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EAV: Was haben wir gelacht ...
von rls

EAV: Was haben wir gelacht ...   (Ariola)

"Verdächtige Larifaritäten aus drei Jahrzehnten" lautet der Untertitel dieser CD und macht bereits deutlich, daß es sich nicht um ein reguläres neues Studiowerk der legendären österreichischen Combo handelt, sondern um einen wie auch immer gearteten Zwischendurch-Release. Es könnte sich eine Best Of dahinter verbergen, aber schon ein Blick auf die Tracklist läßt diese Vermutung ins Reich der Legende entschweben, denn die 18 dort vermerkten Titel dürften selbst dem ausgewiesenen Bandkenner apocryph vorkommen. Ergo lautet die Lösung: Es handelt sich um eine Raritätencompilation, und zwar geht es hier um komplett unveröffentlichtes Material, das sich in diversen Aufnahmesessions der letzten drei Jahrzehnte angesammelt hat, aber aus irgendwelchen Gründen in den Archiven verblieb und teilweise auch nur skizzenhaft und unvollständig ausgearbeitet wurde. Diesen Hintergrund muß man beim Hören im Kopf behalten, um keine Enttäuschung zu erleben, was den musikalischen Faktor angeht. Etliche Nummern wären im Falle einer regulären Veröffentlichung sicherlich noch voll instrumentiert worden, bleiben hier aber fragmentarisch, während andere durchaus Komplettfassungen darstellen (die Verwendung eines Drumcomputers ist auf den jüngeren EAV-Studioalben ja gang und gäbe) und in dieser Form durchaus auch auf einem regulären Release hätten stehen können. An stilistische Bocksprünge ist man im Bandschaffen ja sowieso gewöhnt, und somit sollte man auch hier kein Problem haben, wenn auf die eröffnende und titelgebende Kifferhymne die Countrynummer "Lonesome Cowboy" folgt und sich auch im weiteren Verlaufe der summiert 47 Minuten die Stile munter die Klinke in die Hand geben, wobei man trefflich darüber sinnieren kann, warum das instrumentale Hauptthema des Seemannsliedes "Der blöde Hein" einen Touch von slawischer Folklore abbekommen hat. Das Humorlevel schwankt bei einer solchen Compilation naturgemäß gleichfalls. "Schweinefranz" und "Der blöde Hein" fallen dabei eher durchs Sieb des Belanglosen, und es finden sich auch Nummern, die an sich durchaus gelungen erscheinen, deren Grundthema aber von der Band selbst andernorts noch treffender umgesetzt wurde - die Abschiedshymne "Das letzte Hemd" fällt in diese Kategorie und kann sich trotz ihrer prinzipiellen Qualitäten nicht ganz mit "Vorbei" (von "Neppomuk's Rache") messen. Eine Nummer wie, äh, "Nummer", hingegen, die mit exzellentem Wortwitz die sexuellen Aspekte von Orchesterinstrumenten herausarbeitet und musikalisch Ravels "Boléro" adaptiert, überzeugt auf ganzer Linie, und hier bedarf es nicht mal zwingend Klaus Eberhartingers Gesang, um eine typische EAV-Nummer zu erschaffen (die hier zu hörende Fassung enthält gesanglich die Pilotspur von Thomas Spitzer). Wie kurios die Zeit über manchen Sachverhalt hinweggehen kann, zeigt "Weh dem der pflügt", das satirisch die einnahmeseitige Überlegenheit der Weinbauern (die bekanntermaßen ihre Areale nicht pflügen) über die "klassische" Landwirtschaft darstellt - das war aber noch in der Zeit, bevor die aus Ostasien eingewanderte Kirschessigfliege auch die österreichischen Weinbauern zu umfangreichen und teuren Schutzmaßnahmen ihrer Früchte zwang (Detail am Rande: "Neandertal" vom "Watumba!"-Album von 1992 hat eine 2016er Neueinspielung erfahren und wurde mit einem textlichen Update um Phänomene wie Facebook, Live-Hinrichtungen des IS und das Wiedererstarken des rechten Rands in bürgerlicher Verkleidung versehen, woran damals noch niemand dachte). Apropos Zeit: Das Booklet enthält zwar alle Texte, historische Fotos und die jeweiligen Besetzungs- und Produktionsangaben, aber keine zeitliche Zuweisung - diese findet sich dann aber auf www.verunsicherung.de, so daß man die einzelnen Ideen auch konkreten Schaffens- bzw. Arbeitsphasen zuordnen kann, ohne jede Besetzung auswendig zu wissen. Natürlich ist diese CD trotzdem eher für den Bandspezialisten geeignet, während sich der Einsteiger erstmal mit den regulären Studioalben (wahlweise einem Klassiker wie "Neppomuk's Rache" oder auch dem starken Neuling "Werwolf-Attacke! (Monsterball ist überall!!)") vertraut machen oder sich die nach wie vor tourtechnisch aktive Band zunächst live anschauen sollte.
Kontakt: www.eav.at, www.sonymusic.de

Tracklist:
Was haben wir gelacht
Lonesome Cowboy
Ich tät's noch einmal
Barbie
Schweinefranz
Der blöde Hein
#*ck dich
Halali
Das Auge Basedows
Nummer
Semmerking
Schecksymbol
Weh dem der pflügt
Komm her
Tanzbaron
Ein Koch
Neandertal 2016
Das letzte Hemd
 




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