder programmierte sämtliche Instrumente (Gitarren, Banjo, Klavier/Keyboard, Schlagzeug u.a.) und elektronischen Effekte und produzierte das Album im eigenen Studio. Alles selbst zu machen bedeutet: keine Diskussionen mit Bandkollegen über die musikalische Ausrichtung, kein von irgendeinem Management gefordertes Anbiedern an den Musikgeschmack einer vermeintlichen Zielgruppe, stattdessen die Möglichkeit, kompromiss- und schrankenlos die eigenen musikalischen Ideen auszuleben, so verspielt, bizarr, verrückt sie auch sein mögen. Bedeutet freilich auch: kein Zusammenspiel unterschiedlicher Musiker, kein Live-Feeling. Das Resultat ist sehr abwechslungsreich, immer hochvirtuos, es schöpft aus dem gesamten Fundus der Musikgeschichte, schert sich nicht um Genregrenzen oder Hörgewohnheiten, es ist mithin das Gegenteil von Mainstream. Weiterer großer Pluspunkt: Alexander Schädler spielt ausschließlich Instrumentalstücke, kein beliebiger Gesang stört seine vielschichtigen Kompositionen, sein stilistisch und klanglich vielseitiges Gitarrenspiel, die ungemein dichten Arrangements.
Das Eröffnungsstück "Summerside" legt bereits Zeugnis ab vom technisch-handwerklichen Können des Meisters, vermag mich jedoch musikalisch noch nicht vom Hocker zu reißen. (Meine Söhne, 8 und knapp 4 Jahre jung, hotten sofort ab; ihnen genügt es einfach, wenn da eine E-Gitarre erklingt.) Dann aber geht es zur Sache; drei Titel der Platte sind so irre, dass sie schon etwas Albtraumhaftes haben: das zappaesk-jazzig-rockige "Freakk Phunk", das seinen Namen zu recht trägt - ein Freak muss man schon sein, um sowas zu spielen, rasante, schräge Melodiefetzen in ungewöhnlichen Tonskalen, die sich dennoch nach wiederholtem Hören in mir als Ohrwürmer festgehakt haben; "No Need To Practise" vereint in krassen eineinhalb Minuten Metal, Romanze und Polka; "The Machinist" steckt voller Schwermetall, vertrackter rhythmischer Brüche, bedrängender Gitarrensoli - im Stahlwerk wird hart gearbeitet. "Creepy Cheese" kommt deutlich gefälliger daher; stilsicher beweist Schädler hier, dass er "beide Arten von Musik" beherrscht: Western und Country. Ländliche Idylle verströmt auch der Schunkelschlager "Aus Böhmen kommt die Musik", allerdings gehörig verhardrockt, und Peter Alexander rotiert fröhlich im Grab dazu. "Perturbado" ist eine Hommage an die spanisch inspirierte Gitarrentradition von Paco de Lucia & Co. "Potpourrix" eignet sich für ein heiteres Melodienraten - zehn Klassiker des 18. und 19. Jahrhunderts werden in einem musikalisch gewitzten Stilmix wunderschön neu interpretiert. Das "Irish Tune" - Folkrock mit einer Prise indischer Würze. "Temporaris" rockt noch einmal richtig, wechselt nach einigen Brüchen in eine konventionellere Kadenz und klingt schließlich in einer ruhig dahingleitenden Gitarrenschleife aus.
Meinen Kindern gefällt die Platte offenbar sehr gut, meiner Frau ist das "e bissl zu vüll des Guten", aber sie erträgt's mit Fassung. Keine Musik zum Nebenbeihören beim Abendbrot; diese Musik fordert den aufmerksamen, offenen Zuhörer.
Kontakt: https://de-de.facebook.com/AlexanderSchaedler/

Tracklist:
Summerside
Freakk Phunk
Creepy Cheese
Aus Böhmen kommt die Musik
No Need To Practise
Perturbado
The Machinist
Potpourrix
Irish Tune
Temporaris



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