www.Crossover-agm.de EMANCER: The Menace Within
von ta

EMANCER: The Menace Within   (Golden Lake)

Norwegischer Black Metal. Und trotzdem anders als man erwartet. Emancer haben auch mit der zweiten Scheibe ihren eigentümlichen Mix aus schwarzen, industriellen und Riff-metallischen Elementen beibehalten. Was auf "Invisible" interessant, gut und überraschend ausfiel, ist auf "The Menace Within" nicht mehr überraschend, bleibt aber weiterhin interessant und gut. Für reinen Black Metal sitzt die Zwei-Mann-Combo zu sehr zwischen den Stühlen: Zu viele Fiepser, zu viel Verzerrung, zu viele Effekte, zu viel Drumcomputer. Für reinen Industrial gilt dasselbe: Zu viele Gitarren, zu viele Black Metal-Riffs, zu viele Blastbeats. Und die Stampfriffs sind ohnehin in der Unterzahl. Die Mischung passt aber, zwei allgemeine Kritikpunkte will ich trotzdem vor dem speziellen Teil anbringen. Zum einen stört der Drumcomputer. Das Ding ist wirklich exzellent programmiert, nämlich abwechslungsreich und mit vielen Details, aber gerade in den langsamen Stellen - und die machen den Mammutteil des Albums aus - böllert es wie auf einer Pantera-Produktion und verträgt sich nicht so sehr mit der unterkühlten Atmosphäre, welche die Schwarzmetallbestände besorgen. Natürlich braucht ein Drummer nicht so einen Rumpelsound wie Darkthrone, um in einer Black Metal-Band irgendwie angemessen zu wirken, aber besonders ein lautstärketechnisches Zurückschrauben der virtuellen Füße des Emancer-Stöckelhalters würde das Endergebnis etwas ausgewogener und weniger sperrig machen. Zum zweiten sind die Tracks des Albums durch die Bank weg zu abwechslungsreich. Seltsame Kritik? Ich hoffe nicht. Die Band zeigt sich nämlich eindeutig bemüht, Atmosphäre aufkommen zu lassen, und eben diese Atmosphäre wird dadurch zerstört, dass der entsprechende Part im Stück umgehend durch einen nächsten abgelöst wird und der so schnell wie möglich wieder durch einen nächsten usf. eben - kein Riff wird länger als zehn Sekunden ohne Variation ausgehalten, die Synthie-Einstellungen wechseln ständig, die Rhythmen ebenso, und das zerstört alle Bemühungen um Stimmungsentwurf - und zwar nicht nur bei den ersten zwei Durchläufen -, wirkt allerdings nicht auf dieselbe Art positiv chaotisch wie bei Emperor, weil dafür die rhythmische Raffinesse und die harmonische Dichte fehlen.
Wie fallen die speziellen Ausprägungen dieser allgemeinen Merkmale unabhängig von ihrer Kritikfähigkeit aus? In der Regel gut. Hier einige Beispiele. Der Opener "Enter Goddamned CNS" knallt einem den Latz um die Ohren. Hart, zerhackt, schwarz, besonders ab der dritten Minute von einer wirklich dunklen Atmosphäre geprägt, die Keyboardteppiche sind fleckig und von unten unbeheizt, Arrangements tauchen auf, die an einfachere Emperor erinnern. In dieselbe Kategorie fällt "Reclamation Of Merciless January". Hier gibt es partiell richtigen Bombast, abgefahrene Synthesizer und völlige Finsternis, während vereinzelte Passagen einen beinahe rockigen Touch hätten, wenn die Drums nicht so doppelfußlastig poltern würden. Gitarrist Mithrins Riffs verkoppeln die norwegische Schule mit vergleichsweise auf Heavy Metal gepolten Elementen: Die Black Metal-Sachen werden meist tiefer als gewohnt gespielt, die traditionellen Midtempo-Teile zielen auf Nackenbewegung hin, das synthetische Flair schreckt hierbei aber ein wenig ab. Zu Ende gibt es sogar etwas sauberen Gesang von einem Gastsänger, der weder sonderlich fehl am Platze wirkt noch sonderlich viel zum Gewinn beiträgt, als Stilmittel in der Endbewertung des Albums stattdessen doch noch für Abzüge sorgt, weil er an vereinzelten Stellen, an denen er sonst so auftaucht, übel, nämlich schräg ausfällt, namentlich in "Disfigured Divinity", das ansonsten einen sehr unzugänglichen und kranken Eindruck macht. Wunderbar läuft dagegen "Bloodwhore" rein, welches zwar möglicherweise das vertrackteste Stück des ganzen Albums darstellt, in dessen Mittelteil aber nicht nur - neben dem Anfang von "Volatile Winter" einmalig auf "The Menace Within" - akustische Gitarren auftauchen, sondern sogar richtig warm und gut gesungen wird. Hier kommen sogar Opeth-Vibes nach oben, die man ansonsten bei Emancer mit der Lupe nicht findet. Stattdessen überwiegen Kälte und Aggressionen, wobei zweitere zu wichtigen Teilen von Gorbags Krächzgesang herrühren.
Passend zur nicht allzu plakativen Musik gibt es nicht allzu plakative Texte, passend zum bösen Stil sind sie trotzdem böse ausgefallen. Ohne Deibel und Gefolgschaft zwar, aber voller Misanthropie und Sinnverlust ("Explicit Repugnance [Of Dying]"), Selbstaversionen ("Volatile Winter", "Claustrophobium"), die aber intellektuelle Überheblichkeit offenbar nicht ausschließen ("Enticing Defeat"), und undurchsichtigem Geschimpfe ("Pallid Eyes", "Bloodwhore"). Destruktiv, oft unverständlich, aber deswegen noch nicht wirklich gut. Auf kleineren Teilen des Albums verstecken sich nichtsdestotrotz ein paar lesenswerte Zeilen. "Disfigured Divinity" verbindet den Appell an realitätsnahe Visionen und nicht-idealisierte Selbsteinschätzung mit dem Bild des radikalen Absturzes bei Vernachlässigung dieser beiden Faktoren und in "Reclamation ..." gibt es sequenzenhafte winterliche Naturbeschreibungen als Spiegel des eigenen Ich. Das kennt man von Immortal, es fällt hier aber weniger heroisierend aus. OK.
"The Menace Within" ist ein gelungenes, einigermaßen aufwändiges Album (was auch die Bookletgestaltung mit einschließt) mit sterilem, Midtempo-lastigem, facettenreichem Black Metal. Das ist nichts Wunderbares, aber doch einiges.
Kontakt: Golden Lake Productions, 46 Shuna Place, Newton Mearns, Glasgow, G77 6TN; www.goldenlakeprods.co.uk

Tracklist:
1. Enter Goddamned CNS
2. Votalie Winter
3. Claustrophobium
4. Pallid Eyes
5. Reclamation of Merciless January
6. Bloodwhore
7. Disfigured Divinity
8. Enticing Defeat
9. Explicit Repugnance [of Dying]



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