www.Crossover-agm.de MÜNCHNER POSAUNEN QUARTETT: Ouverture
von rls

MÜNCHNER POSAUNEN QUARTETT: Ouverture   (Audite)

"Ouverture" geht als prägnanter Titel für einen CD-Erstling durch, und ein solcher scheint mit "Ouverture" des Münchner Posaunen Quartetts vorzuliegen. Das Booklet verrät nicht, warum die bereits anno 1996 in einer Münchener Kirche getätigten Aufnahmen erst elf Jahre später in CD-Form das Licht der Welt erblicken (ob es sich hier um einen Re-Release handelt, ist aus den Texten nicht zu entnehmen, zumindest weist die Copyrightangabe das Jahr 2007 aus, und das Frontcovergemälde ist laut dem Impressum auch erst 2004 entstanden, so daß eine etwaige frühere Veröffentlichung zumindest anders ausgesehen haben muß), und es stellt zudem die zweifelhafte These auf, daß das Münchner Posaunen Quartett mit besagtem "Ouverture"-Programm seinerzeit das erste Posaunenquartett gewesen sein soll - die konkrete Geburtsstunde des Ensembles bleibt gleichfalls im Dunkeln (einziger Anhaltspunkt ist eben der April 1996, in dem besagte Einspielung getätigt wurde), aber man muß auf jeden Fall die analog besetzten Leipziger von Opus 4 benennen, deren Gründung ins Jahr 1994 datiert (wenngleich hier der CD-Erstling "Von Bach bis Broadway" erst 2004 eingezimmert wurde). Ein wenig nebulös ist das Ganze also, aber wenn man sich der Musik selbst widmet, dann verschwindet ein guter Teil des Nebels von selbst. Originalliteratur für vier Posaunen gibt es bekanntermaßen aus früheren Jahrzehnten respektive Jahrhunderten nahezu überhaupt nicht und aus der jüngeren Vergangenheit auch nicht eben im überbordenden Maße, so daß man sich mit Bearbeitungen behilft, für die im vorliegenden Fall Ensemblekopf Thomas Horch zuständig ist. Eine feste Größe im Repertoire des Quartetts war seit der allerersten Probe eine viersätzige Suite aus Tanzmelodien von Michael Praetorius, und die eröffnet die CD logischerweise auch, damit gleich ein Highlight markierend. Praetorius' klar strukturierte Musik ist in Blechbläserkreisen nicht umsonst ausgesprochen beliebt, selbst der durchschnittliche Dorfposaunenchor hat neben dem Allzeitklassiker "Es ist ein Ros' entsprungen" garantiert noch den einen oder anderen weiteren Praetorius-Satz im Repertoire, und so verwundert es nicht, daß die Tanzsätze auch im klangfarbentechnisch noch stärker als ein neben Posaunen auch noch aus Trompeten und verschiedenen Hörnern bestehender Posaunenchor limitierten reinen Posaunenensemble bestens funktionieren. Schwieriger wird es schon mit Bachs Präludium und Fuge g-Moll BWV 885, denn die typisch Bachsche Polyphonie will erst einmal herausgearbeitet sein, und da wird man hier und da das Gefühl nicht los, hier sei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht worden. Niedliche barocke "Gebrauchsmusik" stellt die vierstimmige Sonate a-Moll von Joseph Bodin de Boismortier dar, und mehr ist auch von dieser Aufnahme hier nicht zu erwarten (was nicht negativ aufgefaßt werden soll). Der nächste Zeitsprung nach vorn endet im 19. Jahrhundert: Rossinis "Wilhelm Tell"-Ouvertüre haben sich in den letzten Jahren schon mehrere Blechbläserensembles aufs Notenpult gelegt, manche nur in der Kurzform mit dem berühmtesten Thema als Fokus, andere in seiner rund achtminütigen Vollversion. Die vier blechblasenden Bajuwaren gehören zur letztgenannten Kategorie und machen mit ihrer Version durchaus keine schlechte Figur. Dennoch kommt das Stück gegen das folgende "Adagio for Strings" op. 11 von Samuel Barber nicht an, denn die äußerst weiche Intonation verleiht dem eher ruhigen, nur einmal kurz ausbrechenden Werk Qualitäten, die wahrscheinlich selbst von einem guten Streichquartett nicht zu erzeugen sind. Auch der Impressionist Claude Debussy hätte sich über manche "fließende" Linie in den drei Sätzen der "Petite Suite" sicher gefreut, wenngleich man gerade "Golliwogg's Cakewalk" vielleicht doch noch ein wenig stärker hätte akzentuieren können (über weite Strecken geschieht das durchaus, aber manchmal fließt hier scheinbar etwas zuviel). Der Rezensent überlegt seit dem ersten Hören des zweiten Satzes "La fille aux cheveux de lin", in welchem anderen Kontext er das Eröffnungsthema schon mal gehört hat - eingefallen ist es ihm bisher nicht. Deshalb weiter zu Johannes Brahms, von dem man zwei der Ungarischen Tänze ausgewählt hat - nein, gerade nicht den überstrapazierten fünften, sondern den dritten und den vierten, in denen man allerdings auch schon ein paar musikalische Elemente findet, die man später im fünften wieder zu hören bekommt. Zum Tanzen sind die Werke bekanntermaßen nicht gedacht, und so gerät auch der Grundgestus der Bearbeitungen bisweilen wenig tänzerisch, wohingegen der vierte ein paar hyperschnelle Passagen beinhaltet, die man in dem Ziehtempo erstmal hinbekommen muß. Den Closer der 52minütigen CD bildet eine weitere Ouvertüre, nämlich die zu Donizettis "Don Pasquale", und auch deren vielschichtige Artikulation transportieren Thomas Horch und seine Kompagnons Dany Bonvin, Uli Pförtsch und Volker Hensiek in sehr ansprechender Weise. Wie gesagt: Hier und da geht bei der Übertragung anders konzipierter Werke auf vier gleichfarbige Instrumente die eine oder andere Wirkung verloren, aber der generelle Sound überzeugt und macht Appetit auf weitere Taten.
Kontakt: www.audite.de

Tracklist:
Michael Praetorius: Suite des Danses:
  Ballet des Anglois
  Galliarde
  Ballet
  Courante
Johann Sebastian Bach: Präludium und Fuge g-Moll BWV 885
Joseph Bodin de Boismortier: Sonata à 4 a-Moll
  Adagio
  Allegro
  Largo
  Allegro
Gioacchino Rossini: Ouvertüre zu der Oper "Wilhelm Tell"
Samuel Barber: Adagio for Strings op. 11
Claude Debussy: Petite Suite
  Minstrels
  La fille aux cheveux de lin
  Golliwogg's Cakewalk
Johannes Brahms: Ungarischer Tanz Nr. 3
Johannes Brahms: Ungarischer Tanz Nr. 4
Gaetano Donizetti: Ouvertüre zu der Oper "Don Pasquale"
 




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