www.Crossover-agm.de MNOZIL BRASS: Ragazzi
von rls

MNOZIL BRASS: Ragazzi   (Kennen/ZYX)

"Das lustigste Blech der Welt" steht als Überschrift auf dem Promozettel. Nachdem ich Mnozil Brass mittlerweile mit ihrem "Seven"-Programm auch live gesehen habe, unterschreibe ich diesen Satz - lediglich anhand des Höreindrucks der "Ragazzi"-CD hätte ich mich damit etwas schwerer getan. Denn dem nördlich des Weißwurstäquators wohnenden Hörer wird der Zugang zu einem Teil des originalen Liedgutes verborgen bleiben, welcher zur Erkenntnis des musikalischen Kultfaktors zwingend notwendig oder aber zumindest sehr hilfreich ist. Mnozil Brass kommen aus Österreich, und das "Ragazzi"-Material fußt zu einem nicht geringen Teil auch auf Liedgut aus dem süddeutschen oder k&k-österreichischen Kulturkreis. Das heißt nicht, daß man etwa den Opener "Mladost Radost" nicht auch dann kultig finden könnte, wenn man ihn im Original weder im Ohr noch im Hirn hat - allein schon Wilfried Brandstötters Ausloten der tiefstmöglichen Tubatöne (was sich dann irgendwann in Tiefen vorschraubt, die man etwa auch vom Anus eines Elefanten mit Flatulenz erwartet) bringt den Hörer irgendwie automatisch zum Grinsen. Zudem deutet schon dieser Track an, was in manchen der anderen noch folgt: Die Herrschaften spielen nicht nur auf ihren Blechblasinstrumenten, nein, sie singen auch noch - und das auf eine Art und Weise, die das bösartige Scherzwort "Harmonium und Männerchor - so stell' ich mir die Hölle vor" zumindest partiell ad absurdum führt (ein Harmonium ist allerdings abwesend, lediglich eine jaulende Gitarre kommt später noch zum Vorschein). "Jubiläumsgongschlag" etwa transportiert einen Ringelnatz-Text und deutet diesen in kurzen bläserischen Zwischenteilen musikalisch aus. Einige der insgesamt 14 vertretenen Tracks tauchten auch im Liveprogramm auf, so etwa das medleyartige "Bist tappert, Franz?", das aufgrund des Fehlens der Titelmelodie einer bekannten deutschen Krimiserie seinen Titel zu Recht nicht in "Bist tappert, Horst?" hatte ändern müssen. Eines der Markenzeichen von Mnozil Brass sind die auffälligen, oftmals nur kurz vor der akustischen Schmerzgrenze haltmachenden schrillen Trompetenparts, die nach eingehender livehaftiger Begutachtung hauptsächlich von Thomas Gansch stammen, aber nicht zum Selbstzweck eingesetzt werden, sondern an den Stellen, wo sie zum Einsatz kommen, durchaus Sinn machen. Das Mnozil Brass-Konzept schließt auch mal bewußt "falsche" Elemente ein - schön zu hören ist dies im Einleitungsteil der Eigenkomposition "Klezmi geht fremd", wo die Intonation der Trompeten partiell alles andere als sauber geschieht, gerade dadurch aber eine interessante neue Klangfarbe entsteht. Daß Mnozil Brass perfekt musizieren können (und diese Stelle also kein Fehler sein kann), stellen sie schließlich am laufenden Band unter Beweis. Mit "Die erste Mnozil" ist auch ein Tribut an ihren Namensgeber, das Gasthaus Mnozil in Wien (an dessen Musikerstammtisch sich die Mitglieder der Truppe erstmals trafen), enthalten - frage mich aber niemand, wo der zweite Satz dieses von Christian Mühlbacher geschriebenen Stückes abgeblieben ist, denn auf der CD folgt nach dem ersten Satz gleich der dritte. Umtrunkbedingt? Keine Ahnung. Daß sich nach dem dritten Satz aber nicht etwa der "Asylantenwalzer" anschließt (der steht interessanterweise vor "Klezmi geht fremd"), sondern die "Kellner Polka", dürfte methodologisch bedingt sein - und so geht es auch noch weiter: "Neualtlerchenfelder" fließt ins Glas, und danach schreitet man zur "Damenjagd" mit "Django" in "Granada", bevor man sich mit "Ruze Reknou Vic" (übersetze das bitte, wer die Originalsprache beherrscht - ich kann's nicht) wieder in die k&k-Lande zurückbegibt, einem melancholischen Anfang mit klarem Sound später in einen an eine steinalte Grammophonaufnahme erinnernden Fortgang transformiert und nach 48 Minuten auch am Ende der CD anlangt. Das Oktett hat also eine musikalisch zweifellos einwandfreie CD eingespielt, die sich in ihrer humoristischen Konsequenz aber wie einleitend bemerkt wohl nur einem Teil der Erdbevölkerung erschließen wird - alle anderen schauen sich, bevor sie zum etwaigen Erwerb von "Ragazzi" oder auch einer weiteren der seit Herbst 2004 auch regulär in Deutschland erhältlichen Backkatalog-CDs schreiten, lieber erstmal einen Gig mit dem etwas internationalistischer ausgerichteten "Seven"-Programm oder dessen Anfang 2005 zu erwartende DVD an. Wem der Augenzwinker-Background egal ist, wer also "nur" eine bunte, abwechslungsreiche und perfekt eingespielte Blechbläser-CD jenseits der klassischen Blechliteratur hören möchte, kann bei "Ragazzi" bedenkenlos zugreifen, wenngleich der recht schlicht gestaltete Digipak durchaus noch etwas aussagekräftiger hätte bestückt werden können.
Kontakt: www.mnozilbrass.at, www.kennen.de

Tracklist:
Mladost Radost
Sieben auf einen Streich
Jubiläumssgongschlag
Bist tappert, Franz?
Asylantenwalzer
Klezmi geht fremd
Die erste Mnozil (1. Satz)
Die erste Mnozil (3. Satz)
Kellner Polka
Neualtlerchenfelder
Damenjagd
Django
Granada
Ruze Reknou Vic
 




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