KLAUS HEIZMANN: Via Dolorosa/Das Leben ist Sieger von rls (Gerth)
"Zwei kleine Kantaten zu Passion und Ostern" heißt der Untertitel dieser CD, womit die durch die Titel schon assoziierte zeitlich-thematische Zuordnung ihre Bestätigung findet. Beide Kantaten sind für eine Besetzung aus gemischtem Chor, Solisten (eine Sopranistin und ein Bariton), Sprecher und Orchester konzipiert - bei einem Blick in die Ausführendenliste der CD fällt allerdings auf, daß hier ein Konservenorchester am Werk zu sein scheint, es sei denn, das Bläserensemble des Staatstheaters Wiesbaden hat sich zur Verstärkung auch noch nicht im Booklet vermerkte Streicher und einen Percussionisten hinzugeholt. Authentizitätsfanatiker sollten also einen vorsichtigen Probedurchlauf vornehmen, ob sie mit Wolfgang Zerbins Synthie- und (dezenten)Programmingzutaten zurechtkommen und ob sie die Herkunft beispielsweise der Streicher eindeutig identifizieren können. Generell legte Heizmann bei der Anlage der Kompositionen großen Wert auf Nachvollziehbarkeit und praktische Aufführbarkeit auch für Nonprofessionals - wer hier also neutönende Kunst erwartet, der wird enttäuscht werden. Beide Kantaten halten sich vom Gerüst her an die Passions- bzw. Ostergeschichten von Matthäus und Markus - auch hier handelt es sich also weniger um eine eigenständig-künstlerische Auseinandersetzung mit dem Sujet, wie es etwa Sunrise mit ihrem "Kreuzweg"-Projekt vorgenommen haben, sondern um eine fast liturgisch einsetzbare Umsetzung des Geschehens, die außer der Musik lediglich die gesungenen Texte der Stücke als eigene (wenngleich auch nur bedingt einfallsreiche) Zutat beisteuert. Wen diese strukturell relativ fixierte Herangehensweise nicht stört, der bekommt mit den beiden Kantaten interessanten Hörstoff, wenngleich dieser durchaus noch die eine oder andere Frage offenläßt. Da wäre beispielsweise der Refrain von "Auf dem steinigen Weg" - dessen erste Sektion erwies sich als für die zugrundeliegende Musik schlicht und einfach als zu lang. In der zweiten, ähnlich langen Sektion komponierte Heizmann den Ausklang einfach noch aus, was eine sehr geschickte Lösung darstellt - in der ersten Sektion dagegen ließ er die Worte "führt dich der Weg in den Tod" kurzerhand schneller singen und stellte dafür sogar die Musik des Instrumentalteils, der dieses Thema nochmals aufgreift, daraufhin um, was irgendwie überhaupt nicht zum an der Stelle abgehandelten Sujet paßt. Theologische Fragen wiederum wirft die musikalische Gleichbehandlung von Judas und Petrus in den Stücken "Judas, warum verrätst du deinen Herrn" und "Petrus, warum verleugnest du den Herrn" auf: Sind der Verrat und die Verleugnung (vor allem vor dem Hintergrund ihrer Folgen für die beiden Protagonisten - beide erkannten ihre Missetat, aber der eine beging Suizid, während der andere zum Kirchenvater wurde) wirklich auf einer Stufe anzusiedeln? So finden sich doch bei genauerer Betrachtung diverse Reibungspunkte in den Kantaten, auch solche in der musikalischen Umsetzung auf dieser CD. Alle Beteiligten verstehen ihr Handwerk, dies vorweg. Trotzdem hört man Bariton Sung-Deok Park im ansonsten hervorragend umgesetzten flehenden "Ich zerbreche fast" deutlich an, daß Deutsch eben doch nicht seine Muttersprache zu sein scheint. Sopranistin Daniela Jooß-Kesselmeyer wiederum wird in "Jesus, mein Herr und Meister" - auch so ein hochgradig emotionales Teil - von den Percussioneffekten zu sehr ausgebremst, hier wäre weniger ganz einfach mehr gewesen, um den selbstquälerischen Gedankenansatz der am Ostermorgen zum Grab gehenden Frauen in seiner ganzen Konsequenz umzusetzen. Der größte Schwachpunkt der CD ist allerdings Sprecher Gerhard Winkelmann, der die zwischen den Musikstücken angesiedelten Bibeltexte mit einer derartigen Emotionslosigkeit herunterliest, daß man ihn für einen Nachrichtensprecherposten in der Tagesschau empfehlen möchte.
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