www.Crossover-agm.de CAROLE DAWN REINHART: The First Queen Of Trumpet And Her Best Recordings
von rls

CAROLE DAWN REINHART: The First Queen Of Trumpet And Her Best Recordings   (Membran)

"Trompetenkonzerte" weisen die Inlayseiten aus, wenngleich das nicht ganz zutrifft, denn unter diverse Trompetenkonzerte haben sich auf dieser Doppel-CD auch etliche andere Werke gemischt: Händels "Wassermusik" etwa, Jeremiah Clarkes Hit "Trumpet Voluntary" (auch bekannt als "Prince Of Denmark's March") oder drei Baßarien mit obligater Trompete aus großen Barockwerken. Auch die Konzerte und die Wassermusik sind nicht zwingend mit allen zugehörigen Sätzen auf der Scheibe gelandet, obwohl zumindest bei einem CD-Release die Spielzeit mit jeweils knapp über 50 Minuten nach oben durchaus noch Reserven offengelassen hätte (etwas anders sieht das schon aus, falls es auch eine Doppel-LP gibt). Freilich ist diese Veröffentlichung ja auch nur als Einstieg für den interessierten Hörer gedacht, der sich dann bei Gefallen entweder noch die vollen Einspielungen (sofern erhältlich) oder auch andere Aufnahmen der amerikanischen Trompeterin (wiederum sofern erhältlich) zulegen kann. Die drei Gesangsnummern beispielsweise stammen komplett von der CD "Jauchzet Gott in allen Landen", die als Einspielung der Sopranistin Lucia Popp vermarktet wird; neben Reinhart und dem Bassisten Jorma Hynninen agiert dort das Amsterdamer Kammerorchester unter Marinus Voorberg, während wir in den "gesangslosen" Aufnahmen zum einen die Münchner Philharmoniker unter Marc Andrae, zum anderen die Deutschen Bachsolisten unter Helmut Winschenmann hören.
Reinhart, die nach ersten Studien in ihrer amerikanischen Heimat in Wien zu der großen Trompeterin gereift ist, die sie dann über mehrere Jahrzehnte darstellte, hat für die vorliegenden Aufnahmen hauptsächlich barocke Werke gewählt, schielt aber auch zur Klassik hinüber, wobei gleich das eröffnende D-Dur-Konzert von Leopold Mozart einen interessanten Grenzgänger darstellt - hier steht einerseits noch Händels Tonwelt vor dem Hörer, aber in ungewöhnlicher, vorausweisender Form. Der "Rest" von CD 1 ist dann durchgehend im Barock verortet, allerdings durchaus in verschiedenen Subepochen. Reinhart läßt technisch erwartungsgemäß nichts anbrennen, auch wenn man über Einzelfälle sicherlich diskutieren kann, etwa den etwas angestrengt wirkenden Übergang in den Schlußton der "Wassermusik"-Ouvertüre. Was sie auch in extremen Lagen leisten kann, zeigt der Schluß des ersten Allegro aus Johann Friedrich Faschs D-Dur-Konzert. Insgesamt spielt sie allerdings mit erstaunlich wenig Kraftaufwand, was dem Energietransport indes keineswegs schadet. In den Aufnahmen mit Hynninen ist das Klangbild generell etwas gedeckter, was allerdings nur in den direkten Übergängen stärker auffällt, etwa aus dem "Wassermusik"-Bourrée in die "Messias"-Arie "Sie schallt, die Posaun'" (die übrigens in der Besetzung ohne Posaune auskommt - aber da muß halt Hynninen den Posaunenherold mimen und Reinhart als "Posaunenersatz" agieren). Der eingangs erwähnte "Hit" von Jeremiah Clarke schließt CD 1 kongenial ab - einerseits hört man ihn gern immer wieder (und noch dazu in einer so guten Einspielung), andererseits ist er auch für Reinharts Karriere nicht ganz unwichtig gewesen: Da die Trompeterin durchaus auch optisch ihre Qualitäten hatte, konnte sie von den Medien entsprechend in Szene gesetzt werden, und in den Zeiten, da man noch klassische Musik zur besten Sendezeit in der ARD zu hören und zu sehen bekommen konnte, wurde Reinhart mit einem Auftritt in René Kollos aus heutiger Sicht etwas antiquiert betitelter Show "Weltberühmte Künstler - Unsterbliche Melodien" einem breiten Publikum jenseits der "Klassikexperten" bekannt.
