www.Crossover-agm.de EMANCER: Invisible
von ta

EMANCER: Invisible   (Golden Lake Productions)

Gruppen, die sich über den Black Metal äußern, verbinden ihr musikalisches Treiben gerne mit einem aufklärerischen Anspruch, der sich in Texten und Interviewaussagen bemerkbar macht. Während weite Teile der Szene sich aber unabhängig von Standort oder z.B. politischen Verwicklungen, über die zu schreiben lohnte, nicht vom stumpf-einseitigen Blick auf szeneintern traditionelle Feindbilder wie christliche Religiösität lösen können, auch wenn sie damit mitunter zur bloßen Phrase verkommen, versuchen andere Teile (freilich nicht der ganze verbliebene Rest), eine Contra-Haltung als lediglich sekundäre Botschaft einer Pro-Haltung entgegenzustellen, die sich eben nicht über den unsichtbaren Dritten, das Feindbild, sondern über eine positive, d.h. etwas bejahende Attitüde legitimiert. Dass dabei die möglicherweise ausgeschlossene Seite (denn jede Attitüde hat Akzeptanzgrenzen) wiederum aus bspw. Philistern, Pietisten und Samaritern bestehen mag, sei ebenso in Betracht gezogen wie der Hinweis darauf, dass eine bejahende Haltung nicht aufgrund allein ihrer Existenz eine bejahenswerte ist, was sich hoffentlich von selbst versteht. Emancer aus Norwegen machen formal den Eindruck von Aufklärern im traditionellen Sinne (wenn auch freilich nicht auf philosophisch allzu hohem Niveau). Was "Invisible" textlich ausmacht, ist ein Schrei nach dem Selbst des Individuums in einer Welt aus Massenmanipulation und geistiger Gleichschaltung, der zum Ruf nach Verwirklichung der eigenen Schöpferkraft wird, die einzig zur Wesenheit des Einzelnen zu werden vermag. Ein solcher ganz Sartre'sch anmutender Existenzialismus kommt ohne übergeordnete Sinngebung auch hier daher und endet in einem Hunger nach einer Welt, um die es eigentlich nicht lohnt ("Comedy Of Hunger"). Um textliche Gemeinplätze aggressiver Musik sind aber auch Emancer nicht herumgekommen. Eine z.B. kommentarlos dastehende Phantasie über den finalen Garaus der Menschheit im letzten Krieg, den diese Welt ficht ("Man Denied"), wird erst unter dem Verweis auf den bewusst abstoßenden Charakter des Textes und den Track "Mass Destruction" relativiert. Hier nämlich geht es keineswegs um physische, sondern mentale Zerstörung in manipulativer Form und als Räuber des eigenen Denkvermögens des Einzelnen verstanden, das keinen Abstand zum eigenen Hass, der zu Krieg führt, finden kann. Dass pazifistische oder politische Zugeständnisse (deren Möglichkeit freilich nur in meiner gutwilligen Interpretation der Emancer'schen Lyrik besteht) dabei keineswegs expliziert werden, sei trotzdem klargestellt, um kein falsches Bild von Emancer zu vermitteln.
Musikalisch koppelt das Duo Emancer, bzw. der für instrumentelle und textliche Umsetzung Hauptverantwortliche, welcher da als Mithrin im Booklet kursiert, sein Plazet für den eigenständigen Geist mit aggressivem wie passenderweise experimentellem Black Metal. Ein gewisses Industrial-Feeling lässt sich bei Tracks wie "On Borrowed Time" nicht leugnen. Das liegt nicht nur daran, dass ein (exzellent programmierter) Drumcomputer für die nötigen Taktschläge sorgt, sondern vor allem an Verzerrungseffekten auf dem ohnehin weitestgehend gekreischten Gesang und Synthesizer- bzw. Gitarrensounds, die in der Black Metal-Basis vermutlich für Kopfschütteln und Geläster sorgen werden, zur Frische des Gehörten aber nur beitragen. Die bis zu beinahe zehn Minuten langen sechs Stücke erinnern in ihrem Mut zur Progressivität dabei an eine Band wie Emperor, auch wenn man tempomäßig über weite Strecken gezügelter als die inzwischen aufgelösten Nachbarn zu Werke geht, was nicht heißen soll, dass der Hörer Blastbeats mit der Lupe suchen muss. Fast Food-Liebhaber (Zu anstrengend?) wie extreme Traditionalisten (Zu un-true?) könnten bei einem in meinen Augen exzellenten, weil bei allem Reichtum an Sounds und Riffideen forschen und fiesen Stahlgewitter wie "A Comedy Of Hunger" durchaus Magenschmerzen bekommen, dem Rest der CrossOverer, sofern denn dem Black Metal zugeneigt und mit der intellektuellen Fähigkeit der kritischen Distanznahme zu auch nicht-BM-stereotypen Texten ausgestattet (denn christliche Inhalte werden selbstredend nicht propagiert), sei "Invisible" aber durchaus empfohlen. Dem sei nichts hinzuzufügen. Kontakt: Golden Lake Productions, 46 Shuna Place, Newton Mearns, Glasgow, G77 6TN, www.goldenlakeprods.co.uk

Tracklist:
1. Emancipation
2. On Borrowed Time
3. Smashed Mirror World
4. A Comedy Of Hunger
5. Man Denied
6. Mass Destruction
7. Invisible



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