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FRYMAN: Lebensspuren
von sk

FRYMAN: Lebensspuren   (DA Records)

Manchmal treten Musiker aus den Studiotiefen hervor, die man vielleicht kennt, ohne sie zu kennen. Studio- und Sessionmusiker sind für viele (Mainstream-)Produktionen unverzichtbar, aber kaum einer kennt ihre Namen, geschweige denn ihr Gesicht. Einer von ihnen ist Erik Fryman (Wolf-Maahn-Band) und ein anderer Dirk Schlag (Annett Louisan, Truck Stop, Mark Medlock und andere) und gemeinsam formieren sie Fryman und spielten "Lebensspuren" mit weiteren hervorragenden Musikern ein.
Mit einem Abstand von nun 3 Jahren (die Scheibe erschien 2010) kann man nun sagen: Das mit dem großen Durchbruch hat wohl nicht geklappt. Dabei war schon die erste Singleauskopplung und der damit verbundene Videodreh mit einem Eklat verbunden: "Vielleicht Monsignore" thematisiert die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Beim Dreh im Kloster Jerichow wurde ihnen erst die Drehgenehmigung erteilt, dann aber angehalten, doch nicht in Kirchengemäuern zu drehen. Eine alte Frau soll Fryman gar als "blasphemische Schweine" tituliert haben.
Wenn man nur die Musik und die Texte hören würde, dann käme man wohl nie darauf, dass diese überhaupt zu Kontroversen führen könnte. Und man fragt sich, warum das mit dem Durchbruch nicht geklappt hat. "Bosse trifft Pur" könnte die musikalische und textliche Formel lauten, mit einem Hang zum Stadionrock einerseits und zu Singer-Songwriter-Tugenden andererseits. Die Musik ist auf Konsens angelegt (Zielgruppe: 16-66), was nicht schlecht sein muss. Die Melodien sind eingängig und reißen mit und die Produktion ist fett und auf Hochglanz poliert. Die Leute, die hier Musik machen, beherrschen zweifelsohne ihr Handwerk. Ob dazu aber auch ein Ausflug in lateinamerikanische Rhythmen gehören musste ("Apocalypso"), darf bezweifelt werden, v.a. wenn sich Fryman wie in diesem Lied zu etwas platten und oberflächlichen Stereotypen hinreißen lässt: "Die tanzen den Apocalypso / Jeder Manager ein Schizzo". Eine solche Zeile hätte ich auf einer Platte der "Punk Invasion"-Reihe erwartet, aber nicht bei einem Musiker, der zumindest laut Cover eher harmlos daherkommt. Vielleicht liegt der ambivalente Eindruck auch daran, dass Fryman seiner eigenen Aussage nach "anecken" und "kritisch und politisch" sein will, dies letztlich aber nur mit solch fragwürdigen Wendungen schafft, während sonst die Grenze zum Kitsch zumindest mit einem Fuß überschritten ist. Am überzeugendsten ist Fryman bei "Vielleicht Monsignore". Dabei sind die Texte insgesamt beileibe nicht schlecht, aber auch nicht herausragend. Nur: Wer sich wie Fryman in einem Interview ein wenig weit aus dem Fenster lehnt mit Aussagen wie "Mir sind die Text-Inhalte in der deutschen Musik abhanden gekommen", muss sich fragen lassen, ob er nicht hinter seinen Ansprüchen zurück geblieben ist.
Es ist insgesamt ein sehr solides Album mit großen Momenten und einigen Schwächen, wobei die Stärken v.a. bei den gitarrenlastigen, fast hymnischen Stücken ("Wie beim ersten Mal [1974]") liegen. Lieder wie dieses könnten mit ihrem leichten Hang zum Bombast auch gut im Stadion funktionieren.
Eigentlich hätte das Album es durchaus aus der Nische schaffen können - die leicht verrockte Popmusik ist durchaus markt- und massenkompatibel. Dass dies nicht geklappt hat, ist vielleicht auch dem Tatbestand geschuldet, dass der Song ("Vielleicht Monsignore"), der am meisten überzeugt, gerade der mit dem schwierigsten Inhalt (Kindesmissbrauch) ist und gleichzeitig die einzige Singleauskopplung war. Vermutlich haben sich Fryman mit dieser Veröffentlichungspolitik selbst ein Bein gestellt.
Kontakt: http://www.da-music.de

Tracklist:
01 Vielleicht Monsignore
02 Nichts außer Liebe
03 Wie beim ersten Mal (1974)
04 Wenn ich mich verlier
05 Apocalypso
06 Geh nicht leer aus
07 Nichts außer Liebe
08 Wenn du träumst
09 Zeche 9
10 Aufs Meer
11 Abschreiben
12 Einfach mal nichts
13 Stille Wasser
14 Mach Dich auf den Weg
 




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