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KEYDRAGON: Awaken The Lair/Drink From The Waters Of War
von ta

KEYDRAGON: Awaken The Lair   KEYDRAGON: Drink From The Waters Of War   (Eigenproduktion)


Der erste Satz dieser Rezension ist falsch.
Ein Satz - ein logisches Dilemma.
Der Rezensent ist verwirrt. Kein Wunder: Keydragon widersprechen jeglicher Musikerlogik und schaffen mit "Awaken The Lair" (2002) und "Drink From The Waters Of War" (2003) zwei genial-superbescheuerte Mist-Meisterwerke. Alles klar?
Jeder Mensch hat seine Eigenarten. Die von Ron Langford (Synthies, Gesang, Percussions), Andrew Grant (Gitarrine), Mississippi Bud (Zitat: Psycho Sax), CR (Knöppeldrücker für die sog. Drums), Lilly bzw. Lily White (gelegentlich auftauchende Zweitsängerin), Gregor R. Lanford (Textverbrecher) und Jessica Walentschea (Artworkverantwortliche) will ich gar nicht kennen. Nein, wirklich nicht.
Prinzip: Alles, was schlecht ist, ist absichtlich schlecht.
Atl und Dftwow fangen beide gleich an: Ein harmloser Techno-Beat macht Plautz auf die Erde. Aber was folgt? Keydragon nehmen sich die schlechtesten Elemente aus Industrial, Doom Metal, Ambient, Thrash, Death, Rap, Jazz und Prog und gießen diese auf dem unfassbar schmalen Grat zwischen einzigartiger Coolness und einzigartigem Gehirnfreiflug in Songs, wie sie absurder nicht sein könnten. Die Stimme von Ron Langford wildert durch alle Gefilde der Kunst des Gesangs: Clean, grunzig, kreischend, episch-erzählend und hippelhoppsernd, kann aber problemlos nichts von alledem: Die sauberen Gesangsparts klingen gepresst, die rauhen künstlich verfremdet, Rappen ist ohnehin keine ernstzunehmende Sache (siehe "Corrupted" (Atl)) und die Erzählstimme krönt den heiteren Reigen mit einem sonoren Tonfall, der den Eindruck erweckt, als wäre des Sängers selbstgesprächiges Lamentieren am Herd des Nachmittags heimlich von seinen Kollegen aufgenommen worden. Epikfaktor: Null. Amusementfaktor: Unbeschreiblich. Leider verdirbt diese im Großen und Ganzen unvergleichliche Art und Weise, sich verbal zu präsentieren, so manchen Song bis aufs Äußerste. "Draconic Power" (Dftwow) zum Beispiel. Wirklich Mutigen seien die Backing Vocals in "Travesty" (Atl) empfohlen.
Nicht minder empfehlenswerte Markenzeichen hinterlassen die anderen Mitstreiter dieses gattungssprengenden Metalprojekts. Ich bin beeindruckt von durch und über:
Andrew Grant ist nicht eben ein Virtuose auf seinem Instrument, weiß das und beschränkt sich weitestgehend auf verzerrte Grundakkorde, sorgt dabei für Oho, Aha und Hihi, beweist im Refrain vom eigentlich eher zittrigen "Games They Play" (Atl) einen Sinn für dramatische Harmonisierung und überrascht in "A Lesson In Pain" (Atl) mit abgehacktem Thrash-Riffing und vielen Obertönen; übrigens ein bemerkenswerter Song mit episch majestätischen Sequenzen und einem bemerkenswerten Ausklang: Jeder stoppe, wann er will. Ja.
Synthesizer könne viel zum Gelingen musikalischer Eintöpfe beitragen. Doch Überraschung: Auch hier tun sie es. Ob mit völlig abstrakten Sitar-Sounds, wie im von vorne bis hinten kaputten "Calling The Dragon" (Dftwow), finster-monumental und mit echtem Merkwert wie im Intro vom düsteren, vergrunzten "Beneath The Claw" (Atl) oder schrägschief dahingefiepselt (ständig, lustig und kultig, man höre etwa in "The Mystic Comes" (Dftwow) mit seinem traumhaften Eingangsduett herein; bemerkenswert sicherlich auch das jenseits von gut und böse weilende Konglomerat aus Grunzen und Singen in den Strophen). Viel Wirkung wird erreicht besonders in Zusammenarbeit mit:
