www.Crossover-agm.de NORMAHL: INRI 21
von rls

NORMAHL: INRI 21   (Foobar Music)

Mit skurrilen Albumtiteln wie "Blumen im Müll" waren mir Normahl schon früher aufgefallen, aber irgendwie habe ich mich nie näher mit der Band beschäftigt, die anno 1994 in den (scheinbar) ewigen Jagdgründen verschwand, vorher aber eine zweistellige Anzahl an Longplayern veröffentlichte und lange Zeit als wichtige Größe in der Punkszene der Bundesrepublik galt. Ein Schelm, wer die Aussicht auf etwas finanzielle Unterstützung für das musikalische Frührentnerdasein als Beweggrund für die Reunion zu brandmarken versucht - ein fetter Deal ist jedenfalls nicht dabei herausgesprungen, und angesichts der Frische der 13 neuen Songs darf man dem Argument des musikalischen Spaßes an der Sache durchaus Glauben schenken. Zudem beschränkt sich das musikalische Vermögen der Band nicht auf simpelstes Dreiakkordgeschrammel, wenn man andererseits aber auch keine Ausgeburten von musikalischer Komplexität erwarten darf, obwohl man in "Nimm mich mit" gar einen Gitarreneffekt aus der Trickkiste von Monster Magnet ausleiht. Auch tempotechnisch sind Normahl keineswegs zu alten, gesetzten Männern geworden, wie bereits der Opener "CDU" eindrucksvoll demonstriert, obwohl man wiederum nicht durchgehend auf der Hochgeschwindigkeitsschiene fährt, sondern beispielsweise im Cover "Mann aus Eis" auch eine gemächliche Midtemposchiene mit gelegentlichen halbakustischen Gitarren fährt, was "INRI 21" zwar immer noch nicht zu einer stilistischen Revolution macht, aber das war vermutlich auch nicht Sinn und Zweck der Sache.
Die Revolution spricht dagegen wieder mal aus den Texten, wobei Normahl aber das alte Punkproblem auch nicht lösen können: Sie sind dagegen, haben aber keine Alternative. Lars Besa (Sänger und Texter) schießt also in alle Richtungen, nur trifft er nicht immer ins Schwarze. Das Thema von "CDU" beispielsweise hat die Terrorgruppe in "Keine Airbags für die CSU" bedeutend entspannter, dabei aber nicht weniger ernsthaft an den Hörer gebracht. Für "Gott" und "Jesus ist tot" verdient sich der Frontmann ebenfalls je eine Kopfnuß, da er es nicht fertigbringt, zwischen Gott bzw. Jesus und der Organisation Kirche zu unterscheiden. Wer außerdem anno 1993 "Punk ist keine Religion" verkündet und in seinem Infoblatt anno 2002 einen auf den Song "Komm erzähl mir über Punk" gemünzten Satz "Punk ist eben eine Weltanschauung" aufführt, muß sich nach einer stichhaltigen Begründung für diese Divergenz fragen lassen, und eine Antwort auf diese Frage bleiben Normahl ebenfalls schuldig. Strophen wie "Von deiner Freiheit, die du uns immer versprochen hast / blieb stets die Fratze deines Bullenapparats / und aus jeder neuen Zeit, die uns gepredigt wurd', / entstand ein immer bessrer Überwachungsstaat" (aus "Dora D.") erinnern an die Story von den alten Punkern, die erst den alten Slime-Slogan "Polizei SA/SS" skandierten und dann lauthals nach polizeilicher Hilfe schrien, als sie von einer Herde Nazis überfallen wurden, und im gleichen Lied heißt es dann gleich noch "Es gab viele, die für dieses Land was taten / Mit denen fülltest Du manch Knast bis an den Rand" - falls das eine Anspielung auf die RAF-Aktivitätsperiode sein sollte, verscherzen sich Normahl endgültig jede Sympathie bei mir (merke: Terror ist Terror, egal von welcher Seite er kommt). Dann schon lieber ein wertfreier und gut ausformulierter Text über die Kraft einer Beziehung wie "Schneestürme" (obwohl dieser Track musikalisch eher wie eine Tote Hosen-Komposition der zweiten Reihe klingt). Unterm Strich also ein zwiespältiger Release - musikalisch durchaus goutierbar (wenn man denn nicht generell eine Punkaversion hegt), aber textlich stark hinterfragungsbedürftig.
 
 





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