www.Crossover-agm.de
IKARISCHES ENSEMBLE: Gnomus
von ta

IKARISCHES ENSEMBLE: Gnomus   (Noise Gate)

Ikarus? Ein Höhenflug? Jawohl, aber ohne Sturz. Ein Ensemble, zwei alte Stücke in neuem Licht, zwei Hörerlebnisse der Extraklasse. "Gnomus" kennt man als das kleine verrückte Stück Musik, welches der ersten Promenade aus Mussorgskys "Bildern einer Ausstellung" folgt. Hier wird es rockmusikalisch verwurstet, besser: durch den Metal-Fleischwolf gedreht und macht auch im Gitarren-, Bass- und Schlagzeuggewand richtig Sinn und Laune. Schon im Original sehr bewegt, drückt die Bearbeitung, die das Ikarische Ensemble vorlegt, noch mehr, zudem kommen die prägnanten Melodien, die ständig zwischen den kurzen, eruptiven Ausbrüchen erklingen, bei dieser spartanischen Instrumentierung noch besser zur Geltung als in der Originalfassung (welche dafür andere Qualitäten hat). Die dynamische Schlusspassage ohne Distortion und die folgende Explosion sind ein kleiner Geniestreich der Kombination von E- und U-Musik.
An zweiter Stelle gibt's den "Necrologue á L'innocence", eine Bearbeitung eines Themas aus der "Étude papillon" von Chopin. Da das Original nicht den Plattenschrank des Rezensenten ziert, muss er die Bearbeitung für sich genommen bewerten. Das Ergebnis klingt wie eine Kreuzung aus frickeligem Progressive Metal und Elektra. Ja, genau, die sinfonischen Rocker aus den neuen Bundesländern bzw. deren 1980er Album "Die Sixtinische Madonna" ist gemeint. Die Parallelen bestehen nicht nur im Gesang und der Einbindung klassischer Instrumente (Klavier, Cello, Violine, Viola) in den Rockkontext, sondern auch im definitiv nicht aus dem Original übernommenen deutschen Text. Während Elektra anno 1980 Reflexionen auf ein Marienbild Michelangelos boten, werden im "Necrologue ..." des Ikarischen Ensembles offenbar Parallelen zwischen der Muttergottes und Pornographie gezogen, die ich leider nicht abschließend bewerten kann, da mir der Text lediglich in Audio-Form vorliegt und nicht immer verständlich ist. Musikalisch ist der "Necrologue ..." eine halbe Offenbarung, dynamisch, vertrackt, ungewöhnlich strukturiert und mit Arrangements, die wahrlich progressiv ausfallen. Doppelfußmaschine zu Pianoklängen, Polyrhythmikgeigen, auf bratende Metal-Gitarrenriffs treffend usf. Extravaganz par excellence. Leider wirft der CD-Schacht seinen Inhalt nach schlappen zwölfeinhalb Minuten schon wieder raus. Da hätte man doch gerne noch ein paar Sachen von Schönberg, Rachmaninow und Mahler (nur bitte nicht Bach) gehört. Maybe next time.
Mindestens Klassiker sollten sich dieses originelle Machwerk dringend zulegen und exzentrische Metaller könnten auch ihren Spaß damit haben.
Kontakt: www.ikarisches-ensemble.de

Tracklist:
1. Gnomus
2. Necrologue á L'innocence



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver