www.Crossover-agm.de OLIVE: The Awaking
von rls

OLIVE: The Awaking   (Eigenproduktion)

Der Olivenzweig gilt gemeinhin als Symbol der Hoffnung, und die Taube, die Noah nach der Sintflut fliegen ließ, kam bekanntlich mit einem solchen als Zeichen, daß das Wasser zurückginge, wieder zur Arche. Symbole der Hoffnung hat Syrien gerade auch jetzt, da zum Reviewzeitpunkt seit anderthalb Jahren ein blutiger Bürgerkrieg tobt, bitter nötig. Die syrische Band Olive hat sich weiland nicht nur diesen Namen gegeben, sondern auch noch ihr Logo als stilisierten Olivenzweig gestaltet. Mittlerweile ist die Band nicht mehr aktiv, und keiner weiß, was aus den Bandmitgliedern geworden ist, ob sie überhaupt noch leben und, wenn ja, dann wo bzw. unter welchen Bedingungen. Hinterlassen haben sie uns jedenfalls das Album "The Awaking", dessen vorliegende Edition fast das gesamte Bandschaffen auf einem Silberling vereint: Es enthält außer den elf regulären-Albumtracks auch noch die zwei Tracks vom 2004er Demo "Cellar", wobei die Encyclopedia Metallum diese Scheibe auch tatsächlich als Zwei-Track-Demo klassifiziert, während im Booklet von einem "unreleased album" die Rede ist, so daß auch die Möglichkeit besteht, daß es noch mehr Material gegeben hat, das aber in den Archiven geblieben ist. Zudem gibt es noch das Demo "An Evening To Remember" mit Liveaufnahmen der regulären "The Awaking"-Tracks "The Falling" und "Unknown Wish" als Akustikfassungen, welches der CD ebenfalls fehlt, genauso wie das letzte Lebenszeichen der Band, das 2007 erschienene Ein-Track-Demo "Farewell: Doom". Platz wäre nach den reichlich 50 Minuten auf der CD sicherlich noch gewesen, und es wird wohl kaum weitere Auflagen geben - eine kleine verpaßte Chance also, wobei aus dem begleitenden Material nicht genau hervorgeht, wann die vorliegende Edition gepreßt wurde, ob also das finale Demo da überhaupt schon erschienen war oder ob es sich gar um die Erstauflage von 2005 handelt.
Wie auch immer - die Frage bleibt natürlich immer, ob es sich überhaupt lohnt, auf die Suche nach "The Awaking" zu gehen, wenn man nun nicht gerade fanatischer Exotensammler ist. Zunächst fällt die düstere, aber stimmungsvolle und nicht hoffnungslose Schwarz-Weiß-Gestaltung der CD auf, wobei alle Texte im Booklet abgedruckt sind und die CD-Rückseite einen Hain mit gesunden Olivenbäumen zeigt, während das Szenario auf dem Frontcover offensichtlich die Situation nach dem Zurückgehen der Sintflut symbolisieren soll. Relativ schnell bemerkt man auch die eher bescheidenen technischen Mittel, die der Band bei dieser Eigenproduktion in Homs zur Verfügung standen: Das Klangbild kommt mit eher niedrigem Lautstärkepegel und einem leicht verwaschen wirkenden Gewand daher, wobei letzterer Fakt dem atmosphärischen Gothic Metal der Band aber stimmungsmäßig bisweilen sogar entgegenkommt. Das Quartett arbeitet viel mit Akustikgitarren und anderen zurückhaltenden Passagen, richtig zupackende Parts bleiben die absolute Ausnahme. Einigen der Melodielinien hört man ihre orientalische Herkunft deutlich an, und die Klargesänge von Bandkopf Feras benötigen definitiv mehrere Durchläufe, bis man sich an ihre Kombination aus Weinerlichkeit, orientalischer Einfärbung und einer gewissen nicht zu verkennenden Unsicherheit sowohl gesanglicherseits als auch bezüglich der Betonung der verwendeten englischen