www.Crossover-agm.de SCAPELAND WISH: Reason
von rls

SCAPELAND WISH: Reason   (Eigenproduktion)

Progsounds der eher ungewöhnlichen Sorte stehen in vierzehnfacher Ausführung auf dieser CD. Das Trio ScapeLand Wish aus den US von A lullt den Hörer erst mit fast balladesken Tönen der Preisklasse "allenfalls gemäßigt stromverstärkt" ein, um ihn dann mit wenigen harten Riffs zu wecken, bevor man wieder in entspanntere Musizierweisen zurückfällt. Das ist also ganz und gar kein Progmetal, und hier und da tue ich mich sogar mit dem "Rock"-Terminus schwer, so etwa bei "Utopia", das auch Elton John hätte schreiben können. Das diesem an dritter Stelle folgende "As A Child" ist mit 7:22 Minuten nicht nur der längste Track, sondern auch einer, der nach dem erwähnten Schema vorgeht und in den ausgedehnten Mittelteil zwischen reichlich halbakustische Gitarren und ein paar klassische Hardrockleads aus der Tommy Bolin-Schule auch ein fettes tiefes Riff mogelt. Aber wie erwähnt haben solche Momente eher Seltenheitswert - Mike Stiskal und Kevin Forsberg, die für die Saitenarbeit zuständig sind, lieben ausgefeilte Undistorted-Parts, wodurch "Snow In Santa Fe" fast einen Schlenker Richtung Trans-Siberian Orchestra bekommt, wohin es auch schon allein des Titels halber gut passen würde. Anhand der Gitarrenarbeit kommt mir in diesem Track auch mehr als einmal Joe Satriani in den Sinn. Eher in die Kerbe von Yes oder Spock's Beard schlägt dann der Titeltrack - nicht zuletzt wegen der mehrstimmigen Satzgesänge; beide erwähnten Bands hätten aus seinen 4:18 Minuten aber wahrscheinlich mindestens die doppelte Länge gemacht, zumal der Song selbst schon quasi dreigeteilt ist mit dem eher Yes-artigen Anfang/Schluß und einem fast gothic-verdächtigen kurzen zweiten Teil mit Männlein-Weiblein-Vocals (nicht etwa eine Grunz-Elfen-Kombination allerdings!). Das kurze Interludium "The Tonight Show" beweist, daß die drei Amerikaner auch den Blues verinnerlicht haben, bevor "Before The Absence" wieder zur reinen Prog-Lehre zurückführt, die besonders der Folgetrack "Absence Of A God" eindrucksvoll demonstriert, der im Refrain schon fast kopistisch an Spock's Beard klebt, im Solo mit einem unvermittelten Orgelpart aber den ursprünglichen Sinn des Terminus "progressiv" wieder hervorgräbt. Ins "Heart Of The Andes" wünschte ich mich beim Hören des gleichnamigen Tracks auch - hier gehen ScapeLand Wish kurioserweise so weit, in das chorusartige Element Harmonien aus Gitarren und Keyboards einzubasteln, die hier in Europa zu Zeiten von Heinrich Schütz, also in der tiefsten Renaissance, in Mode waren, und Schütz hat die Anden nachweislich nie in natura gesehen. Sechs Minuten Lautmalerei vom Allerfeinsten! Die darauffolgende "Brave New World" erfordert gemäß ihrer Charakteristik natürlich einesteils einige härtere Riffs und andererseits einen bedeutend hektischeren Grundrhythmus. Dieser Song läßt erstmals Erinnerungen an eine weitere große Progband aufkommen: Die melodischen Gestaltungen rings um den Chorus ähneln etwas denen, mit welchen Rush zu arbeiten pflegen. Die schönste Liebeserklärung der letzten Zeit transportiert "Arms Around You", die ich hier aber nicht wiedergeben kann, da ich dazu allenfalls den Text abtippen könnte - ich fände einfach keine besseren, ausdrucksstärkeren und zugleich einfacheren Worte (vorgestern war ja Valentinstag, fällt mir da so ein - ist es also Zufall, daß ich dieses Review gerade heute schreibe?). Musikalisch bildet dieser Track übrigens eine Art "erwachsene Version" des Mr. Big-Hits "To Be With You". Noch einige der seltenen harten Riffs fährt "Chinese Spare Ribs" auf, verschont uns allerdings mit den ebenfalls im Rahmen des Möglichen befindlich gewesenen fernöstlichen Melodieskalen, die mittlerweise auch schon recht omnipräsent im Musikschaffen sind. Dafür gibt's hier ein paar eingesampelte Vocals, aber man frage mich nicht, was diese für eine Bedeutung haben. Vielleicht unterstützen sie die Bookletzeilen, die wohl das Motto von ScapeLand Wish darstellen: "Think! Look! Deeper! Understand! Read between the lines! Understand the meaning! Open up your mind! Know the passion! Feel the passion! Be the passion! Let these thoughts bombard your senses! Sing the mind!" Damit heben sich die drei Amis wohltuend vom Gros ihrer Landsleute ab, die eher eindimensionalen, jedenfalls oberflächlicheren Denkschemata nachhängen und deren Prototyp ein gewisser George W. Bush ist. Den könnte das Instrumental "Silver Sleep" ruhig mal in selbigen versetzen, damit er erst 2008 wieder aufwacht, wenn seine zweite Amtszeit vorüber ist. Aber da wohl eher nicht mit solch einem Szenario zu rechnen sein dürfte, kommt das abschließende "Take The Lead" zum Zuge, und folgerichtig geht's hier bisweilen noch einmal etwas härter zu Werke, ohne daß ScapeLand Wish sich aber irgendwie einem Metalpublikum anzubiedern versuchen (trotz der wenigen heftigen Sekunden im Mittelteil). In dieser Band sind musikalische Überzeugungstäter am Werk (neben den bereits genannten Mike Stiskal - Baß, Keyboards, Akustikgitarren, Backings - und Kevin Forsberg - Akustik- und Stromgitarren - sei der Dritte im Bunde, Sänger/Drummer Josh Ramirez, nicht unterschlagen), die machen, was sie wollen. Und das, was sie machen, das machen sie mindestens gut, oft sehr gut und manchmal exzellent. Proggies sollten (vielleicht nachdem sie noch das Interview auf www.durp.com gelesen haben) auf jeden Fall mit ScapeLand Wish, 36 Hanover Street, Stamford, CT 06902, USA, gretchen@scapelandwish.com, www.scapelandwish.com Kontakt aufnehmen.
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver