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von sk

KID KOPPHAUSEN: I   (Trocadero)

Thomas Alva Edison hat Ende des 19. Jahrhunderts den Phonographen erfunden - auf Wachswalzen konnten erstmals Töne aufgenommen werden. Seine Geschäftsidee: Stimmen von Angehörigen aufnehmen, um sie nach deren Ableben weiter und wieder hören zu können. Trauerarbeit im wachswalzigen 2-Minutenformat. Diese Idee war zwar nicht durchschlagend, aber noch immer haben Tonaufnahmen von Menschen, die schon gestorben sind, etwas Gespenstisches.
Noch eigenartiger wird es, wenn einer zu früh geht. Aber wer bestimmt eigentlich, wann es zu früh oder wann es zu spät oder wann es genau richtig ist? Keine Ahnung. Aber Nils Koppruch ging zu früh. Die Kölner Band Locas In Love singt auf ihrem Album "Saurus": "Wenn wir ehrlich sind: für uns ist es schon zu spät, um jung zu sterben und Legenden zu werden". Koppruch hätte sich den Legenden-Mantel nicht angezogen. Und auch wenn er 47 und nicht 27 Jahre alt war, als er starb, war er zu jung zum Sterben.
Was er zusammen mit Gisbert zu Knyphausen auf diesem Album hinterlassen hat, macht den Gedanken daran, dass Nils nie mehr texten, nie mehr komponieren wird, umso beschissener.
Beide, Nils und Gisbert, sind zwei ganz große Songwriter. Weit weg von den selbstmitleidigen Jungbarden, die so schrecklich harmlos und larmoyant sind, aber in heavy rotation durch die Radiostationen geistern. Nils hatte mit seiner Band Fink den Beweis erbracht, dass es wirklich ernstzunehmende deutschsprachige Countrymusik geben kann, die weniger staubige Westernklischees bedient oder truckerseelenstreichelnd deutsche Autobahnromantik besingt, sondern die den Hamburger Hafen atmete und die Kaschemmen und die Zwischenwelten kennt - ohne Illusionen aber mit aufrichtigem Blick, ehrlich und ohne fiese Ironie, der alles letztlich gleichgültig ist. Gisbert und Nils lieben das Leben und diese Liebe zum Leben tritt aus allen Zeilen und Tönen von "I". Lakonisch aber nie resignativ, pointiert aber nie oberflächlich, sprachgewandt aber nie selbstverliebt, direkt aber nie anbiedernd. Die vermutlich schönste Zeile dieses Albums (und man weiß nicht, wer von beiden welchen Text verfasst hat): "Und ich hab Euch Blumen und Pralinen vom Arsch der Hölle mitgebracht", um ein paar Zeilen weiter festzustellen: "Denn jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur scheiße verpackt. Und man fummelt am Geschenkpapier rum und kriegt es nur mühsam wieder ab." Amen, Bruder!
Die Musik wandelt dabei, das Artwork lässt es vermuten, in Country- und Rockgefilden, kennt stille Songwritermomente der Intimität und Augenblicke des ausbrechenden Lärms. All das ist wunderbar altmodisch, ohne in die Retrofalle zu tappen. Es ist eine Spielfreude, die man selten hört. Und die man in dieser Form auch nicht mehr hören wird. Schade.
Kontakt: http://kidkopphausen.de/

Tracklist:
01 Hier bin ich
02 Schritt für Schritt
03 Das Leichteste der Welt
04 Im Westen nichts Neues
05 Schon so lang
06 Meine Schwester
07 Wenn ich dich gefunden hab
08 Zieh dein Hemd aus Moses
09 Haus voller Lerchen
10 Wenn der Wind übers Dach geht
11 Mörderballade
12 Jeden Montag
13 Nur ein Satz
 




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