www.Crossover-agm.de MINDFIELD: Deviant
von rls

MINDFIELD: Deviant   (Gutter Records)

Mindfield stünden vor einem Problem, wenn sich Paradise Lost anno 1993, anstatt das (sehr gute) "Icon"-Album einzuspielen, entschlossen hätten, den Göteborg-Death zu erfinden (der dann natürlich nicht Göteborg-Death heißen würde, sondern meinetwegen Yorkshire-Death). Dann könnte man Mindfield nämlich vorwerfen, diesen hypothetisch entstandenen Sound einfach zu kopieren. Aber wir wissen alle, daß Gregor Mackintosh und seinen Spießgesellen diese Weiterentwicklung einfach nicht in den Sinn gekommen ist (und man sich statt dessen lieber an Metallicas "Black Album" orientierte, was wie gesagt im Falle von "Icon" trotzdem ein ausgezeichnetes Resultat ergab, bevor's dann bergab zu gehen begann), und damit haben Mindfield Glück, sich nicht mit diesen Kopistenvorwürfen herumplagen zu müssen, zumal mir auf Anhieb auch keine andere Band einfällt, die unschubladisierbaren Düstermetal mit gelegentlichen Paradise Lost-Anleihen und einer Riesenportion Elemente, wie man sie auch von alten Dark Tranquillity oder In Flames kennt, kombiniert. Schon der Opener "Emotion Picture" weiß zu überzeugen, ein kraftvoller Einstieg, der die charakteristischen Vocals von Danny Kabus (klingt, als ob James Hetfield endlich singen gelernt habe) einführt, die man so schnell nicht wieder vergißt und die emotionale Bilder der meist düstereren Art transportieren, ohne jedoch vordergründig melancholisch oder gar weinerlich zu wirken. Bassist und Hauptlyricsautor Philip Akoto sorgt dafür, daß man die in purem Death Metal liegende Vergangenheit Mindfields nicht ganz vergißt, und brüllt mit einer gewissen Portion Trauer herbe deathöse Backings ins Mikro. Auch die Lyrics, die er geschrieben hat, zeugen von der intensiven Auseinandersetzung mit negativen Emotionen und Erlebnissen auf der persönlichen Schiene. Dabei scheint beispielsweise "Buy My Heaven" (übrigens der eingängigste, hittigste Song der Platte) so eine Art kathartische Rolle zu spielen, die sich in diesem Falle auf sektöse Seelenfänger bezieht. Erstklassiges Kontrastprogramm, jedenfalls bis zum Refrain, ist das folgende "Sound Of Deep", mit fragilen musikalischen Elementen die lyrische Trauer um einen nahestehenden Menschen nachzeichnend, bis besagter Refrain einsetzt, der leider mit etwas zu trockenen Gitarren unterlegt wurde. Dafür kulminiert die Atmosphäre im Mittelteil mit einer genialen Kombination aus entrücktem Pianogeklimper und einem traditionellen Gitarrensolo. Erstklassig!
Nicht alle Songs sind derart qualitätsgespickt, aber ein richtiger Ausfall will sich auch nach zehnmaligem Hören nicht finden lassen. Statt dessen stolpert man über weitere Highlights, so etwa das lange "Black Room", dessen Atmosphäre in der Bridge (flächige Keys, Melodiegitarren wie Dark Tranquillity zu besten Zeiten, Doom-Snare und fette Doublebassdrums) Mindfield erstmal einer nachmachen soll, den abwechslungsreichen Titeltrack oder das von wunderhübschen Gitarren eingeleitete "Ethics (Disappeared)". Überhaupt, die Gitarren: Was Rainer Sickler und Marc Zirnsak hier leisten, ist spitzenmäßig! Solche Kombinationen aus Spielfreude und Emotion sind gerade in Deutschland selten zu finden, und wenn man Andy Classen an den Reglern sitzen hat, dann ist auch davon auszugehen, daß das Ganze soundmäßig ordentlich in Szene gesetzt wird (was denn auch zutrifft). Nur am Booklet habe ich noch was zu meckern - nicht am Layout, denn diese emotional ansprechende Gestaltung in erdfarbenen Tönen paßt wunderbar zu den Songs, wohl aber an den abgedruckten Lyrics, denn da ist wohl bei der Übertragung der Sonderzeichen ein kleines Kompatibilitätsproblem aufgetreten. Das beeinträchtigt das Urteil, es bei "Deviant" mit einem der bisher besten Alben des Jahres 2000 zu tun zu haben, in keinster Weise. Glückwünsche sowie Bestellungen im Falle von Nichterhältlichkeit im Laden gehen an Philip Akoto, Buchsbaumweg 15, 59071 Hamm.
 




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