Mr. Bud. Der spielt tatsächlich Saxophon und ist das Beste, was Keydragon passieren konnte. Bis auf zwei, drei Ausnahmen passt sein Instrument nirgends rein, wo es auftaucht (nämlich permanent und überall) und raubt einem schier die Luft zum Atmen. Die jazzig verspielten Parts in "Dragon War" (Dftwow) oder dem unfreundlich betitelten "Tripper" (Atl) oder dem vertrackten "Dragon's Will" (Atl) oder überall sonst sind einfach unbeschreibbar und ziehen mir die Mundwinkel mit solcher Gewalt nach oben, dass nach Genuss der CDs keine kühle Gurkenmaske die Schmerzen in den Wangen vertreiben könnte. Danke, ihr macht mich wirklich glücklich.
Höchstnoten erreicht der Keydragon beim perplexen Rezensenten, wenn er gekonnt seinen doomigen Trizeps spielen lässt: "You Bring Tears To My Eyes" (Dftwow) ist eine dunkelgrüblerische Saxophonballade mit melodischem Refrain und Phil Collins-Percussions im Mittelteil, die lediglich daran krankt, dass sie wirklich hundsbeschissen gesungen ist, genauso wie "Psrinster", das, ansonsten episch-grollend, von Erzählparts gekrönt wird, die einem die Schuhe ausziehen. Klingt etwa so, als versuche Fish (Ex-Marillion) zu rappen, wobei es beim Versuch bleibt.
Absurdität ist ein eminent wichtiger Bestandteil des Bandkonzepts. Hier wird aus Prinzip jeder gute Ansatz im Keim erstickt. Sogar wenn man mit verschrobenen Rhythmen den Progressive-Banner hisst, wird eher der Eindruck erweckt, als hätte die CD Risse ("The Craziest Ride" (Atl)). Und das Black Sabbath-Cover zu "Electric Funeral" (hier sinnigerweise "Keydragons' Electric Funeral" betitelt) kommt, wie nicht anders zu erwarten war, einer Parodie gleich, bei der man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Kurz: Das hier ist ganz schlimm und darum so gut.
"Parodie" ist ein gutes Stichwort. Denn selbiger muss sich unzweifelbar der Power Metal beugen. Ob es in Nevada in dieser Hinsicht viel Empfänger des Keydragon-Humors gibt, ist mir unbekannt. Aber angefangen beim Namen der Band zu den genialen Covern (Drachen, Felsen und Burgen formschön mit Buntstiften (!) gezeichnet), über die Tatsache hinweg, dass die Band selbst ihren Matschmetal als "Gothic/Power (!) Metal" bezeichnet, bis zu den Texten ist klar, woher hier der Wind weht - Zitat aus dem (vierseitigen) Booklet zu Dftwow: "Ron Langford has written 5 songs about a fantasy war of dragons and Lily White has written one more song of the fantasy war of dragons." Wem das noch nicht reicht, dem sei ein Textauszug gegönnt: "The elements of spirit, I call you purified/Oh dragons great and wise (...)/Cup of Power, Cup of Might/Draconic Power be mine tonight." Eric Adams (Manowar) soll schon bezüglich des Sängerpostens gefragt haben ... Aber ich möchte hier ja keine unbestätigten Gerüchte in die Welt streuen!
Es gibt vermutlich keinen Menschen auf der Welt, der sich ausschließlich Bands wie Keydragon zu Ohren führt. Aber bewusst als Exklusivität und bewusst im Unernst wahrgenommen, stellen "Awaken The Lair" und "Drink From The Waters Of War" zwei (im Durchschnitt vierzig Minuten lange) Glanzstücke einzigartigen Hörgenusses dar, denn so häßlich diese Musik ihr Dasein auch führt: Sie lebt. Großer Geist, große Momente, großes Plemplem, großes Theater. So heißt es: "We are the show" ("The Show" (Atl)). Der vorletzte Satz dieser Rezension ist richtig.
Kontakt: KeyDragon Studios - Ron Lanford, 12071 Jones Blvrd., Nevada City, CA 95959; Keydragon@juno.com

Tracklist:
Awaken The Lair
1. The Show
2. Games They Play
3. Tripper
4. Corrupted
5. Dragon's Will
6. A Lesson In Pain
7. Travesty
8. The Craziest Ride
9. Dragon Fear
10. KeyDragons' Electric Funeral
11. Beneath the Claw

Drink From The Waters Of War
1. Drink From The Waters Of War
2. Calling The Dragon
3. Dragon War
4. Psrinster
5. The Mystic Comes
6. It's All This And The Hell Of A Lot More
7. Draconic Power
8. You Bring Tears To My Eyes
9. Draconic Companions
10. Draconic Pyre
11. I'm Coming For You



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