www.Crossover-agm.de SCAPELAND WISH: The Ghost Of Autumn
von ta

SCAPELAND WISH: The Ghost Of Autumn   (Eigenproduktion)

Hm, die ganze Platte siebzig Minuten, allein der Opener neun: Unwahrscheinlich, dass mir die CD einer Band vorliegt, die nicht im Progressive-Nest ihre Eier legt. Unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich unmöglich. Scapeland Wish weisen zwar mit ihren langen (und leider nicht nur das, dazu später) Songs und ihrem 80er-lastigen Liedmaterial einige Parallelen zu Bands wie Pink Floyd (Gitarrensoli), Marillion (Gesang und Melodien) und Eloy (Qualität) auf, gehen aber insgesamt eher geradlinig zu Werke, verzichten auf allzu radikale Breaks und lassen auch experimentelle Akte außen vor. Das ist es unglücklicherweise auch, was "The Ghost Of Autumn" auf die Dauer seiner Spielzeit zum Nachteil gerät. Denn relativ konservativ gestricktes Sonwriting, wenn man hier überhaupt mit dem Begriff "konservativ" operieren darf, hindert das Trio nicht daran, ihre Songs bis auf knapp zehn Minuten in die Länge zu ziehen. Wenn dazu auch noch zwingende Hooklines fehlen, ist das Resultat unvermeidlich ein gewisser Kaugummieffekt, der sich durch harsche Kürzungen oder interessante, weil vielschichtig komponierte und arrangementbezüglich wohltemperierte Stücke hätte vermeiden lassen können. "The Ghost Of Autumn" wird eröffnet vom angezerrten Rocker "Misty's Cage". Hier kommen bereits die oben genannten Einflüsse zum Tragen und der Umstand, dass Sänger Josh Ramirez nach viereinhalb Minuten (also der Hälfte des ganzen Songs) sein Mikrophon bis auf weiteres in die Ecke stellt, erregt noch kein Missfallen. Mit ausführlichem Gitarrensolo rauscht man in "The Highway". Der Verzerrer wird ausgeschaltet und beinahe sechs Minuten wird Akustikrock zelebriert. R.E.M.-Hooklines gehen "The Highway" aber ab (oder überhaupt wohlig-warme Mitsinganwärter, die einen markanten Charakter besitzen) und so richtig überzeugen kann auch das Gitarrensolo nicht von der Tatsache, daß das Ganze eben nicht schon nach dreieinhalb Minuten ein Ende findet. Dies ließe sich ja einmal vertragen, leider kommt mir dieser undankbare Gedanke aber im weiteren Verlauf der Platte nicht nur einmal wieder ins brachliegende Kleinhirn. "Fever Dream" beispielsweise bietet zwar ein paar richtig poppige Melodien an, beinhaltet aber wie selbstverständlich einen Instrumentalteil, der weder Fisch noch Fleisch noch sonstirgendwas, sondern schlicht und wenig ergreifend ein dröges Anhängsel, ein fünftes Rad am Wagen ist und das eiert auch noch. "Ostrich Alternative" startet mit einem Slapbass und einem rasanten Drumbreak und dauert nur 4:40 Minuten. Kevin Forsberg aber füllt diese Zeit ausschließlich mit Gitarrensoli, die leider nicht genug Originalität und Gefühl besitzen, um vier Minuten davor zu bewahren, unter die Rubrik "eher vergeudet" zu fallen. Dabei beweist "Nemo", dass der Mann durchaus anders kann. Auch hier zieht sich die solierende Gitarre wie ein Strang durch sämtliche fast fünf Minuten. Allerdings hat man Pink Floyd-like das Ganze schlau mit einem atmosphärischen Keyboardteppich unterlegt und Forsberg legt mehr Wert auf große Harmonien und angedeutete Sphärik, so dass sogar der mechanische Drumbeat nach ein paar Anläufen seinem Gewöhnungseffekt gerecht wird (und der hat am Anfang wirklich gestört ...). Auch, wenn die Gitarre zugunsten gesangslastigerer Lieder in die zweite Reihe rutscht, sind Scapeland Wish keine musikalischen Stümper. Der Titeltrack "Ghost Of Autumn" ist ein straighter Rocker ohne großen Firlefanz und das getragene "Inner Space" lockt mit Vielgestaltigkeit, guten Arrangements und streckenweise überraschend harten Gitarren. Unter die Sieben-Minuten-Marke schaffen es aber auch diese Songs nicht und dies fällt einem als Hörer leider auf. Im hinteren Teil von "The Ghost Of Autumn" haben sich nichtsdestotrotz die Perlen des Albums versteckt: "The Willow Song" ist einfach ein schöner Song, der in seinen zweistimmigen Gesangsparts ein klein wenig die Beatles durchschimmern lässt und gut für das Folgende einstimmt, das dann ist ... "Fading Lights", welches Marillion ein klein wenig den Hof macht. Besonders Ramirez' Gesang erinnert im zweiten Drittel, also von Minute drei bis sechs, frappant an Steve Hogarth und die meditative Gitarrenbegleitung hätte auch auf "Misplaced Childhood" erklingen können. Warum nutzt man solche seine Stärken nicht über den Lauf des ganzen Albums aus? Pink Floyd standen hier in mancherlei Hinsicht Pate, aber eine Platte von Pink Floyd dauert im Regelfall (also wenn man "The Wall" ausklammert, denn dieses Album ist, wie die meisten Konzeptalben auch heute noch, nicht darauf konzipiert, ein Regelfall zu sein) nicht viel länger als eine Dreiviertelstunde. Scapeland Wish wären, da bin ich mir sicher, in der Lage, eine CD mit guten, atmosphärischen oder straight-groovenden Titeln aufzunehmen. In der überzogenen Form, in der hier aber teilweise recht - Entschuldigung - banaler Rock verbraten wird, reicht meine Gänsehaut jedoch nicht der Band zu Ehren, gar nicht. Dabei schätze ich die Musiker auf mindestens fünfunddreißig (die Achtziger müssen sie zumindest verinnerlicht haben, denn um permanente Vergleiche mit den genannten Bands kommt man hier nicht drumherum). Da weiß ich nicht, ob das zum Schmunzeln oder zum Aufregen reicht! "I Can't Explain ..." singt Ramirez in "Autumn" und wird langsam ausgeblendet. Vielleicht hat er Recht.
Infos: www.scapelandwish.com

Tracklist:
Misty's Cage
The Highway
Reflection
Feverdream
Ostrich Alternative
The Ghost Of Autumn
Inner Space
Nemo
The Willow Song
Fading Light
Autumn



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