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von ta

R.E.T.: The Dark At The End Of The Tunnel   (Crystal Productions)

Nein, auch wenn Reaction Extasy Trance (so die Ausbuchstabierung der Bandinitialen) ihren Plattentitel möglicherweise von My Dying Bride entlehnt haben, deren "The Light At The End Of The World"-Werk 1999 erschien, musikalisch haben die jungen Tschechen/Polen mit den alteingesessenen Briten nicht viel gemein. Zwar huldigen auch R.E.T - grob gesagt - dem Doom Metal, aber - verfeinernd angefügt - sie tun das mit schwesterlicher Hilfe aus dem Gothic-Genre und packen obendrauf noch eine Ladung schräger Keyboards. Das alles hat dann vielleicht etwas von Asgaard zu "XIII Voltum Lunae"- und Atrocity zu "Blut"-Zeiten, ist nur langsamer. Trotzdem klingt das Ergebnis nicht einfach so, wie die Beschreibung vorzugeben scheint.
Was bereits der Opener "Dead Enough" bezeugt. Langsam, schwer, mit bratenden Gitarrenriffs ausgestattet, schleppt sich dieser Track durch seine Minuten. Miroslav Holub setzt mit seinem Synthesizer die kleinen dissonanten Farbtupfer, die das Endergebnis so spannend und ein wenig an die Italiener von Will'O'Wisp erinnernd machen. Definitiv ein großer Song - wozu auch Sänger Yarin Kai Querry seine Scherflein beiträgt, der mit einem Spektrum von heiserem Grunzbrüllen über klaren, dunklen Singsang bis zu heißem Flehen wirklich Emotionen freisetzt.
Sehr obskur fällt dann "Ghost Of Misery" aus: Hier begegnen sich bedrohliche Stille, majestätischer Keyboard-Pomp und schnelle Stakkatogitarren, die von einem polternden Drumcomputer auf 180 bpm zusammengehalten werden. Klingt zusammengenommen äußerst seltsam, kommt ganz ohne Gesang aus und hat mit Doom oder Gothic im Übrigen überhaupt nichts zu tun.
"Downfall" bietet dann tatsächlich so etwas wie eine Hookline feil, ist bei aller Melancholie schön heavy und enthält einige gute Gitarrensoli. Allerdings mangelt es etwas an songimmanenter Abwechslung, ein Merkmal, welches das Album an verschiedenen Stellen latent prägt. Die stilistische Grundausrichtung der Band ist zwar in der Tat einigermaßen originell, aber die Durchführung im Song lässt noch einige Unsicherheiten erkennen. Wenn die Musiker ihre zweifellos vorliegenden Fähigkeiten noch etwas offensiver zur detaillierteren Songausgestaltung nutzen, ist hier in spe einiges zu erwarten. Denn die Basis stimmt, ist eben nur noch etwas grob.
In lateinisch gesungenen "Church Of Stone" gibt es dann ein Dies Irae zu hören, das tatsächlich in einem synthesizerunterstützten Hymnus auf die Erlösung vom Tod über die Auferstehung Christi gipfelt. Gitarren werden nur dezent im Hintergrund eingesetzt, die Vocals tragen den Song alleine. Selbige teilt sich Y.K. Querry mit einer anonym bleibenden Dame, die richtig gut singt. Sonderlich sakral klingt das Ergebnis zwar nicht (besonders ab der zweieinhalbsten Minute hat es eher was von poppiger Heulerei), interessant ist es allemal. Zwei Mirakel bleiben: 1) Weshalb ein solches Wort auf den Messias gekoppelt wird mit einem grafischen Symbol, auf dem Pentagramm, verkehrtes Kreuz und Davidsstern ineinander gewoben wurden (so im Vorspann zum qua CD-Rom-Part enthaltenen Videoclip zu "Eternal Enemy"), weiß wohl nicht mal die Band selbst. 2) Weshalb Y.B. Querry immer gerade dann etwas schräg klingt, wenn er in mittleren Lagen singt, während ihm der Kopfstimmenbereich keine Probleme bereitet, weiß wer auch immer, ich zumindest nicht.
"System Of Salvation" ist der Höhepunt des Albums. Hier werden zwar sämtliche Gothic-Klischees bedient - Mann trifft Frau und bellt sie an, sie flötet zurück, das Keyboard kleistert einen in Moll gehaltenen Teppich darunter, breite Gitarrenakkorde sorgen für ein großflächiges Muster darauf, mittelalterliche Akustikzupfereien stellen die kleinen Verzierungen -, aber in keinem weiteren Song sind die Arrangements so ausgefeilt, wird eine solche Dynamik, ein solch breites emotionales Spektrum entworfen, ohne dass das Ergebnis zerfahren klingt: Wut und Beschwichtigung bilden die Basis eines Gefühlswechselbads, das im Genre des Gothic Metal zum Besten gehört, was mir dieses Jahr an die Ohren kam.
"Eternal Enemy" führt die dynamische, mit Mann/Frau-Duett versehene Linie weiter, fällt aber etwas weniger zwingend aus. Trotz Heavyness und Growling schwebt eine zurückhaltende Stimmung durch die Lüfte, die mir das Ergebnis auch nach x-maliger Einfuhr befremdlich erscheinen lässt. Das ist nichts Schlechtes - die Halbwertszeit des Songs wird dadurch sicherlich verlängert -, hat nur etwas von einer distanzierenden Geste, welche bestimmt nicht intendiert ist (wie zumindest der dramatische Videoclip nahe legt). Auch hier erinnern M. Holubs Keyboards mit ihrer leicht psychedelischen, ausbrechenden Schlagseite an Will'O'Wisp. Das Ergebnis lebt hauptsächlich - und das gilt für sämtliche Tracks - durch den Zusammenklang der für sich relativ simplen Einzelbestandteile. Dies zeigt sich in der Überblicksperspektive nicht zuletzt daran, dass die drei reinen Keyboard-Stücke (das Intro "Out Of The Light ...", das Intermezzo "Blackening" und das Outro "... Into The Dark"), welche bis jetzt unerwähnt geblieben sind, völlig nichtssagend und äußerst langweilig sind.
Summa Summarum: "The Dark ..." ist ein gelungenes Album geworden, das viele gute Ansätze mit vielen guten Ausgestaltungen verbindet. Massives Potenzial ist definitiv vorhanden, technisches Können ohnehin, Kreativität auch, eine differenziertere Ausgestaltung der Songs bezüglich Detailarbeit wie Arrangements, Soloparts und Variationen würde das Endergebnis aber noch ein gutes Stück aufwerten können. Und die etwas holprigen Texte (welche inhaltlich neben dem Genre-typischen Verzweiflungsvokabular auch eine Form religiöser Hoffnung bergen) könnten bis zum nächsten Album, das dann vielleicht etwas länger als 35 Minuten dauert, auch eine Überarbeitung vertragen. Damit aber genug der Meckerei. Tut etwas Gutes für einen hoffnungsvollen Newcomer und werft einen Blick auf www.crystalprod.cz.

Tracklist:
1. Out Of The Light ...
2. Dead Enough
3. Ghost Of Misery
4. Downfall
5. Church Of Stone
6. System Of Salvation
7. Blackening
8. Eternal Enemy
9. ... Into The Dark



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