www.Crossover-agm.de MAYFAIR: Schlage mein Herz, schlage
von rls

MAYFAIR: Schlage mein Herz, schlage   (Pure Prog Records)

Während ihrer ersten Schaffensperiode in der letzten Dekade des vergangenen Jahrtausends musizierten Mayfair immer schön am Massengeschmack vorbei, und auch wenn sich das "Anything goes"-Konzept in der seither vergangenen Zeit durchaus noch weiteren Raum in der Musikwelt verschafft hat, so liefert "Schlage mein Herz, schlage", das erste Mayfair-Album der zweiten Schaffensperiode, wenig Argumente, daß sich hier etwas geändert haben könnte. Okay, die "neuen" Mayfair klingen überwiegend nicht mehr so wie die zu "Behind..."-Zeiten, aber daß sich die Band schon vor 20 Jahren auch andere Klangwelten erschlossen hatte, machten schon die Demoaufnahmen deutlich, die der Wiederveröffentlichung von besagtem "Behind..." als Boni beigefügt wurden. Und gewisse Grundelemente des Mayfair-Sounds lassen sich natürlich auch in den zehn neuen Songs wiederentdecken, allen voran die seltsame, oft angedüsterte Atmosphäre, die nicht selten eine Brücke vom Rock bzw. Metal hinüber zum Wave schlägt und oftmals durch eine entsprechende Gitarrenarbeit unterstützt wird, wenngleich die vor zwei Dekaden gelegentlich noch anzutreffenden metallischen Riffs weiter in den Hintergrund gerückt sind und der seltsame, aber brillante schneidende Leadgitarrensound gar nicht mehr auftaucht. Gitarrist Rene ist eines der beiden noch an Bord befindlichen Altmitglieder, ebenso wie Sänger Mario, dessen Stimme sich zwar auch ziemlich verändert hat, aber nach wie vor identifizierbar ist (selbst wenn eine ihrer allertypischsten Ausprägungen, nämlich die Falsettschreie, ebenfalls durch Abwesenheit glänzt), trotz aller Vielfalt zwischen Flüstern und Schreien. Dazu tritt eine neue Rhythmusgruppe aus Basser Johannes und Drummer Jolly, die durchaus in der Lage ist, auch mal für 20 Sekunden einen stoischen Geradeausbeat zu spielen, wenn es der Song verlangt, die aber auch oft und gern rhythmische Vielfalt einbringt, wie es ihre Vorgänger Mötle und Little vor 20 Jahren auch schon getan hatten. "Drei Jahre zurück" gerät mit erstgenannter Methode zu einem sehr ungewöhnlichen Stück: Rein instrumental wäre das ein lupenreiner Deutschrock-Hit, würde er erstens nicht von einer kleinen unbekannten österreichischen Band stammen, zweitens nicht in ein ungewöhnliches Finale mit Doublebassdrums und einem klassischen Chor münden, drittens einige seltsame Gesangsphrasierungen weniger haben und viertens einen anderen, leichter verständlichen, nicht so subtil avantgardistischen Text besitzen. Für den ersten Umstand können Mayfair nichts, aber die drei anderen machen das Selbstverständnis der Band deutlich: Sie deuten an, daß sie einen Hit schreiben könnten, wenn sie wollen - aber sie wollen eben nicht. Überhaupt die Texte: Mario wechselt auch innerhalb der Songs gerne wieder vom Deutschen zum Englischen und zurück, was man aus der ersten Schaffensperiode auch bereits kennt. Hier wird es zugleich zum inhaltsverändernden Stilmittel: "Island" beginnt mit deutschem Text in der Strophe, und man beginnt sich gedanklich schon auf irgendwelche Bezüge zu einer gewissen Vulkaninsel einzustellen, bevor der Refrain dann aber ins Englische wechselt und es somit doch um eine metaphorische Insel geht. Die Lyrics dieses an sechster Position auf der CD befindlichen Tracks stehen sicherlich nicht umsonst allein auf der mittleren Doppelseite des Booklets, ergänzt von einer anderen Perspektive des Abhörturmes auf dem Cover. Daß alle Drucksachen konsequent in Schwarzweiß gehalten sind, ergänzt die merkwürdige angedüsterte Atmosphäre der reichlich 40 Minuten Musik perfekt, auch wenn Mayfair natürlich geistig alles andere als Schwarzweißmaler sind - im Gegenteil: Sie bieten wenn schon keinen Thinking Man's Metal (denn der Metal ist rein musikalisch weitgehend abwesend), so doch Thinking Man's Rock und fallen quasi durch den Albumtitel schon mit der Tür ins Haus: Nein, da fehlt kein Komma, auch wenn's auf den ersten Blick so wirkt. Trotzdem schaut das Quartett nicht nur nach vorn, sondern verleugnet auch seine Vergangenheit nicht: Man stelle sich einfach mal das, ähem, vertrackte "Tric Trac" und die Doomwalze "Bitter Or Sweet" mit dem Sound und dem Gesang des "Behind..."-Minialbums vor und wage das Gedankenexperiment, diese Songs als Track 7 und 8 dem besagten Minialbum hinzuzufügen. Eine erstaunliche Homogenität, nicht wahr? Aber natürlich funktionieren auch die aktuellen, "realen" Versionen prima, wenn man von dem Faktum absieht, daß "Tric Trac" irgendwie etwas unvermittelt endet und man irgendwie das Gefühl hat, sein songwriterisches Potential sei noch nicht ausgeschöpft. Aber dafür entschädigt "Bitter Or Sweet" in doppeltem Maße, denn hier liegt der wohl beste unter vielen guten Songs auf "Schlage mein Herz, schlage" vor, der allerdings mit dem etwas gen Pink Floyd oder zu den ganzen Shoegaze-Bands (ohne freilich jemanden zu kopieren) schielenden "Der Abschied" einen ernstzunehmenden Mitbewerber gleich hinter sich an letzter Position weiß. Auch wenn diese beiden Songs nicht unbedingt typisch für das Album sind, können sie als Anspieltips dienen, da sie gerade in ihrer Verschiedenartigkeit Grenzen des heutigen Mayfair-Sounds ausloten und eine Art Rahmung für die Platte hergeben, zu der mit wiederum andersartiger Färbung auch der Titeltrack als Opener sein Scherflein beiträgt. Für den schnellen Hörgenuß zwischendurch ist das nichts (wie beschrieben: Mayfair könnten Hits schreiben, aber sie weigern sich, es zu tun), aber wenn man nicht gerade zu der Fraktion zählt, die gerade den Rasierapparat-Gitarrensound und die Falsetts im Sound der Band so liebte, findet man in den 40 Minuten enorm viel Interessantes.
Kontakt: www.pureprog-records.com, www.mayfairbrigade.com

Tracklist:
Schlage mein Herz, schlage
Firestorm
Wwwrong
Drei Jahre zurück
Abendp_rno
Island
Du allein
Tric Trac
Bitter Or Sweet
Der Abschied
 




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