www.Crossover-agm.de MORPHEUS: Élet És Halál
von rls

MORPHEUS: Élet És Halál   (Nail Records)

Benennt man seine Band nach dem griechischen Gott des Schlafes, sollte der Hörer damit rechnen, Ambient oder ähnlich einschläfernde Stilistika vorgesetzt zu bekommen. Nicht so bei der ungarischen Band (es gibt in der weiten Welt noch etliche andere, die die gleiche Namensidee hatten): Ein sanftes Akustikgitarrenintro läßt zwar noch alle Möglichkeiten offen, aber der Song "Kezdd Újral", zu dem es gehört, macht schnell klar, daß die Reise in eine andere Richtung geht. Tamás Könnyü läßt einen leicht angerauhten hohen Schrei los, die Gitarristen Péter Poszega und Lajos Horváth spielen klassische zweistimmige Melodyriffs, und das Signet "Iron Maiden" beginnt über dem Schaffen des Quintetts zu leuchten. Ähnlich wie die russischen Kollegen Arija verwenden Morpheus das Schaffen der großen Briten aber lediglich als lockere Orientierungshilfe im metallischen Dschungel und hacken sich ansonsten ihren eigenen Pfad durchs Unterholz. Das beginnt schon beim Sound, der Balász Giczis Baß so weit nach hinten stellt, wie es auf vielen Metalplatten üblich ist, wie es aber Steve Harris in seinem eigenen Schaffen nie zugelassen hätte. Auch Tamás' Stimme ist zwar mit der von Bruce Dickinson verwandt, aber keineswegs als Kopie zu betrachten; zudem singen die Ungarn in ihrer Heimatsprache, was ihnen einen zusätzlichen Originalitätspunkt beschert, wenngleich die Aussagekraft der Texte für den gemeinen Mitteleuropäer damit relativ niedrige Werte annimmt - bekanntlich gehört Ungarisch zur finno-ugrischen Sprachgruppe, und da kommt man nicht mal mit Kenntnissen benachbarter slawischer Sprachen entscheidend weiter. Das ist freilich schade, denn im Booklet findet man neben jedem Text noch eine allegorische Zeichnung, und zumindest bei einigen wär's schon interessant gewesen, etwaige Zusammenhänge zu erfahren. Bei "Megkövült Barátság" etwa sehen wir das Handschlagsymbol, das weiland die SED als Logo auserkoren hatte, in einer vereist wirkenden Darstellung, und ein senkrechter Schnitt beginnt sich durch die verbundenen Hände zu ziehen. Freilich muß man diese Szenerie nicht politisch interpretieren, eine zwischenmenschliche Deutung wäre ebenfalls möglich - aber ohne Textverständnis kommt man an dieser Stelle eben nicht weiter. Vielleicht wäre mit Textkenntnis auch erklärbar gewesen, warum die Fotosession auf einem Soldatenfriedhof stattgefunden hat. In vier der zehn Songs singt übrigens auch noch ein Mensch namens István Nachladal mit, aber man kann ihn akustisch kaum von Tamás unterscheiden. Dagegen hat sich Ossian-Sänger Endre Paksi auf die Position im Produzentensessel beschränkt, ganz im Gegensatz zu den beiden Ossian-Gitarristen Richárd Rubcsics und Attila Wéber, die im kräftig treibenden Midtempotrack "Lázadj Fel!" die Leadgitarren beigesteuert haben. Daß der eine oder andere der zehn Songs dann auch mal nach Ossian klingt und in deren Schaffen auch qualitativ hätte bestehen können, versteht sich bei dieser engen Verbindung wohl von selbst. Vom Tempo her halten sich Morpheus dabei wie auch die neuzeitlicheren Ossian von Hochgeschwindigkeit fern, wenngleich Tamás Giczi an einigen wenigen Stellen, z.B. in den Finalpassagen von "Lázadj Fel!" oder "Élj A Mának!", schnelle Stakkati einwirft. Auf der anderen Seite haben die fünf Ungarn aber auch ein Händchen für gute Balladen, wie "Bolyongó Lélek" beweist, das ebenfalls nicht allzuweit entfernt von den Ossian-Großtaten im ruhigen Sektor anzusiedeln ist und wie die kompletten 44 Minuten des Albums nahezu ohne Keyboards auskommt (es gibt in diesem Song und in "Discö Múlt" welche, aber sie spielen nur im letztgenannten eine tragendere Rolle, im erstgenannten fallen sie kaum auf). "Van Kiút?" zeigt die Geschicklichkeit der fünf laut Foto noch relativ jungen Ungarn, Akustik- und Metalelemente zu einem großen Spannungsbogen zu verweben, und darf als Highlight des Albums gewertet werden, aber die neun anderen Songs stehen ihm kaum nach. Wer etwa große Power Metal-Hymnen mag, der wird möglicherweise an "Dicsö Mult" mehr Gefallen finden, wobei auch hier die Akustik-Elektrik-Kombination hervorragt, aber noch durch einen Choreffekt im Refrain ergänzt wird. Irgendwie hätte gerade dieser Song auch auf die erste Morifade-Mini "Across The Starlit Sky" gepaßt, obwohl Morpheus sonst relativ unskandinavisch klingen. Aber hier kommen im Schlußteil mal Pianoklänge hinzu und ergänzen das Spektrum der Band in gekonnter Weise. Wer nun wiederum diese leichten Bombastanflüge nicht so schätzt, der kann sich an geradlinigeren melodischen Songs wie dem energischen "Faust" oder dem etwas zurückhaltenderen, auch wieder Akustikelemente einflechtenden "Megkövült Barátság" erfreuen. "Ez Az Életünk...", balladesk beginnend, aber im Mittelteil an Tempo zulegend, schließt ein hochklassiges melodisches Metalalbum aus Ungarn ab, das man sowohl als Ungarnliebhaber immer mal zwischen dem Ossian-Gesamtwerk in den Player werfen als auch als internationaler veranlagter Anhänger neben das Gesamtwerk von Maiden, Arija, Narita & Co. stellen kann. Das selbstbetitelte Debüt sowie der mittlerweile ebenfalls erhältliche, sinnigerweise "III." betitelte Drittling haben sich bisher nicht in der Kollektion des Rezensenten eingefunden, so daß der Interessent unbeschrieben auch noch nach diesen Ausschau halten kann.
Kontakt: www.morpheus-band.hu, www.hammerworld.hu

Tracklist:
Kezdd Újral
Élj A Mának!
Látomás
Lázadj Fel!
Bolyongó Lélek
Van Kiút?
Dicsö Múlt
Faust
Megkövült Barátság
Ez Oz Életünk...
 




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