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von ta

RETROHEADS: Retrospective   (Unicorn Records)

Was soll man bei diesem signifikanten Bandnamen noch sagen? Genauso wie ihre Labelkollegen Kaos Moon bemühen sich die Retroheads um ein Wiederbeleben des traditionellen Progressive Rock. Stellt man beide Bands gegenüber, wird aber leicht auffallen, dass mit "Retrospective" von den Retroheads die partiell noch weiter zurückweisende (bis tief in die 70er), kompliziertere und auch auffälligere Platte vorliegt. Die Retroheads erschaffen in einer Stunde eine weiträumige Weltraumatmosphäre - was sollte auch ein Weltraum, der eng ist? - und unterstützen das musikalische Bild um ein passendes visuelles auf dem Cover des vierseitigen Booklets. Schwebende Synthieflächen bestimmen den Bildersturm, gesungen wird prinzipiell so wenig wie möglich, instrumental soliert wird dafür umso mehr. Wenn man die Ozric Tentacles ihrer Pilze berauben und sie dann mit mittelalten Genesis kreuzen würde, hätte man sicherlich ein ähnliches Ergebnis, wie es jetzt in Form von "Retrospective" vorliegt.
Sämtliche Einzelkomponenten des Albums sind gelungen: Die Soli sind atmosphärisch bis abgefahren, alles beides z.B. im zehnminütigen, famosen Opener "Earthsong", latente Chaosträchtigkeit in Richtung Spätneunziger-King Crimson (Harmonien töten, Hörer erschrecken) wird in spacigen Auffangbecken abgefedert, man höre in "Judgement Day" oder "Urban Flight Daylight" hinein, alle Experimente gliedern sich passgenau ein - hierbei muss unbedingt die kongeniale Vermengung von Keyboard und Stimme im abstrakten mittleren Solopart von "Judgement Day" genannt werden -, der Gesang von Tore Bo Bendixen und seiner gleichnachnamigen weiblichen Begleitung Ann-Kristin ist wunderbar, weil gefühlvoll und dezent (nachzuvollziehen im seinem Titel alle Ehre machenden "Dreams"), auf die technischen Fertigkeiten der Musiker muss sicherlich nicht extra hingewiesen werden. Das hier ist einfach große Musik für weite Köpfe und gegen enge Räume.
Kritisieren lässt sich sicherlich die fehlende Abwechslung. Letztlich laufen alle Songs nach dem selben Strickmuster ab: Auf ein spaciges Intro wird eine Strophe gesetzt, ggf. noch ein Refrain, es folgt die Hauptsache, nämlich endlose spacige Soli, mit denen schließlich alles endet. Der praktische Nachvollzug dieses Musters hört nicht mit jedem Song auf, Spaß zu machen, weil die musikalische Umsetzung das eine wie das andere Mal zum Mitgrooven und Hinwegschweben gemacht ist, aber es stört auch nicht, wenn man nach dem vierten Song schon weghört, weil man nichts zwingend Neues mehr verpasst. Oder vielleicht doch? Immerhin fällt "Urban Flight Delight" ein Stück weit aus dem Rahmen, weil hier erstens sehr viel gesungen und zweitens sogar leicht aggressive Vibes versprüht werden. Und außerdem: Wer bricht eine Reise schon ab, bloß weil die Attraktionen (fast) immer dieselben sind?
"Retrospective" ist ein richtig gutes Album von Retroheads und für ebensolche geworden. Schade, dass die wenigen Texte, die gesungen werden, nicht mit abgedruckt worden sind. Eine markige Zeile wie "Survival Of The Fatest" weckt zumindest das Interesse nach mehr. Klasse.
Kontakt: Unicorn Records, C.P. 95015 Lorraine, Quèbec, Canada, J6Z 4P1
www.retroheads.com; www.unicornrecords.com.

Tracklist:
1. Earthsong
2. Man
3. Judgement Day
4. Dreams
5. World Reveal
6. Starry Night
7. Urban Flight Delight
8. Taking My Time
9. The Fool



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