Sprache gewöhnt hat. Vielleicht hätten sie doch in Arabisch singen sollen, aber sie haben sich eben anders entschieden. Und hier und da wirkt dieser leicht exotische Touch ja auch durchaus stimmungsdienlich, wenngleich er der Band nicht hilft, markante Songs zu schreiben - das ist so ein bißchen die Krux des Albums: Alles fließt dahin, durchaus auch mit interessanten Ausdruckselementen, aber ohne große merkfähige Passagen, sondern nur für den Augenblick gemacht. Freilich entspricht das der Herangehensweise vieler Doombands - gerade die aus dem Funeral-Bereich setzen das geradezu als Stilmittel ein. Vom Funeral Doom sind Olive freilich weit entfernt - sie spielen eine Art lieblichen, romantischen Doom, zu dem Eleanors klare und immer ein wenig ätherisch, aber nicht so dünn wie Liv Kristine damals bei Theatre Of Tragedy wirkende Stimme ihr Scherflein beiträgt. Das genannte Instrumental "The Falling" besteht in der Albumversion übrigens aus spacigen Keyboards, gemischt mit Luftschutzsirenen, maschinenartigen Geräuschen und MG-Feuer, dem später noch ein Klavier, Peitschenhiebe, ein Hubschrauber, Kinderlachen und Wasserrauschen beigemengt werden, was die interessante Frage aufwirft, wie denn von diesem Song eine Live-Akustikversion, wie sie auf dem "An Evening To Remember"-Demo enthalten gewesen sein soll, klingt. Diese Frage können nur Besitzer des besagten Demos beantworten, zu denen der Rezensent nicht gehört. Vielleicht hat man sich bei der Livewiedergabe auch nur auf den hinteren Teil beschränkt, denn ab Minute 4 entwickelt sich plötzlich ein einminütiges, zurückhaltendes Metal-Instrumental, das mit einem Akustikpart ausklingt und stimmungsmäßig in den balladesken Beginn des Titeltracks überleitet. Wie gesagt: Stimmungen erzeugen und lautmalerisch agieren, das konnten Olive zweifellos, und wer diese Tugenden in der Musik schätzt, der kann sich durchaus mal auf die Suche nach "The Awaking" machen. Zu empfehlen ist die CD vor allem auch Anhängern der spanischen Band Elbereth, deren "...And Other Reasons"-Einzling anno 1995 ähnliche Qualitäten entfaltete und nur in puncto Markanz der Einzelsongs deutlich höher zu punkten wußte.
Die beiden Demosongs unterscheiden sich doch ein wenig vom späteren Material, wobei es freilich Zufall sein kann, daß Eleanor in ihnen noch nicht zu hören ist und daß der Anteil metallischer Passagen etwas höher liegt. Möglicherweise waren sie auch noch nicht vollständig ausgearbeitet, wie die etwas unmotivierte Ausblendung von "Cellar" zeigt. Jedenfalls offenbaren sie das Stimmungserzeugungspotential Olives auch schon, sind sogar noch etwas griffiger als das Albummaterial, und eine Kombination aller Tugenden hätte für künftige Alben sicherlich noch Hoffnung bereithalten können. Aber die erfüllte sich nicht, und momentan muß die Hoffnung eher dahingehen, daß die ehemaligen Bandmitglieder überhaupt noch leben, als dahin, daß sie eines Tages musikalische Highlights erschaffen werden. Wünschen wir ihnen das Beste und halten wir derweil "The Awaking" in Ehren.
Kontakt: www.oliveonline.net

Tracklist:
The Olive Garden (Intro)
Human In Aeon Of Savagery
Unknown Wish
My Shadow
Broken Heart
Broken Heart II
A Musical Prologue (Instrumental)
The Frozen Point
The Cross Road
The Falling (Instrumental)
The Awaking
Cellar
Doors



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