www.Crossover-agm.de SAFURA: It's My War
von rls

SAFURA: It's My War   (Zaphire Records)

Safura wurde vor dem 29.05.2010 als schärfste Konkurrentin von Lena M-L beim Finale dessen, was im Volksmund immer noch Grand Prix heißt, gehandelt, mußte sich aber an besagtem Abend mit dem fünften Platz begnügen. Nun liegt ihr Debütalbum "It's My War" vor und wird logischerweise von "Drip Drop", dem Wettbewerbsbeitrag, eröffnet - und der entpuppt sich nach mehrmaligem Hören als gar nicht mal so schlecht, wenngleich von Eigenständigkeit, Originalität und ähnlichen Attributen keine Rede sein kann. Eine bombastische Orchesterhalbballade ist das, und besonders die eigentlich mehr als Bridge fungierende "Can I love you forever"-Passage entpuppt sich als Ohrwurm, der das "Drip Drop"-Geholper wie einen Appendix hinter sich herzieht. Natürlich kommt nahezu der gesamte musikalische Unterbau aus der Konserve, aber das verhehlt das Booklet ehrlicherweise auch gar nicht erst - die einzigen angegebenen Mitmusiker sind drei Damen an den Backing Vocals, und falls tatsächlich jemand die gelegentlichen Gitarren und die hier und da zu vermutenden natürlichen Drums eingespielt haben sollte, so verbleibt er in der Anonymität. Wer hier irgendwas an Lebendigkeit sucht, wird also nicht fündig, aber dieses gewisse Gefühl der Sterilität stört die Hauptzielgruppe bekanntlich sowieso nicht. Vergeben wurde allerdings auch die Chance, "It's My War" in geographischer Hinsicht originell zu machen - die Sängerin kommt aus Aserbaidshan, aber anhand der Songs könnte sie auch in Timbuktu, New York oder Nordhausen aufgewachsen sein. Dieser kosmopolitische Ansatz (nicht im Sinne von übergreifend, sondern im Sinne von eingeschränkt) ist auch kein Wunder, schließlich stammen die Songwriter und Produzenten ausnahmslos aus Schweden. Daß man dort gepflegte Popmusik produzieren kann, weiß die Welt spätestens seit Abba, aber gerade deswegen wäre es reizvoll gewesen, hätte man Safuras individuelle Stärken in den elf regulären Songs noch etwas stärker herausgearbeitet. Daß die junge Aserbaidshanerin singen kann, steht außer Frage, weshalb die in etlichen Songs eingesetzte elektronische Verzerrung der Stimme durchaus unangenehm berührt - ihre natürliche Stimme weiß deutlich besser zu gefallen. Und dann steckt noch etwas ganz anderes in ihr, was man beispielsweise in "Something Bigger", einem der stärksten Songs des Albums, in einer Bridge versteckt hat: eine leicht rauchige, angerauhte, blueskompatible Röhre, die man einer 17jährigen in dieser Form so gar nicht zugetraut hätte. Wäre durchaus spannend, wenn der Name Safura in der Zukunft mal für eine entsprechende musikalische Ausrichtung gehandelt würde, dann allerdings auch an der Spitze einer kompetenten und eingespielten Band. Einige der Songs von "It's My War" könnte man hierfür durchaus umarbeiten und sie bei der Gelegenheit auch noch etwas entschlacken. Weniger ist nämlich manchmal mehr - diesen Grundsatz haben etliche der beteiligten Produzenten/Songwriter (und auch die Makeup-/Friseurfraktion) an manchen Stellen unvorteilhafterweise außen vor gelassen. Nehmen wir mal "March On": Eigentlich ein guter Popsong, sollen ihm offensichtlich die hektischen Rasselschläge auf die Snare ein gewisses dramatisches Marschfeeling verleihen - aber dieser Versuch geht leider völlig in die Hose, das Gerassel macht den Hörer nur nervös. Passagen dieser Art gibt es mehrere auf "It's My War", und sie rauben einem doch etliche Prozente des Hörgenusses, falls man nicht zu der Fraktion gehört, die sagen wir mal Pfefferminzsoße auf Wildschweinbraten gießt. Auch der Titelsong hätte in etwas entspannterer, reduzierter Variante eine richtig gute Kuschelballade abgegeben, wirkt in der vorliegenden Fassung aber teils überladen (bevor die "Political correctness"-Fraktion aufschreit: Es geht textlich um belanglose private Dinge, nicht um Nachtreten ohne Ball wegen Bergkarabach oder ähnlicher Konflikte - hier ist der fehlende Regionalbezug ausnahmsweise mal von Vorteil). Gewisse Reize übt dagegen das Intro von "Soulless" aus, wenn man als Hörer denn auf alten 80er-Pop synthetischer Prägung steht - auch der Rest des Songs tendiert etwas in diese Richtung, was ihn etwas vom Rest des Albums abhebt. Außerdem kommt auch hier wieder ganz kurz diese rauhere Färbung in Safuras Stimme, die ein wenig an andere 80er-Ikonen erinnert: Juliane Werding und Pe Werner. Die beiden hätten übrigens auch "That Means You Don't" in ihr Repertoire aufnehmen können - klassischer Pop mit ganz leichter Rocktendenz und leichtfüßig-flottem, erfreulich natürlich anmutendem Refrain, ergo eines der Highlights auf "It's My War". Danach folgt als Abschluß der regulären knapp 40 Minuten Albumdistanz noch der bereits erwähnte Titeltrack - das sehnsuchtsvolle Intro und die sehr fragile erste Strophe lassen gar richtig Großes erhoffen, aber die Energiesteigerung, die nach zweieinhalb Minuten eingeleitet wird, tut dem Song nicht gut, wenngleich man sich mit jedem Hördurchlauf stärker an sie zu gewöhnen beginnt. Vielleicht erweist sich der Song nach 20maligem Hören dann doch in seiner Gesamtheit als integraler Albumbestandteil und damit als ein weiteres der insgesamt noch zu spärlich gesäten Highlights in den knapp 40 Minuten. Den Rest der Spielzeit von knapp 48 Minuten bilden noch zwei Remixe von "Drip Drop", über die der Teil der Welt, der weder Stromlinien-Dancefloor mit gitarrenähnlichen Synthies noch sphärischen Pseudoelektro mit hochgradig nervenden Tropfgeräuschen mag, besser hinwegskippt. So liegt ein durchaus interessantes Debütalbum der jungen Sängerin vor, das aber in verschiedenster Hinsicht noch keineswegs der Weisheit letzter Schluß ist und für dessen Programmierung in der heimischen Jukebox einige Titel genügen dürften. Schlußendlich: Der Verdacht eines gewissen Schnellschusses wird durch das Nichtvorhandensein irgendwelcher Kontakt-URLs im Booklet, das zugrundeliegende Problem des Nichtvorhandenseins überhaupt einer offiziellen Homepage, die orthographischen Fehler in der Danksagung und die Tatsache, daß sich Booklet und Inlaycard in der Frage der Kommasetzung bei "From Her, From Love" nicht so ganz einig sind, genährt.
Kontakt: http://safura.eurovisiontalents.com/de/

Tracklist:
Drip Drop
March On
Runway
Something Bigger
Glass House
From Her, From Love
Too Many Times
Gonna Let You Know
Soulless
That Means You Don't
It's My War
Drip Drop (Remix 1: St Destiny Remix)
Drip Drop (Remix 2: Success Remix)



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