CD 2 weist mit den beiden "rahmenden" Werken weiter in die musikalische Zukunft (wie schon bei Leopold Mozart sind hier die Münchner Philharmoniker am Werk): Joseph Haydns Es-Dur-Konzert und Johann Nepomuk Hummels in der gleichen Tonart stehendes Werk, beide schon eindeutig klassisch, fallen allein schon quantitativ auf, indem die Eröffnungssätze jetzt nicht mehr zwei Minuten wie im Barock, sondern sechs oder gar neun Minuten dauern, was dem durchzuhaltenden Spannungsbogen neue Herausforderungen verleiht. Gerade beim Hummel-Konzert, das CD 2 eröffnet, überzeugt aber der wunderbar "schmalzige" Andante-Satz am stärksten, wobei ihm das abschließende Rondo-Allegro (noch so ein Blechbläser-"Hit") aber kaum nachsteht. Im Andante des Haydn-Konzertes wiederum entdeckt man ein Melodierecyclingprodukt, das in zumindest partiell ähnlicher Form als "Gott erhalte Franz den Kaiser" und in einem noch anderen Kontext bekannt geworden ist, während das Schluß-Allegro wiederum ein "Hit"-Eigenleben zu führen begonnen hat. Enormen Hörspaß machen auch die beiden viersätzigen Sonaten von Giuseppe Torelli und Tommaso Albinoni, die den barocken Gegenpol zu den klassischen "Außenwerken" setzen, während die Bach-Arie "Großer Herr, o starker König" aus dem Weihnachts-Oratorium zwar genau in der Mitte der sozusagen symmetrisch aufgebauten CD steht, aber irgendwie ebendort etwas verloren wirkt, während CD 1 sowieso eher einen Best-Of-typischen Sammelsuriumscharakter aufweist. Der Rezensent hat (mit Ausnahme der erwähnten Popp-CD) nicht nachgegraben, in welchen anderen CD-Kontexten Reinharts Einspielungen derzeit noch zu haben sind, aber für Einsteiger ist diese Doppel-CD definitiv gut geeignet, einen Weg in den Kosmos sowohl Reinharts im speziellen als auch des Werkkanons für Solotrompete im allgemeinen zu finden. Es gibt die Scheibe bei scheinbar identischer Tracklist übrigens noch mit einem anderen Coverartwork in Schwarz-Weiß, das die Trompeterin zudem mit dem Namen "Reinhard" belegt ...
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Tracklist:
CD 1:
Leopold Mozart: Konzert D-Dur für Solotrompete, 2 Hörner, Streicher und Cembalo
  Adagio
  Allegro moderato
Henry Purcell: Sonate in D für Trompete, Streicher und Basso continuo
  Allegro
  Adagio
  Presto
Johann Friedrich Fasch: Concerto D-Dur
  Allegro
  Largo
  Allegro
Georg Philipp Telemann: Concerto D-Dur
  Adagio
  Allegro
  Grave
  Allegro
Georg Philipp Telemann: Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen
  Aria: Er sendet eine Erlösung seinem Volk
Georg Friedrich Händel: Suite D-Dur aus dem Anhang zur "Wassermusik" für Trompete, Streicher und Basso continuo
  Ouvertüre
  Allegro vivace
  Air
  Bourrée
Georg Friedrich Händel: Der Messias
  Aria: Sie schallt, die Posaun'
Jeremiah Clarke: Trumpet Voluntary

CD 2:
Johann Nepomuk Hummel: Konzert Es-Dur für Trompete und Orchester
  Allegro con spirito
  Andante
  Rondo: Allegro
Giuseppe Torelli: Sonata á cinque Nr. 1 D-Dur
  Andante
  Allegro
  Grave
  Allegro
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium BWV 248
  Aria: Großer Herr, o starker König
Tommaso Albinoni: Sonate in C für Trompete, Streicher und Basso continuo
  Grave
  Allegro
  Grave
  Allegro
Joseph Haydn: Konzert Es-Dur für Trompete und Orchester
  Allegro
  Andante
  Allegro



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