www.Crossover-agm.de REIDGRAVES: Lovely As Suspicion
von rls

REIDGRAVES: Lovely As Suspicion   (Secret Shark Records)

Unter dem Terminus Singer/Songwriter pflegt man normalerweise nur eine Person zu verstehen - auf vorliegendem Album sind es aber zwei, und der seltsame Bandname, der normalerweise ReidGraves geschrieben wird, könnte bei manchem Hörer vielleicht schon die Vermutung aufkommen lassen, daß der eine mit Nachnamen Reid und der andere Graves heißen könnte. Das stellt sich dann auch als korrekt heraus, wenngleich mit gewissen Abers. Zum einen hat David Reid, den mancher von der Band The Contrast kennen könnte, das Album mit Hilfe einiger Gastmusiker im Alleingang eingespielt, während Ron Graves, Sozialarbeiter und Altgewerkschafter, die Texte für die 14 Songs beigesteuert hat - zum anderen beginnt "Lovely As Suspicion" mit dem geigendurchwirkten "Arses" zwar tatsächlich wie ein klassisches Singer/Songwriter-Werk (auch wenn die Geige schon jeden Puristen dieses Sektors die Messer wetzen lassen wird), aber schon mit "One Knows" an zweiter Stelle entwickelt sich Classic Rock, und der wird trotz seiner eher zurückhaltenden Herangehensweise immer noch intensiv und hart genug sein, um selbst Anhänger der elektrifizierten Dylan-Phase bedenklich mit dem Kopf schütteln zu lassen. Für Schubladendenker ist dieses Projekt also definitiv ungeeignet, zumal mit dem drittplazierten "Let Down" und seinem jazzigen Touch (mit kleinen hektischen "Verschluckern" angereichert) schon wieder eine andere Richtung eingeschlagen wird und es letztlich, wie man nach der Stunde Spielzeit feststellt, zwar durchaus Elemente gibt, die die 14 Songs aneinanderbinden, man aber trotzdem bereit sein muß, sich auf eine gewisse Grundvielfalt einzulassen. Die entspricht auch dem Grundkonzept des Albums, das auf dem Promoblatt mit folgendem zentralem Satz beschrieben wird: "The central theme of the album, Lovely As Suspicion, is that both joy and misery inevitably arise from living." Dann folgen diverse Aspekte, die sich zwangsweise aus dem Leben ergeben, allerdings nicht mit dem Hintergrund, dieses jetzt in ein Schwarz-Weiß-Schema pressen zu wollen, denn schließlich gibt es da durchaus Grautöne und nebenbei auch noch jede Menge Farben. Daß sich trotzdem so manches Paradoxon auftut, ist nur zu natürlich - so atmet "Ain't Blues" durchaus Elemente desjenigen Genres, das es laut Titel eigentlich gar nicht darstellen soll. Hier singt übrigens Aimee Reid mit, bei der der Verdacht naheliegt, daß sie in irgendeiner Beziehung zu David Reid steht - und sie macht einen sichereren Eindruck als er, wenn es darum geht, auf einem bestimmten Ton landen zu wollen. Aber auf dieser Platte kommt es häufig eher nicht auf diesen Aspekt an, sondern auf einen bestimmten Ausdruck, und den trifft Reid dann wiederum sicher, auch wenn man hier und da Zweifel hegt, ob das jetzt wirklich genau so klingen mußte, etwa in den schaurig-schönen Backingvocal-Arrangements von "Songs And Beer", die den Verdacht nahelegen, vorm Zusammenmixen von Reids Leadvokalspur mit den Backings von Neil Saunders sei da tatsächlich die eine oder andere Kanne Ale geleert worden. Aber es kommt letztlich immer darauf an, mit welchem Maßstab man an ein derartiges Untergrundprojekt herangeht, dessen Zielgruppe vermutlich mit denjenigen Menschen identisch sein dürfte, die auch auf Poetry Slams gehen und nicht generell der Musik abgeneigt sind. Trotzdem kann man natürlich auch der Musik etwas abgewinnen, etwa dem zähflüssigen "Childcare" mit seinen psychedelischen Harmonien im Mittelteil, wenn man auf solche steht, während der Song selbst ansonsten eher an die zurückhaltenderen Momente von Anathema erinnert, angereichert allerdings wiederum mit einer Portion Blues. Der Kontrast zum nachfolgenden "Biography" könnte nicht größer sein - hier hören wir flotten fröhlichen Akustikrock, den man trotz fehlender folkloristischer Einlagen als Americana bezeichnen könnte, handelte es sich bei ReidGraves nicht um ein urbritisches Projekt. "Made My Baby Gag" wiederum ist Sechziger-Rock mit abermals psychedelischer Note und diesen typischen Orgelsounds, die man etwa von den Doors kennt. Zur Qualität der Dichtung äußert sich der Rezensent nicht, denn dazu ist sein Englisch nicht gut genug. "The album closes with a straight middle finger held up to the world", sagt der Promotext, womit weniger das collagenhafte "I Hear Footsteps" gemeint sein wird, sondern eher "Sign Up" - das dann aber in positiver Hinsicht, denn hier haben wir wieder flotten Akustikrock mit Pub- und Punknote vor uns, eine Art trotzigen Durchhaltewillens und Tanzes vor dem Hintergrund des Untergangs. Mit normalen musikalischen Maßstäben ist "Lovely As Suspicion" (hintergründiges Artwork übrigens) trotz einiger richtig guter Einfälle kaum zu messen, aber als Gesamtkunstwerk hat es durchaus seinen Reiz.
Kontakt: www.reidgraves.com

Tracklist:
Arses
One Knows
Let Down
Elucidation
Ain't Blues
Songs And Beer
Kent State Massacre
Childcare
Biography
Arithmetic
Gone
Made My Baby Gag
I Hear Footsteps
Sign Up
 




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